Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1.6.1994 wendet und die Abweisung der Unterhaltsmehrbegehren von S 4.010,-- für den Monat Juni 1994 und von monatlich S 2.510,-- ab Juli 1994 bekämpft, nicht stattgegeben.
Hingegen wird dem Revisionsrekurs hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Bezahlung eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom August 1991 bis Mai 1994 in der Höhe von S 223.580,-- stattgegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in diesem Umfang aufgehoben. Dem Gericht erster Instanz wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
Das unterhaltsberechtigte eheliche Kind lebte bis Juni 1994 im Haushalt seiner Eltern. Diese leben seit Juni 1994 getrennt. Die Mutter hat mit dem Kind den ehelichen Haushalt verlassen. Beide leben seither in der Wohnung der mütterlichen Großmutter. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig.
Die monatlichen Wohnungskosten von S 7.500,-- zuzüglich S 500,-- für Strom und Telefon wurden vom Vater getragen. Dieser stellte der Mutter weiters ein monatliches Wirtschaftsgeld von S 5.000,-- zur Verfügung und bezahlte bis einschließlich Juni 1994 die Kosten des Kindergartens (monatlich S 1.500,--), den die Minderjährige ganztags besuchte. Seit September 1994 besucht das Kind die Volksschule.
Der Vater erzielte als technischer Angestellter in der Zeit vom 1.11.1993 bis 31.10.1994 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von S 41.043,60. Aus der Veranlagung von Wertpapieren erzielt er monatliche Einnahmen von rund S 7.000,--.
Die Mutter des Kindes war bis Februar 1993, abgesehen von bloß tageweisen Aushilfsarbeiten im November und Dezember 1992, ausschließlich im Haushalt tätig. Von Februar 1993 bis Februar 1994 war sie teilzeitbeschäftigt und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 7.500,--. Vom 20.3. bis 5.6.1994 und vom 20.6. bis 19.7.1994 erhielt sie ein Arbeitslosengeld von S 188,10 täglich. Seit 3.10.1994 ist sie wieder teilzeitbeschäftigt und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 5.500,--.
Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes wurde der Vater des Kindes verpflichtet, der Mutter ab 28.7.1994 einen vorläufigen monatlichen Unterhalt von S 11.748,-- zu bezahlen.
Am 27.7.1994 beantragte das Kind, vertreten durch seine Mutter, den Vater zur Bezahlung eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit von August 1991 bis Juli 1994 in der Höhe von S 239.600,-- sowie zur Bezahlung eines monatlichen Unterhalts von S 9.010,-- ab 1.8.1994 zu verpflichten. Der eheliche Vater habe seit Jahren beharrlich seine Unterhaltsverpflichtung verletzt. Er habe nur die Wohnungskosten in der Höhe von S 7.000,-- sowie ein Wirtschaftsgeld von S 5.000,-- bezahlt. Aus letzterem hätten jedoch nicht nur die Lebenshaltungskosten des Kindes, sondern auch diejenigen der Mutter und des Vaters selbst bestritten werden müssen. Daraus ergebe sich, daß der Vater in den letzten Jahren nur S 1.000,-- an Kindesunterhalt bezahlt habe. Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien überdurchschnittlich gut. Er habe in den letzten drei Jahren mindestens S 40.000,-- 14mal jährlich netto verdient. Der Vater verfüge über umfangreiche Vermögenswerte, unter anderem über ein Wertpapierdepot, aus welchem er ein monatliches Zinseinkommen von mindestens S 7.000,-- erziele. Der Vater verfüge über verschiedene Luxusgegenstände, einen PKW im Wert von über S 300.000,-- und über eine angesparte Lebensversicherungssumme von S 100.000,--. Demgegenüber sei die Mutter des Kindes überwiegend zur Gänze im ehelichen Haushalt tätig gewesen. Von Februar 1993 bis Februar 1994 sei sie als Teilzeitkraft beschäftigt gewesen und habe S 7.500,-- 14mal jährlich verdient. Im Anschluß daran sei die Mutter arbeitslos gewesen und habe ein Arbeitslosengeld von S 188,10 täglich erhalten.
