Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die (im Verfahren erster Instanz noch als zweitbeklagte Partei in Anspruch genommene Baugeräte-Verleih Hans A***
Gesellschaft mbH - in der Folge kurz Firma A***) und die beklagte Partei stehen seit Jahren vor allem insoweit in Geschäftsbeziehung, als die Firma A*** mit einer eigens dafür konstruierten Maschine Altreifen zerkleinert und die beklagte Partei zumeist durch Subunternehmer alte Reifen anliefert und die zerkleinerten Teile zur Weiterverarbeitung wieder abnimmt.
Im Herbst 1982 hat die Firma A*** die beklagte Partei zu 5 Cg 520/82 des Kreisgerichtes Wels mit der Behauptung auf Schadenersatz in Anspruch genommen, letztere habe sich verpflichtet, nur "sauberes" Material, demnach Altreifen ohne jegliche Eisenteile, anzuliefern. Die beklagte Partei habe aber im Juni 1982 durch die Josef S*** Gesellschaft mbH & Co KG (in der Folge kurz: Firma S***) Material anliefern lassen, worin sich ein großer Metallkörper befunden habe. Hiedurch sei die Zerkleinerungsmaschine der Firma A*** beschädigt worden und dieser einschließlich des Verdienstentganges und anderer Kosten ein Schaden von etwa 1,3 Mill. S entstanden. Die beklagte Partei hafte für die Firma S*** als ihre Erfüllungsgehilfin.
Die beklagte Partei bestritt in jenem Verfahren die behauptete Vereinbarung über die Beschaffenheit des anzuliefernden Materials und wendete des weiteren ein, auch andere Unternehmen (und die Firma A*** selbst) hätten Altreifen angeliefert. Auch dabei könne das Eisenstück in die Maschine geraten sein. Es wäre Sache der Firma A*** gewesen, die Sauberkeit des Beschickungsgutes zu überwachen. In dem von der Firma S*** angelieferten Material habe sich jedenfalls kein Eisenstück befunden.
Schon mit der Klagebeantwortung in jenem Rechtsstreit verkündete die beklagte Partei der Firma S*** den Streit für den Fall, daß diese das Material mit dem Eisenstück angeliefert haben sollte und damit die behauptete Haftung begründet sei. Die Firma S*** trat in der Folge als Nebenintervenient auf seiten der beklagten Partei in den Rechtsstreit ein und begründete das Interventionsinteresse damit, es gelte für sie die in der Klagebeantwortung angekündigten Rückgriffsansprüche abzuwehren. Während des Rechtsstreites eröffnete das Kreisgericht Ried im Innkreis am 13. August 1984 über das Vermögen der Firma S*** den Konkurs. Der Masseverwalter trat in den anhängigen Rechtsstreit als Nebenintervenient ein. Nach umfangreichen Beweisaufnahmen wies das Kreisgericht Wels das Klagebegehren der Firma A*** mit Urteil vom 30. Dezember 1986 ab und verhielt diese auch zum Ersatz der mit S 395.392,08 bestimmten Prozeßkosten des Nebenintervenienten.
Gegen dieses Urteil berief die Firma A***. Sowohl die beklagte Partei als auch der Nebenintervenient erstatteten Berufungsbeantwortungen. In der mündlichen Berufungsverhandlung beschloß das Gericht zweiter Instanz die Wiederholung bzw Ergänzung von Beweisen. Es beraumte die Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung auf den 15. Jänner 1988 an. Am 21. Dezember 1987 zeigten die Hauptparteien dem Berufungsgericht in einem gemeinsamen Schriftsatz an, daß sie Ruhen des Verfahrens vereinbart hätten.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger (als Nebenintervenient im Vorprozeß) die Verurteilung der beiden Hauptparteien des Vorprozesses zum Ersatz seines mit S 340.456,19 bezifferten Schadens. Er brachte vor, die beiden Parteien hätten deshalb Ruhen des Verfahrens vereinbart, um ihn um den Zuspruch der ihm im Vorprozeß in erster Instanz zuerkannten Prozeßkosten zu bringen. Im übrigen habe ihm die beklagte Partei im Vorprozeß den Streit verkündet und ihn zur Streithilfe aufgefordert; sie hätte daher ohne Beiziehung des Nebenintervenienten keine außergerichtliche Vereinbarung mit ihrem Prozeßgegner treffen dürfen. Die beiden zunächst belangten beklagten Parteien wendeten ein, aufgrund der vom Berufungsgericht des Vorprozesses beschlossenen Beweiswiederholung sei zu befürchten gewesen, daß das erstinstanzliche Urteil nicht bestätigt werden würde. Deshalb hätten die Hauptparteien des Vorprozesses die geltend gemachte Schadenersatzforderung der Firma A*** mit S 600.000,-- bei gegenseitiger Kostenaufhebung verglichen und ewiges Ruhen vereinbart. Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Verlesung des Voraktes ohne weitere Beweisaufnahme ab. Es führte aus, Kostenersatzansprüche des Nebenintervenienten blieben bei außergerichtlicher Ruhensvereinbarung durch die Hauptparteien selbst dann "auf der Strecke", wenn der Nebenintervenient im Vorprozeß zum Einlenken des Prozeßgegners entscheidend beigetragen haben sollte, weil er im Falle eines Vergleiches keinen Kostenersatzanspruch habe. Die vorliegende Ruhensvereinbarung sei inhaltlich als Vergleich anzusehen.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil, soweit es gegen die beklagte Partei gerichtet ist, auf, verwies in diesem Umfang die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und fügte einen Rechtskraftvorbehalt bei. Es führte aus, die klagende Partei habe ihr Begehren auf zwei voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen gestützt. Zunächst habe sie eine Verletzung von Sorgfaltspflichten jener Partei behauptet, auf deren Seite sie in den Rechtsstreit als Nebenintervenient eingetreten sei. Diese besonderen Pflichten dem Nebenintervenienten gegenüber seien in der Streitverkündigung begründet. Die beklagte Partei hätte daher keine dem Nebenintervenienten nachteilige prozeßbeendende Vereinbarung treffen dürfen, ohne mit diesem vorher Rücksprache zu halten. Diese Ansicht finde jedoch im Gesetz keine Stütze. An eine Streitverkündigung knüpften sich keine prozeßrechtlichen Wirkungen. Der Benachrichtigte sei nicht verpflichtet, in den Rechtsstreit einzutreten. Die streitverkündende Partei habe auch keinen Einfluß darauf, ob der zur Vertretung Aufgerufene auch tatsächlich in den Streit eintrete. Die Wirkungen der Streitverkündigung seien vielmehr rein materiellrechtlicher Natur. Diese bestünden aber nicht in der Begründung einer vertragsähnlichen oder aufgrund des Eintrittes in den Rechtsstreit besonders gelagerten Nahebeziehung mit wechselseitigen Treue- und Fürsorgepflichten zwischen Hauptpartei und Nebenintervenienten, sondern lediglich im Eintritt von Bindungswirkungen des Vorprozesses für einen Folgeprozeß zwischen demjenigen, der den Streit verkündet habe, und jenem, dem er verkündet worden sei. Aus der Streitverkündigung und dem Beitritt des Nebenintervenienten ergäben sich somit keine besonderen Sorgfaltspflichten der Hauptpartei gegenüber diesem. Besondere Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der beklagten Partei seien nicht einmal behauptet worden. Aus dem Prozeßrechtsverhältnis allein ergebe sich keine besondere Schutzpflicht der Hauptpartei, was im Ersturteil darin zum Ausdruck gelange, daß die volle Sachdisposition bei der Hauptpartei bleibe. Damit sei es auch der beklagten Partei keinesfalls verwehrt gewesen, den im Vorprozeß geltend gemachten Anspruch einer vergleichsweisen Regelung zuzuführen, ohne gleichzeitig auf die Interessen des Nebenintervenienten Bedacht nehmen zu müssen.
Allerdings dürfe niemand seine Rechte nur deswegen in Anspruch nehmen, um andere bewußt zu schädigen. Das leite zur zweiten Anspruchsgrundlage über. Der Kläger habe sein Begehren auch darauf gegründet, daß die Prozeßparteien im Vorprozeß die Ruhensvereinbarung bewußt nur deswegen getroffen hätten, um die im Ersturteil ausgesprochene Kostenersatzpflicht der Firma A*** dem Nebenintervenienten gegenüber zu beseitigen. Damit sei der Tatbestand des § 1295 Abs 2 ABGB, also schikanöses Verhalten der Hauptparteien des Vorprozesses, geltend gemacht worden. Das ein solches gegeben sei, könne jedenfalls nicht von vornherein von der Hand gewiesen und keinesfalls allein damit begründet werden, daß dem Ruhen des Verfahrens Vergleichscharakter zukomme. Wäre die Absicht der Parteien tatsächlich nur darauf gerichtet gewesen, daß Ersturteil im Vorprozeß dem Nebenintervenienten gegenüber nicht wirksam werden zu lassen, um ihn hiedurch um seine Kostenersatzansprüche zu bringen, könne die Ersatzpflicht jener Personen, die an einer solchen Vereinbarung mitgewirkt hätten, keinesfalls augeschlossen werden. Zu seinen Behauptungen habe der Kläger Beweis durch Vernehmung beider ursprünglich beklagten Parteien angeboten. Da diese Beweise nicht aufgenommen worden seien, sei das Verfahren erster Instanz mangelhaft geblieben, weil auf Grund des verlesenen Voraktes allein noch keinesfalls auf einen streitbereinigenden Vergleich als Grundlage der Ruhensvereinbarung geschlossen werden könne. Wenn auch vieles dafür spreche, daß der Ruhensvereinbarung eine Streitbereinigung vorangegangen sei, könne dies ohne jede weitere Beweisaufnahme dem Verfahren doch nicht unterstellt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die von beiden Parteien gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ergriffenen Rekurse sind nicht berechtigt.
