Spruch:
Der Revision wird nicht stattgegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Februar 1980 sollten Autoersatzteile eines französischen Versenders von Frankreich in die Türkei befördert werden. Ein französischer Spediteur erteilte einem österreichischen Spediteur einen entsprechenden Speditionsauftrag. Der österreichische Spediteur versicherte sein Risiko bei der Klägerin und erteilte dem Beklagten den Transportauftrag, die Ware von einem österreichischen Zwischenlager mittels Lastkraftwagens an die türkischen Bestimmungsorte zu befördern. Der von der Beklagten zur Warenbeförderung eingesetzte LKW "erlitt" am 23.Februar 1980 in Jugoslawien "einen Transportmittelunfall". Dabei wurde das Transportgut beschädigt.
Behauptungen und Feststellungen darüber, wie das Frachtgut von Frankreich in das österreichische Zwischenlager des Spediteurs gelangte, fehlen. Es steht lediglich außer Streit, daß über die Warenbeförderung von Frankreich in die Türkei kein durchgehender Frachtbrief ausgestellt wurde.
Der französische Spediteur und sein Transportversicherer brachten wegen des Schadensfalles vom 23.Februar 1980 beim Handelsgericht in Paris gegen den österreichischen Spediteur und den österreichischen Frachtführer, die beklagte Partei im nunmehrigen Rechtsstreit, eine Ersatzklage an. Der Frachtführer wendete die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Pariser Gerichtes (und damit der Sache nach auch den Mangel der französischen Gerichtsbarkeit) ein. Die französischen Kläger zogen in der Folge ihr Klagebegehren gegen ihn zurück. Der österreichische Spediteur machte aber gegen den österreichischen Frachtführer im Verfahren vor dem Pariser Handelsgericht seinen Regreßanspruch in der dem österreichischen Prozeßrecht nicht bekannten Form eines sogenannten appel en garantie (ein Fall der intervention forcee) geltend. Das Pariser Handelsgericht gab nicht nur dem gegen den österreichischen Spediteur erhobenen Klagebegehren, sondern auch dessen mit appel en garantie erhobenen Regreßbegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte am 27.Januar 1986 das Urteil des Handelsgerichtes Paris vom 13.April 1983. Die Urteile der französischen Gerichte sind rechtskräftig.
Die Klägerin erfüllte als Versicherer des österreichischen Spediteurs dessen urteilsmäßig festgestellten Verpflichtungen gegenüber den französischen Klägern.
Am 28.Oktober 1987 brachte die Klägerin gegen den österreichischen Frachtführer beim Handelsgericht Wien eine Klage auf Ersatz der durch sie erbrachten Schadenersatzleistungen an. Beide Streitteile gingen übereinstimmend davon aus, daß eine Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der französischen Urteile in Österreich nicht möglich sei und deshalb der klageweisen Geltendmachung des Regreßanspruches kein Prozeßhindernis entgegenstünde.
Das Prozeßgericht erster Instanz schloß sich unter Wiedergabe der Parteienansichten zur Frage der Prozeßvoraussetzungen der Auffassung an, daß die im Pariser Rechtsstreit urteilsmäßig ausgesprochene Ersatzleistungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem österreichischen Spediteur "zu unbestimmt und nicht vollstreckbar ist". Das Berufungsgericht verneinte ebenfalls in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich das Vorliegen eines Prozeßhindernisses wegen Streitanhängigkeit (nach der Außerstreitstellung wohl: wegen rechtskräftig entschiedener Sache). Damit ist die verfahrensrechtliche Beurteilung nach dem Vorliegen eines Prozeßhindernisses einer weiteren Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (SZ 54/190 ua). Die Bindung der Parteien durch die französische Entscheidung über die Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Legalzedentin der Klägerin im Rahmen des Abspruches über das mit appel en garantie geltend gemachte Rechtsschutzbegehren ist allerdings als materiellrechtliche Frage einer weiteren Beurteilung zu unterziehen.
Die Klägerin behauptete eine mehrfach dem Grunde nach anerkannte Ersatzpflicht der Beklagten für den Transportschaden nach den Regelungen der CMR im Ausmaß des (eingeschränkten) Klagsbetrages von mehr als 1 Mio S.