Der Vater beantragte in seiner Äußerung vom 16.8.1994 (ON 4), den Antrag des Kindes auf Bezahlung eines Unterhaltsrückstandes abzuweisen, erklärte sich aber zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 3.500,-- ausdrücklich bereit und beantragte, seine Unterhaltsverpflichtung ab 28.7.1994 mit S 3.000,-- monatlich festzusetzen. Die Mutter habe das gemeinsame Kind ganztägig in einen Kindergarten gegeben. Hiefür habe der Vater monatlich zwischen S 1.300,-- und S 1.600,-- bezahlt. Das Kind sei ganztägig "rund um die Uhr" versorgt gewesen. Der Vater habe sich keiner Unterhaltsverletzung schuldig gemacht, dem Kind immer ausreichenden Naturalunterhalt gewährt, und zwar durch unmittelbare Beistellung der Wohnung, Finanzierung von Strom und Beheizung, Beistellung der notwendigen Nahrungsmittel und Bekleidung sowie der Mittel zur Körperpflege, Heilmittel und ärztlichen Behandlung sowie von Spielsachen. Zu den von der Mutter behaupteten Zahlungen habe er zusätzlich jeweils die Kleidung bezahlt.
Im Jahresdurchschnitt verdiene der Vater monatlich S 31.950,--.
Das Kind komme nun in die Volksschule und es reichte für die Abdeckung aller Unterhaltsansprüche ein Betrag von monatlich S 3.500,--.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater des Kindes ab 1.6.1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 7.200,-- und wies das Mehrbegehren von S 1.810,-- monatlich sowie den Antrag auf Bezahlung eines Unterhaltsrückstandes von S 239.600,-- ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, daß bei gehobenen Lebensverhältnissen des Vaters die Kinder sich nicht mit dem Durchschnittsbedarf zufriedengeben müßten. Ab dem Zeitpunkt der Auflösung der Wohnungsgemeinschaft sei ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 7.200,-- dem unterhaltspflichtigen Vater wirtschaftlich zumutbar und auch zur Befriedigung der unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse der Mutter anzusetzenden Bedürfnisse des erst sieben Jahre alten Kindes ausreichend. Auch bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen dürfte die Angemessenheitsgrenze nicht überschritten werden. Nach der Rechtsprechung bestehe eine absolute Obergrenze bei ca. dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs.
Eine rückwirkende Unterhaltsfestsetzung scheitere an Anhaltspunkten für eine Unterhaltsverletzung. Trotz der Amtswegigkeit des außerstreitigen Verfahrens seien die Beweislastregeln nicht aufgehoben. Bezüglich der Unterhaltsverletzung seien keine Beweise vorgelegt worden.
Gegen diesen Beschluß richteten sich der Rekurs des Kindes mit dem Abänderungsantrag dahin, daß seinem Unterhaltsbestimmungsantrag zur Gänze stattgegeben werde und der Rekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seine Unterhaltsverpflichtung nur mit S 3.500,-- monatlich festgesetzt werde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht, dem Rekurs des Vaters aber teilweise statt: Die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters wurde für den Monat Juni 1994 nur mit S 5.000,-- und für die Zeit ab 1.7.1994 nur mit S 6.500,-- festgesetzt. Das Rekursgericht beurteilte den von ihm festgestellten Sachverhalt (S.5 bis 7 in ON 16), der im wesentlichen eingangs wiedergegeben wurde, rechtlich dahin, daß eine Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters erst ab Haushaltstrennung bestehe. Bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft könne es zu einer Geldunterhaltsverpflichtung nur dann kommen, wenn der Unterhaltspflichtige weniger geleistet habe, als er nach dem Gesetz hätte leisten müssen. Bei der Prüfung, ob die Naturalunterhaltsverpflichtung erfüllt wurde, seien sämtliche der Bedarfsdeckung dienende Zuwendungen zu berücksichtigen, also sämtliche Geld- und Naturalleistungen. Durch die Zurverfügungstellung der Wohnung und die Tragung der gesamten Wohnungskosten habe der Vater einen Teil der Unterhaltsbedürfnisse des Kindes gedeckt. Die Wohnungsbenützungskosten seien nach Köpfen anzurechnen.
