OGH 6Ob521/94

OGH6Ob521/9420.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) A***** N***** Gesellschaft mbH, ***** und 2) Peter N*****, beide vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9,028.625 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Februar 1993, GZ 5 R 241/92-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10.September 1992, GZ 11 Cg 122/89-29, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Zwischenurteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Nachstehender Sachverhalt steht außer Streit (ON 1 S 3 und 5 f; ON 3 S 36 und 37 iVm ON 15 S 117):

Der Zweitbeklagte und seine Ehegattin sind die alleinigen Gesellschafter der Erstbeklagten; der Zweitbeklagte war und ist alleiniger Geschäftsführer der Erstbeklagten, welche ihr Unternehmen in dem im Alleineigentum des Zweitbeklagten stehenden Haus in W*****, betreibt, wo sie auch ihren Sitz hat. Das Haus hat der Zweitbeklagte im Jahre 1979 von der Klägerin gekauft.

Michael und Markus, die beiden Söhne des Zweitbeklagten, leben mit diesem in dessen gemeinsamen Haushalt in K*****; Michael N***** ist kaufmännischer Angestellter, Markus N***** ist Student.

Die Klägerin steht mit der Erstbeklagten seit vielen Jahren in Geschäftsverbindung; ihr alleiniger Gesprächs- und Verhandlungspartner war dabei stets nur der Zweitbeklagte als Geschäftsführer der Erstbeklagten. Die Klägerin ist die Regionalvertreterin der internationalen B*****-Organisation für Österreich. Ihr Geschäftsgegenstand ist ua auch der Handel mit Kfz-Ersatz- und -Zubehörteilen, mit technischen Artikeln und mit Industriebedarf. "B*****" ist als Marke für Waren und Dienstleistungen in verschiedenen Gestaltungsformen weltweit registriert. Im Rahmen der B*****-Organisation hat die Klägerin zwei Arten von Vertragspartnern, nämlich entweder B*****-Vertragsgroßhändler mit "BG-Vertrag" oder B*****-Dienste mit "BD-Vertrag". B*****-Vertragsgroßhändler sind jeweils für ein bestimmtes Gebiet zuständig; ihr Vertrag inkludiert auch einen B*****-Dienst. Für die Klägerin erwies es sich zufolge der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren als notwendig, im Wege der Konzentrationen eine grundlegende Strukturreform durchzuführen. Zu diesem Zweck mußte sie einer ganzen Reihen von Vertragsgroßhändlern die BG-Verträge kündigen, wobei aber für jeden von ihnen die Möglichkeit bestand, weiterhin im Rahmen der B*****-Organisation als B*****-Dienst, also im Einzelhandel und als Kundendienst, tätig zu sein und hiefür einen BD-Vertrag zu erhalten.

Das Erstgericht traf noch folgende Feststellungen:

Von dieser Strukturreform der Klägerin war auch die Erstbeklagte betroffen, welcher erst einige Jahre zuvor ein zweites Großhandelsgebiet zugeteilt worden war. Ihr BG-Vertrag stammte zuletzt vom 28.7.1981 und konnte gemäß seinem Punkt N/1. unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Da sowohl die Klägerin daran interessiert war, daß ihr die Erstbeklagte in der B*****-Organisation als B*****-Dienstvertragspartner auch nach der Kündigung des BG-Vertrages erhalten bleibt, als auch der Erstbeklagten an einer weiteren Zusammenarbeit mit der Klägerin gelegen war, gab es bereits im Dezember 1986 erste Verhandlungen bezüglich einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen. Die Klägerin strebte eine einvernehmliche Auflösung des BG-Vertrages per 31.12.1987 und eine Fortführung des B*****-Dienstes durch die Erstbeklagte an, weshalb sie auch bereit war, ihr anläßlich der Umstellung auf den B*****-Dienst und zur Abgeltung von Aufwendungen sowie Erlösminderungen eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Da die Erstbeklagte die Klägerin mit Schreiben vom 23.5.1987 darauf hingewiesen hatte, daß "das Gespräch vom 15.12.1986 (noch) keine (formelle) Kündigungerklärung enthalten hat", kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 25.6.1987 der Erstbeklagten sämtliche bestehenden Verträge "zum nächstmöglichen Termin" auf, sodaß der BG-Vertrag erst am 30.6.1988 aufgelöst worden wäre.

Am 22.10.1987 legte der Zweitbeklagte dem Vorstand der Klägerin eine Reihe von Punkten vor, die er im Rahmen der Vertragsverhandlungen geklärt wissen wollte. Dazu zählte auch die weitere Verwendung der durch die Auflösung des BG-Vertrages nicht mehr benötigten Räumlichkeiten am Sitz der Erstbeklagten. Der Zweitbeklagte bestand auf einem unbeschränkten kommerziellen Nutzungsrecht an den für den B*****-Dienst nicht einsetzbaren Räumen. Die Klägerin stimmte dem mit der Einschränkung zu, daß die Erstbeklagte in den freiwerdenden Räumlichkeiten keine Konkurrenzprodukte vertreiben dürfe. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name der Firma L*****, eines Erzeugers von Konkurrenzprodukten auf dem Gebiet der Autoelektronik. Im endgültigen Vertragswerk über die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten, bestehend aus einer "Vereinbarung", einer "Zusatzvereinbarung" und einer "Ergänzung zur Zusatzvereinbarung", alle vom 16./23.12.1987, jedoch mit einem vom Zweitbeklagten gewünschten gleichlautenden Zusatz vom 4.7.1988, ist diese Frage durch Punkt 2 der "Ergänzung zur Zusatzvereinbarung" wie folgt geklärt worden, wobei es der Wille des die Bestimmung formulierenden Vorstandsmitgliedes der Klägerin Dr.Harald M***** war, zu verhindern, daß die Erstbeklagte in den freiwerdenden Räumlichkeiten Konkurrenzprodukte verkauft:

"AMS-N***** (= Erstbeklagte) kann die Räume, die künftig für den BD nicht gebraucht werden, uneingeschränkt kommerziell nutzen, sofern sich keine Kollision mit den Bestimmungen des zwischen AMS-N***** und RBOS (= Klägerin) abzuschließenden BD-Vertrages ergibt."