A/ Zum Rekurs des Klägers:
Dieser beharrt auf seinem Standpunkt, die Hauptpartei sei bei Ruhensvereinbarung mit dem Kläger zu Sorgfaltspflichten dem auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten gegenüber verpflichtet. Es ist aber dem Gericht zweiter Instanz beizupflichten, daß sich an die Streitverkündigung keinerlei prozeßrechtliche Verpflichtungen knüpfen. Jenem dem der Streit verkündet und der aufgefordert wurde, der Partei Streithilfe zu leisten, trifft keinerlei im Prozeß durchsetzbare Verpflichtung, die Aufforderung zum Beitritt als Nebenintervenient zu befolgen oder sich auch nur zum Klagsanspruch zu äußern (6 Ob 630/83; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 412). Ob und inwieweit infolge unterlassener Nebenintervention für den Folgeprozeß gegen denjenigen, der den Streit verkündet, und jenem, dem er verkündet wird, Bindungswirkungen verbunden sein können (dafür Reischauer in ÖJZ 1979, 57, 62; dagegen Fasching, aaO, Rz 415), braucht in diesem Zusammenhang nicht geprüft zu werden. Zutreffend verweist das Berufungsgericht jedoch darauf, daß weder an die Streitverkündigung noch an den darauf erfolgten Beitritt als Nebenintervenient infolge dessen Einbindung in das Prozeßrechtsverhältnis besondere rechtliche Nahebeziehungen oder gar ein vertragsähnliches Verhältnis mit wechselseitigen Treue-, Sorgfalts-, Aufklärungs- und Fürsorgepflichten geknüpft sind. Die Hauptpartei bleibt vielmehr Herrin des Verfahrens, ihr allein obliegt die Disposition über den Streitgegenstand und sie kann alle ihr unerwünschten Prozeßhandlungen des Nebenintervenienten einschließlich von ihm ergriffener Rechtsmittel zurücknehmen (Fasching, aaO, Rz 404). Dabei ist es gleichgültig, ob dem Beitritt des Nebenintervenienten eine Streitverkündigung durch die Hauptpartei vorausgegangen ist oder nicht. Kann die Hauptpartei vom Nebenintervenienten erhobene Rechtsmittel zurück nehmen, muß es ihr auch unbenommenen bleiben, noch im Berufungsverfahren (§ 483 Abs 3 ZPO) Ruhensvereinbarungen mit dem Prozeßgegner zu treffen. Aus keiner Prozeßvorschrift kann nämlich abgeleitet werden, daß die Hauptpartei dabei auch auf vom Nebenintervenienten in erster Instanz - also noch nicht rechtskräftig - ersiegte Prozeßkosten Bedacht zu nehmen habe. Entgegen den Ausführungen im Rekurs des Klägers mußte die Hauptpartei bei Abschluß
eines - außergerichtlichen - Vergleiches, der nach ihren Behauptungen Grundlage der Ruhensvereinbarung ist, auf dem im angefochtenen Urteil zuerkannten Kostenersatz an den Nebenintervenienten nicht Bedacht nehmen, es sei denn, es läge Rechtsmißbrauch im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB vor (dazu gleich weiter unten).
B/ Zum Rekurs der beklagten Partei:
Diese beruft sich zur Rechtfertigung ihres Standpunktes, daß sie zur Ruhensvereinbarung in jedem Fall berechtigt gewesen sei, auf die volle Sachdisposition im Vorprozeß. Damit kann sie die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu der vom Kläger behaupteten Schikane nicht widerlegen. Gemäß § 1295 Abs 2 ABGB darf die Ausübung eines Rechtes - und damit auch eine prozessuale Vereinbarung - nicht offenbar den Zweck haben, einen anderen zu schädigen. Nach der Rechtsprechung (SZ 51/115 uva) ist Schikane allerdings nur anzunehmen, wenn die Absicht, einen anderen zu schädigen, den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet. Derartiges hat der Kläger im Verfahren erster Instanz behauptet und hiezu auch Beweise angeboten. An diesem Vorbringen durfte, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das Erstgericht nicht vorbei gehen. Sollte sich herausstellen, daß die Hauptparteien des Vorprozesses im Berufungsverfahren nur deshalb Ruhen vereinbart haben, um den Nebenintervenienten um seinen - in erster Instanz bereits ersiegten - Kostenanspruch gegen die Firma A*** zu bringen, lägen in der Tat die Voraussetzungen für die Annahme von Schikane vor. An diesem Ergebnis könnten auch die im Rekurs der beklagten Partei vorgetragenen spekulativen Wertungen über die Auswirkungen der Ruhensvereinbarung auf eine allfällige Regreßpflicht des Nebenintervenienten der beklagten Partei gegenüber nichts ändern. Beiden Rekursen war deshalb ein Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beuhrt auf § 52 ZPO.
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