Trotz der Amtswegigkeit des Unterhaltsverfahrens hätte das unterhaltsberechtigte Kind seinen Bedarf und die Verletzung der Unterhaltspflicht des Vaters konkret behaupten und nachweisen müssen. Im Unterhaltsfestsetzungsantrag müßten konkret jene Bedürfnisse angeführt werden, die wegen mangelnder Unterhaltsleistungen des Vaters nicht gedeckt hätten werden können oder aber behauptet werden, daß für diese Deckung von dritter Seite gesorgt worden sei. Ein derartiges Vorbringen sei im Unterhaltsfestsetzungsantrag nicht einmal andeutungsweise erstattet worden. Die Mutter habe bis Anfang Februar 1993 über kein eigenes Einkommen verfügt, sodaß der Schluß nahe liege, daß sämtliche Geldunterhaltsbedürfnisse des Kindes bis dahin vom alleinverdienenden Vater abgedeckt worden seien. Mangels konkreter Geltendmachung einer Unterhaltsverletzung für die Zeit bis 31.5.1994 scheide eine Unterhaltsfestsetzung für diesen Zeitraum aus.
Zur Höhe des zugesprochenen laufenden Unterhalts führte das Rekursgericht aus, daß bei durchschnittlichen Verhältnissen die Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzkomponente zu erfolgen habe, bei einem erheblich überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen sei ein Unterhalt über dem Regelbedarf festzusetzen. Die Anwendung der Prozentkomponente dürfe aber nicht zu einer Überalimentierung führen. Die Prozentkomponente sei nicht voll auszuschöpfen, die Obergrenze bilde der tatsächliche Bedarf des Kindes, welcher nach den sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten zu beurteilen sei. Bei jüngeren Kindern sei die im allgemeinen angenommene Obergrenze in der Höhe des Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfes nicht voll auszuschöpfen. Der Regelbedarf für die Altersgruppe von sechs bis zehn Jahren betrage derzeit S 3.020,--. Die Zuerkennung eines Unterhalts in der Höhe des 2,15fachen des anzuwendenden Regelbedarfssatzes sei angemessen.
Für den Monat Juni 1994 habe der Vater noch die Kosten des Kindergartens getragen. Diese Kosten seien auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen.
Das Rekursgericht erachtete den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs.1 AußStrG für zulässig, weil zur Frage der Behauptungs- und Beweislast bei Geltendmachung eines Unterhalts für die Vergangenheit keine veröffentlichte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist hinsichtlich der Festsetzung des laufenden Unterhalts nicht berechtigt.
Dem Kind wurde etwas mehr als das Doppelte des sogenannten Durchschnittsbedarfs zugesprochen. Bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen ist die für durchschnittlich gelagerte Fälle als Orientierungshilfe anwendbare Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen. Dem Kind sind Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung der an den Lebensverhältnissen der Unterhaltspflichtigen orientierten Lebensbedürfnisse erforderlich sind. Ob der zur Vermeidung einer sogenannten "Überalimentierung" gebotene Unterhaltsstop beim Zweieinhalbfachen oder schon beim rund Zweifachen des Regelbedarfs anzusetzen sei, liegt im Rahmen der Einzelfallbeurteilung, der aus den Gründen der rekursgerichtlichen Entscheidung beizutreten ist.
Hingegen ist der Revisionsrekurs hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Bezahlung eines Unterhaltsrückstandes berechtigt.
