OGH 6Ob548/90

OGH6Ob548/9026.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** Speditions- und Transport-Gesellschaft mbH, 2401 Fischamend, Fischamender Straße 42, vertreten durch Dr. Alfred Holzberger, Dr. Stefan Stoiber, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ulrich C***, Kaufmann, 9020 Klagenfurt, Ebentaler Straße 168, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 86.532 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Oktober 1989, GZ 6 R 147/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. April 1989, GZ 23 Cg 35/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte vom Beklagten für erbrachte Speditionsleistungen restliche S 86.532 sA mit dem Vorbringen, der Beklagte habe auf den offenen Saldo von S 174.214,80 aus neun im einzelnen angeführten Rechnungen am 17.8.1988 nur S 87.682,80 bezahlt, den Klagsbetrag aber wegen eines angeblichen Transportschadens zurückbehalten. Der Schaden sei von einem Gutachter im Oktober 1988 mit nur S 20.600 geschätzt worden. Er habe nicht liquidiert werden können, weil der Beklagte eine Erklärung, daß er die beschädigte Sendung nicht anderweitig versichert habe, nicht abgegeben habe. Nach den anzuwendenden Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen sei der Beklagte nicht zur Aufrechnung berechtigt. Die Klägerin anerkenne den Schaden in der geltend gemachten Höhe nicht, der Klagsbetrag sei daher unbeschadet allfälliger Einwendungen aus Schadensfällen zur Zahlung fällig. Der Beklagte stellte die Höhe der für Speditionsleistungen verrechneten Beträge mit S 174.214,80 außer Streit und wandte ein, anläßlich eines Transportes von Eismaschinen und Vitrinen durch die Klägerin am 20.3.1988 sei das Transportgut beschädigt worden. Auf Grund einer Absprache mit der Klägerin habe der Beklagte am 17.8.1988 eine Gegenrechnung über S 86.532 für seinen Schadenersatzanspruch gelegt. Die Klägerin habe dieser Gegenrechnung nie widersprochen und diese in einer am 19.9.1988 übersandten Mahnung durch Erteilung einer Gutschrift anerkannt. Die Klägerin replizierte, ein Anerkenntnis sei nie erfolgt. In dem durch Computer erstellten, nicht unterfertigten Mahnschreiben sei die Schadensrechnung nur aus buchhalterischen Gründen auf Grund eines systembedingten Fehlers als Guthaben aufgeschienen, bis eine Erledigung durch die Transportversicherung erfolge. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß die Versicherung bereits mit dem Fall befaßt gewesen und eine endgültige Regelung von der Zahlung durch die Versicherung abhängig gewesen sei. Nach den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen seien die Ansprüche des Beklagten bereits verjährt. Diese Bedingungen seien nach Handelsbrauch und deshalb anzuwenden, weil sich ein entsprechender Hinweis auf allen Geschäftspapieren der Klägerin finde und der Beklagte deren Anwendung nie widersprochen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Beklagte beauftragte im März 1988 den Filialleiter der Klägerin, in Klagenfurt auf der Messe ausgestellte Geräte vom Messegelände zum Betrieb des Beklagten zu transportieren. Während des Transportes wurden Geräte beschädigt. Der Filialleiter der Klägerin bestätigte die Transportschäden auf den Lieferscheinen und versprach, die Angelegenheit mit der Versicherung zu regeln. Wegen offener Rechnungen wurde der Angestellte der Klägerin, Mag. Günther G***, mit der Einmahnung befaßt. Bei einem Telefonat im Sommer 1988 wegen des offenen Saldos wies die Ehegattin des Beklagten auf den Schadensfall hin, Mag. Günther G*** teilte mit, noch keine Schadensrechnung erhalten zu haben. Er verständigte daraufhin telefonisch die Speditionsversicherung und veranlaßte die Begutachtung des Schadens. Der beigezogene Gutachter führte am 13.7.1988 im Betrieb des Beklagten eine Schadensermittlung durch. Er traf dabei einen Außendienstmitarbeiter des Beklagten an, der ihm beschädigte Geräte zeigte. Ob dem Beklagten diese Schadensermittlung sogleich oder erst auf Grund des Klagevorbringens bekannt wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Am 17.8.1988 übersandte der Beklagte der Klägerin eine Schadensrechnung über S 86.532. Die Klägerin verbuchte diese Schadensrechnung und leitete sie mit einer schriftlichen Meldung an die Versicherungsanstalt weiter. Der Buchungsvorgang wurde dem Beklagten zunächst nicht mitgeteilt.