Die Beklagte bestritt eine betraglich unbeschränkte Anerkennung ihrer Haftung dem Grunde nach, wendete ausdrücklich Verjährung ein und bekämpfte das Ersatzbegehren auch der Höhe nach. Das Prozeßgericht erster Instanz fällte ein anspruchsbejahendes Zwischenurteil.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aus den dabei zugrundegelegten erstinstanzlichen Feststellungen ist hervorzuheben:
Der österreichische Spediteur hatte den Speditionsauftrag vom französischen Spediteur zu einem Frachtpauschale übernommen. Zu dem zwischen dem österreichischen Spediteur und der beklagten Frachtführerin abgeschlossenen Frachtvertrag wurde ein eigener Frachtbrief ausgestellt. Die Beklagte übernahm das Transportgut am 15. Februar 1980 ordnungsgemäß zur vertraglich vereinbarten Beförderung mittels Lastkraftwagens in die Türkei. Am 23.Februar 1980 wurde das Transportgut bei einem Unfall in Jugoslawien beschädigt, deshalb zurückbeordert und in das Lager des österreichischen Spediteurs in Niederösterreich gebracht. Dort nahm ein Havariekommissär des Transportversicherers am 28.Februar 1980 eine erste Befundaufnahme und nach dem Öffnen von etwa der Hälfte der Behälter eine oberflächliche Schätzung des Schadens auf den Betrag von ff 24.623,01 vor. Der tatsächliche Schaden lag über dieser Schätzung.
Der österreichische Spediteur veranlaßte schließlich die Rückbeförderung der beschädigten Waren durch einen anderen Frachtführer nach Paris. Dort wurde nach einer neuerlichen Besichtigung der Gesamtschaden mit ff 328.579,91 festgestellt. Der österreichische Spediteur zahlte am 27.Mai 1987 seinem französischen Auftraggeber und dessen Versicherer die Beträge, zu deren Leistung er mit dem durch das Berufungsurteil vom 27.Januar 1986 bestätigten Urteil des Pariser Handelsgerichtes vom 13.April 1983 verurteilt worden war. Die Klägerin ersetzte in Erfüllung ihrer vertraglichen Deckungspflicht aus dem Versicherungsvertrag dem österreichischen Spediteur am 3.Juni 1987 dessen Ersatzzahlungen. Mit dem Schreiben vom 4.März 1980 hatte der österreichische Spediteur der Beklagten erklärt, sie für den am Transportgut eingetretenen Schaden haftbar zu machen. Die Beklagte hatte im Antwortschreiben vom 5.März 1980 mitgeteilt, den Schadensfall bereits ihrem Versicherer gemeldet zu haben. Mit Schreiben vom 9. September 1980 hatte der österreichische Spediteur dem Transportversicherer der Beklagten die Schadenshöhe mit 1,112.983 S bekanntgegeben. Dieser Versicherer hatte dem österreichischen Spediteur im Schreiben vom 29.Oktober 1980 erklärt, "daß der Schaden im Rahmen der Entschädigungsgrenzen der CMR und auf Basis der in Wien vorgenommenen Befundaufnahme ... voll reguliert wird."
Das Prozeßgericht erster Instanz hatte in rechtlicher Beurteilung gefolgert:
Der kraft Gesetzes auf den klagenden Versicherer übergegangene Rückgriffsanspruch (des österreichischen Spediteurs gegen die Beklagte) sei im Rahmen einer der CMR unterliegenden Vertragsbeziehung zu beurteilen. Mangels durchgehenden Frachtbriefes (über die Beförderung von Frankreich in die Türkei) seien zwar die Regelungen nach Kapitel VI der CMR nicht unmittelbar anwendbar. Da aber die Verjährung durch Art 32 CMR nicht abschließend geregelt sei und (in Ansehung der Hemmung und Unterbrechung der Verjährung) auf das am Sitz des angerufenen Gerichtes geltende Recht verwiesen werde, nach österreichischem Recht ein Rückgriffsanspruch die bereits erbrachte Leistung des Rücktrittsberechtigten voraussetze, daher vor dieser Leistung die Verjährung des Rückgriffsanspruches nicht zu laufen beginne und ähnliche Grundsätze auch der positiven Regelung nach Art 39 Z 4 CMR zu entnehmen seien, sei im Sinne der Entscheidung SZ 58/122 der Beginn der Verjährung des klageweise erhobenen Rückgriffsanspruches gegen die Beklagte nicht vor der Leistung an die französischen Geschädigten anzusetzen. Der Rückgriffsanspruch übersteige jedenfalls den von der Beklagten anerkannten Betrag. Er sei entgegen dem Einwand der Beklagten nicht verjährt.