Das Rekursgericht hat die Behauptungs- und Beweislast des antragstellenden unterhaltsberechtigten Kindes überspannt. Es trifft zwar zu, daß auch im außerstreitigen Verfahren, das vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird (§ 2 Abs.2 Z 5 AußStrG), die subjektiven Behauptungs- und Beweislastregeln heranzuziehen sind, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche im Verfahren mit getrennten Parteirollen entschieden wird (RZ 1991/35; RPflSlg A 8094). Der für das außerstreitige Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz hat grundsätzlich nicht zur Folge, daß es für die Parteien keine Beweislast gäbe (RPflSlg A 8062). Dies gilt in aller Regel aber nur für die Umstände, die das Gericht im Rahmen seiner amtswegigen Wahrheitsforschung nicht ohne Mitwirkung der Parteien feststellen kann. Die Beweislast kann eine Partei nur dann treffen, wenn das Gericht außerstande ist, aufgrund seiner amtswegigen Beweiserhebungen eine ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen (SZ 57/84). Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet das Gericht jedenfalls, auch ohne Parteibehauptungen die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben (SZ 53/54; 1 Ob 622/93 mwN).
Nach Auffassung des erkennenden Senates hat das unterhaltsberechtigte Kind im vorliegenden Verfahren zur Frage der Unterhaltsverletzung als Voraussetzung einer gerichtlichen Festsetzung des Geldunterhaltsanspruchs - im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes - ein durchaus ausreichendes Parteivorbringen erstattet, nämlich dahin, daß der Vater zwar die Wohnungskosten, darüber hinaus aber für einen Dreipersonenhaushalt nur S 5.000,-- an Wirtschaftsgeld bezahlt habe. Einerseits kann nach den bekannten Lebenshaltungskosten davon ausgegangen werden, daß mit einem solchen Betrag die monatlich anfallenden Kosten für Nahrungsmittel, Textilien, Putzmittel uvm. für drei Personen (auch bei angenommenen bloß durchschnittlichen Lebensverhältnissen) nicht voll beglichen werden können, selbst wenn man den unstrittigen weiteren Umstand berücksichtigt, daß das Kind wochentags im Kindergarten verköstigt wurde und der Vater diese Kosten trug. Andererseits hat der Vater die Gewährung von Naturalunterhalt detailliert behauptet und zumindest hinsichtlich der Kleidung ausdrücklich separate (also über das monatliche Wirtschaftsgeld hinausgehende) Zahlungen behauptet (S.3 in ON 4).
Die Vorinstanzen haben die von beiden Parteien beantragten Beweise nicht bzw. nur teilweise durchgeführt und keine detaillierten Feststellungen über sämtliche vom Vater während aufrechter Haushaltsgemeinschaft erbrachten Leistungen getroffen. Die Unterhaltsbedürfnisse des Kindes umfassen dessen gesamten Lebensbedarf, also nicht nur die reinen Nahrungs-, Bekleidungs-, Kindergarten- oder Schulkosten, sondern auch Ausgaben für kulturelle, soziale und sportliche Interessen (EFSlg 64.952). Auch wenn das Kind in seinem Antrag eine Verletzung dieser einzelnen Bedürfnisse konkret nicht behauptete, ist seinem Vorbringen doch der Vorhalt einer unvollständigen Unterhaltsleistung des Vaters zu entnehmen, weil die behaupteten Zahlungen zumindest prima facie zur Deckung der genannten Bedürfnisse nicht ausgereicht haben konnten.
Das Verfahren ist demnach noch nicht spruchreif. Das Erstgericht wird sein Verfahren sowohl in Wahrung des Untersuchungsgrundsatzes als auch in Entsprechung der gestellten Beweisanträge das Beweisverfahren, vornehmlich durch Vernehmung beider Elternteile, zu ergänzen und danach die aufgezeigten Umstände festzustellen haben. Erst danach wird beurteilt werden können, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß der Vater bei aufrechter Wohngemeinschaft seiner Naturalunterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter nicht nachgekommen ist und warum dies erstmals mit dem am 27.Juli 1994 bei Gericht eingelangten Antrag geltend gemacht wurde.
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