Die Klägerin mahnt ausständige Beträge bei Kunden durch Übermittlung von durch Computer ausgedruckte und automatisch versandte, vom Geschäftsführer nicht unterzeichnete Mahnungen ein. Am 19.9.1988 versandte die Klägerin an den Beklagten ohne Begleitschreiben einen als Mahnung bezeichneten Computerauszug mit folgemdem Text:

Folgende Guthaben stehen offen

1907 88-08-17 45 180829/143/01

EING.RECHNUNG S 86.532,00-

SUMME GUTHABEN S 86.532,00-

DREIMAL UND OEFTER WERDEN BEI IHNEN ANGEMAHNT

16158 87-12-31 45 170982/047/01

AUSG.RECHNUNG 818,00

02858 88-03-17 45 180382/005/01

AUSG.RECHNUNG 11.957,60

SUMME LETZTE MAHNSTUFE 0,00

E*** ERINNERUNG MUESSEN WIR AN SIE RICHTEN WEGEN

08719 88-07-08 45 180682/037/02

MINDERZAHLUNG 86.532,00

09096 88-07-13 45 180582/041/01

AUSG.RECHNUNG 1.931,50

09402 88-07-19 45 180682/055/01

AUSG.RECHNUNG 9.588,40

09416 88-07-19 45 180682/045/01

AUSG.RECHNUNG 3.338,40

SUMME 1. MAHNSTUFE 27.633,90

MAHNSPESEN 50,00

MAHNBETRAG GESAMT 27.683,90

NOCH NICHT ANGEMAHNTE OFFENE POSTEN

11758 88-09-12 45 180682/025/04

AUSG.RECHNUNG 846,00

OFFENE POSTEN GESAMT 28.529,90

ALLE ZAHLUNGEN BIS 88-09-15 BERÜCKSICHTIGT.

WIR ERSUCHEN UM UEBERPRUEFUNG IHRER OFFENEN POSTEN.

DIE ANGEMAHNTEN BETRAEGE WOLLEN SIE BITTE UMGEHEND AUSGLEICHEN.

Eine Verständigung, daß das ausgewiesene Guthaben von einer Zustimmung der Versicherung oder der Klägerin abhängig sei, erfolgte nicht.

Klagsgegenständlich ist lediglich die Rechnung Nr. 08719 über restliche S 86.532.

Am 24.10.1988 erstattete der bestellte Gutachter über Veranlassung der Klägerin ein Gutachten über den Transportschaden des Beklagten. Da ihm keine Ersatzteilpreise zur Verfügung gestellt wurden, ermittelte er die Schadenshöhe durch grobe Schätzung mit S 20.600 ohne Umsatzsteuer. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Sachverständige alle beschädigten Geräte besichtigt hat und dem Beklagten schon vor Klagseinbringung das Gutachten durch die Klägerin übermittelt wurde.

Rechtlich leitete das Erstgericht aus diesem Sachverhalt ab, die Klägerin habe die ihr vom Beklagten übermittelte Schadensrechnung als Guthaben des Beklagten verbucht und mit eigenen Rechnungsforderungen kompensiert. Der Beklagte habe die Mahnung der Klägerin nicht anders verstehen können, als daß seine Rechnung über S 86.532 der Höhe nach anerkannt und gegen Schulden aus durchgeführten Transporten aufgerechnet werde. Es sei daher nicht weiter zu prüfen, ob zwischen den Streitteilen die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen gälten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es führte aus:

Der Inhalt der Mahnung vom 19.9.1988 sei als konstitutives Anerkenntnis zu werten. Die Klägerin habe nicht nur von einer Einmahnung der "Minderzahlung" abgesehen, sondern dem Beklagten unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die eingegangene Schadensrechnung vom 17.8.1988 ein offenes Guthaben im Betrag von S 86.532 bescheinigt. Damit aber sei offensichtlich eine Verrechnung des ausgewiesenen Guthabens mit der in Erinnerung gebrachten Minderzahlung in gleicher Höhe erfolgt und eine schlüssige Willenserklärung im Sinne einer Kompensation abgegeben worden. Der Beklagte habe aus dieser Erklärung nur den Schluß ziehen können, daß seine Schadensrechnung dem Grunde und der Höhe nach anerkannt werde. Da die Frage, ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliege, eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO (idF vor der WGN 1989) darstelle, sei die Revision zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung, ob ein konstitutives Anerkenntnis im Sinne eines Feststellungsvertrages oder nur ein deklaratives Anerkenntnis als bloße Wissenserklärung vorliegt, ist zwar nach den Umständen des Einzelfalles durch Auslegung des Parteiwillens zu lösen, da das Berufungsgericht jedoch die grundsätzliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Voraussetzungen für die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses, insbesondere die Rechtsnatur von Quittungen und Rechnungen außer Acht gelassen hat, ist die Revision im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Mahnung vom 19.9.1988 der Klägerin zuzurechnen ist, auch wenn sie mittels EDV erstellt, abgesandt und nicht von den zuständigen Organen der Klägerin unterfertigt wurde. Eine Äußerung, die vom Empfängerhorizont einen Erklärungswert besitzt, ist dem Äußernden dann zuzurechnen, wenn er den Erklärungstatbestand (adäquat) verursacht hat und wenn er vermeiden oder verhindern hätte können, daß sie vom gutgläubigen Dritten als Willenserklärung angesehen wird (Koziol-Welser, Grundriß8, I, 89, 90). Die Mahnung vom 19.9.1988 stellt somit eindeutig eine der Klägerin zuzurechnende Erklärung dar. Es ist aber zu prüfen, ob damit eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder eine bloße Wissenserklärung abgegeben wurde. Ein konstitutives Anerkenntnis setzt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung als selbständigen Verpflichtungsgrund voraus. Dabei kommt es nicht auf die nicht erklärte oder nicht erkennbare Absicht des Erklärenden an, sondern darauf, welchen Eindruck der Vertragspartner aus dem Verhalten des Anerkennenden redlicherweise haben mußte. Dabei sind vor allem die verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (BankArch. 1989, 537 ua). Das deklarative Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) ist eine bloße Wissenserklärung des Schuldners, mit der dieser keine Rechtsfolgen herbeiführen will, sondern nur bekannt gibt, daß das Recht des Gläubigers nach seinem Wissen besteht. Es bildet keinen neuen Verpflichtungsgrund, sondern im Rechtsstreit nur ein Beweismittel für das Bestehen der Forderung, das jedoch durch andere Beweise widerlegbar ist. Nach diesen aufgezeigten Grundsätzen hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Judikatur, ebenso wie die Lehre (SZ 48/2 mwN; HS 5228; Gschnitzer in Klang2 VI 420; Ertl in Rummel ABGB, Rz 3 zu § 1376; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1426) ausgesprochen, daß Rechnungen oder Quittungen nur Beweisurkunden sind. Sie stellen nur eine Wissenserklärung des Gläubigers dar (Schwimann/Harrer, ABGB, V, § 1426 Rz 2 und 5 mwN). Gleiches hat für eine erteilte Gutschrift zu gelten, die ihrem Wesen nach nicht anders zu beurteilen ist als eine Quittung, denn sie stellt nur eine Erklärung des Gläubigers dar, daß seiner Forderung eine Forderung des Schuldners gegenübersteht. Bei fehlerhafter Ausstellung einer solchen Gutschrift ist der Aussteller berechtigt, deren Unrichtigkeit wahrzunehmen und den ihm aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis mit dem Gutschriftsempfänger zustehenden Betrag einzufordern. Die vorliegende Mahnung beinhaltet einen Auszug über das von der Klägerin geführte Kundenkonto des Beklagten. Eine nach allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln zusätzliche rechtsbegründende Funktion kraft Parteiwillens kommt der darin angeführten Gutschrift nicht zu. Zweck einer Mahnung ist die Einforderung fälliger Beträge. Wenn daher nur der sich nach Abzug einer Gutschrift ergebende Saldo zur umgehenden Zahlung eingemahnt wird, so kann daraus zunächst nur geschlossen werden, daß mit dieser Mahnung die angeführte "Minderzahlung" nicht verlangt wird. Ohne jede zusätzliche rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die Eingangsrechnung des Beklagten ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Forderung mit eigenen Forderungen endgültig aufzurechnen, also im Umfang der Gutschrift auf die eigenen Forderungen endgültig zu verzichten, kann auch nach der Verkehrsauffassung nicht von einem selbständigen Verpflichtungsgrund gesprochen werden, dies umsoweniger, als dem Beklagten als Kaufmann doch bekannt sein mußte, daß in die Schadensabwicklung jedenfalls auch die Transportversicherung der Klägerin eingebunden war. Eine Korrektur der unrichtig erteilten Gutschrift ist daher grundsätzlich möglich.

Damit ist die Rechtssache aber noch nicht spruchreif, weil die

Vorinstanzen auf Grund ihrer abweichenden Rechtsansicht

Feststellungen für entbehrlich hielten, die die Prüfung ermöglichen,

ob die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen im

vorliegenden Fall Anwendung finden, ob die Voraussetzungen des

Aufrechnungsverbotes nach § 32 AÖSp vorliegen, die Klägerin

allenfalls dem Grunde nach einer Aufrechnung gegen ihre Forderungen

aus Transportleistungen zugestimmt hat oder die Forderung des

Beklagten bereits verjährt ist. Die Urteile der Vorinstanzen waren

daher aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf

§ 52 ZPO.

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