Das Berufungsgericht führte zur strittigen Frage der Verjährung aus:
Die von der Beklagten übernommene Güterbeförderung sei den Regeln nach der CMR unterlegen. Mangels durchgehenden Frachtbriefes (Frankreich-Türkei) seien die Bestimmungen des Kapitels VI der CMR, insbesondere Art 39 Z 4 nicht anwendbar und es verbleibe bei den Regelungen nach Art 32 CMR. Diese Bestimmung sei aber für Rückgriffsansprüche im Sinne des dem Art 39 Z 4 CMR zugrundeliegenden Gedankens, daß ein Anspruch nicht schon vor seiner Entstehung einer Verjährung unterworfen sein könne, auszulegen. Der bereits vom Prozeßgericht erster Instanz zitierten Entscheidung SZ 58/122 und deren Ableitung sei zu folgen.
Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Klageabweisung zielenden Abänderungsantrag an.
Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Zur Wirkung des mit rechtskräftigem Urteil beendeten Rechtsstreites vor dem Handelsgericht in Paris ist ungeachtet der vom Revisionsgericht nicht mehr überprüfbaren Verneinung eines Prozeßhindernisses in materiellrechtlicher Hinsicht zu erwägen:
Über die im anhängigen Rechtsstreit geltend gemachte Regreßpflicht liegt eine rechtskräftige Entscheidung eines französischen Gerichtes vor. Selbst wenn dieser mangels Bestimmtheit die Vollstreckbarkeit des Leistungsbefehls versagt werden müßte, bliebe der die Ersatzpflicht bejahende Ausspruch gleich einem Feststellungsausspruch für die Parteien bindend. Dies setzte allerdings die Anerkennung des französischen Urteiles voraus. Eine solche Anerkennung ist nicht nur nach den Regelungen der CMR zu beurteilen, sondern vor allem nach dem österreichisch-französischen Vollstreckungsvertrag vom 15.Juli 1966, BGB..Nr. 288/1967 zu prüfen. Die Anerkennung ist in Österreich von jeder Behörde, in deren Verfahren die Frage bedeutsam ist, als Vorfrage selbst zu lösen, weil ein besonderes Anerkennungsverfahren bei Entscheidungen mit rein vermögensrechtlichem Inhalt nicht vorgesehen ist. Für das Vorliegen eines Versagungsgrundes besteht kein Anzeichen. Die Zuständigkeit des Titelgerichtes könnte allerdings nur im Sinne des Art 11 Z 2 des genannten Abkommens gegeben gewesen sein. Dazu fehlt es an aktenkundigen Hinweisen darüber, welche verfahrensrechtliche Stellungnahme die Beklagte zu dem gegen sie durch den österreichischen Spediteur in der Form des appel en garantie erhobenen Rechtsschutzbegehren (und nicht nur gegenüber dem unmittelbaren Begehren der französischen Kläger) eingenommen hat. In dieser Hinsicht wäre das Verfahren ergänzungsbedürftig. Einer solchen Verfahrensergänzung bedürfte es allerdings im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht, wenn die autonome Sachbeurteilung zum selben Ergebnis führte wie das in Rechtskraft erwachsene französische Erkenntnis über die Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem österreichischen Spediteur (und Legalzedent der Klägerin).
In dieser, den zentralen Inhalt der Revisionsausführungen darstellenden Verjährungsfrage sieht sich das Revisionsgericht ungeachtet der vorgetragenen Kritik nicht veranlaßt, von seiner in der Entscheidung SZ 58/122 eingehend dargelegten Rechtsansicht abzugehen.
In der zitierten Entscheidung wurde bereits der besondere Charakter eines Ausgleichsanspruches nach § 896 ABGB hervorgehoben (vgl hiezu nur Ehrenzweig/Mayrhofer, Schuldrecht3, Allgemeiner Teil 109), für den auch besondere Verjährungsregelungen eingreifen (siehe statt aller anderen Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 896), so daß - bei der im vorliegenden Rückgriffsfall nicht strittigen Anwendbarkeit österreichischen Rechtes - für den Rückgriff, der sich wegen der Eigenart des Ausgleichsanspruches nach § 896 ABGB höchstens mittelbar aus einer der CMR unterliegenden Beförderung ableitet, auch eine gesonderte Beurteilung der Anspruchsverjährung gerechtfertigt ist.
Der von der Revisionswerberin bekämpften Rechtsansicht der Vorinstanzen zur Frage der Verjährung ist daher beizutreten. Die Frage der Bindung an das im Rechtsstreit vor dem Pariser Handelsgericht ergangene Urteil braucht im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht erörtert zu werden.
Der Revision war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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