Das Vertragswerk, bestehend aus den drei genannten Vereinbarungen, enthielt auch die einvernehmliche Beendigung des BG-Vertrages per 31.12.1987 und die Übereinkunft, ab 1.1.1988 einen BD-Vertrag abzuschließen. Die Klägerin verpflichtete sich ua weiters zur Rücknahme schwergängiger Waren zum BG-Einstandswert mit Preisbasis 31.12.1987 und zur Zahlung einer jährlichen Entschädigung von 980.000 S für die ersten fünf Vertragsjahre an die Erstbeklagte. Diese verpflichtete sich ua zur Übergabe aller erforderlichen Unterlagen wie Kundenkarteien, Besuchs- und Tourenpläne der Reisevertreter und Kundenanalysen an die "BG AMS 11", eine 100%ige Tochter der Klägerin, welche ab 1.1.1988 den Großhandel von der Erstbeklagten übernehmen sollte.

Am 30.6.1988 wurde zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten schließlich der B*****-Dienst-Vertrag mit Rückwirkung ab 1.1.1988 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der BG-Vertrag rückwirkend außer Kraft gesetzt. Die Erstbeklagte hatte jedoch schon bei den Vertragsverhandlungen beabsichtigt, sich noch bis zum Auslaufen des BG-Vertrages "zu BG-Konditionen" bei der Klägerin einzudecken, was dann auch Inhalt der Ergänzung zur Zusatzvereinbarung geworden ist. Die Punkte 1.6 und 7 des B*****-Dienst-Vertrages lauteten wie folgt:

"1.6 Vorbehaltlich ausdrücklicher Zustimmung durch RBOS (= Klägerin)

wird weder Firma (= Erstbeklagte) Erzeugnisse vertreiben, einbauen

und instandsetzen, die im Wettbewerb zu Vertragserzeugnissen stehen, noch werden Firma, ihr Inhaber oder in Firma tätige Gesellschafter sich unmittelbar oder mittelbar an Firmen beteiligen, die solche Erzeugnisse herstellen, vertreiben oder instandsetzen.

Unberührt davon bleibt für den Bereich der Kraftfahrzeugausrüstung die Instandsetzung von Erzeugnissen anderer Hersteller unter Verwendung von deren Erzeugnissen und Ersatzteilen sowie der Einbau vom Kunden angelieferter Erzeugnisse anderer Hersteller.

Vertrieb, Einbau und Instandsetzung auch solcher Erzeugnisse, die nicht im Wettbewerb zu Vertragserzeugnissen stehen, bedürfen der Zustimmung von RBOS.

1.7 Sofern Firma, ihr Inhaber oder in Firma tätige Gesellschafter beabsichtigen, unmittelbar oder mittelbar Unternehmen zu betreiben oder sich an solchen Unternehmen zu beteiligen, die Vertragserzeugnisse oder ihnen gleichartige Erzeugnisse herstellen, vertreiben oder instandsetzen, werden sie vorher die Zustimmung von RBOS einholen. Im Hinblick auf den spezifischen Charakter des B*****-Dienstes darf dessen Inhaber nicht am selben Standort eine Kfz-Vertretung führen oder eine markenbezogene Kfz-Werkstätte betreiben. Soweit Firma, ihre Inhaber oder ihre Gesellschafter andere Unternehmen betreiben, werden sie RBOS hievon in Kenntnis setzen und für diese Unternehmen eine deutlich zu unterscheidende Firmierung/Kennzeichnung wählen."

Noch während der Vertragsverhandlungen hatten die beiden Söhne des Zweitbeklagten die dann am 31.3.1988 registrierte Michael N***** GesmbH mit dem Geschäftsgegenstand "Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Kfz-Ersatz- und -Zubehörteilen, mit technischen Artikeln und Industriebedarf" gegründet. Ihr alleiniger Geschäftsführer ist der Sohn Michael. Die Gesellschaft betreibt den Warenhandel im Hause des Zweitbeklagten, in welchem auch die Erstbeklagte ihre Geschäftsräume hat. Die Hausfassade weist eine Gestaltung gemäß den Fotos Beilagen W bis Y auf, wobei das Haus von der gegenüberliegenden Seite gesehen einen einheitlichen Eindruck macht. Im Herbst 1989 brachte die Michael N***** GesmbH an der Hausecke auf beiden Fronten lotrecht die Aufschrift "M.N*****" an. Sowohl am Blickfang zum Geschäft der Michael N***** GesmbH als auch zu jenem der Erstbeklagten befinden sich in der S*****straße je zwei Schaufenster und je eine Eingangstüre. Innen sind die beiden Geschäftslokale durch eine Wand mit Verbindungstüre getrennt. In den Geschäften werden gleichartige Waren aus dem Kfz-Bereich angeboten. Aufgrund eines zwischen der Erstbeklagten und der Michael N***** GesmbH abgeschlossenen Mietvertrages benützen beide Unternehmen das Lager (eine EDV-Anlage und ein EDV-mäßig geführtes Magazin) und Büroräumlichkeiten (Telefonzentrale, Toiletten) gemeinsam.

Die Erstbeklagte hat auch noch nach Beendigung des BG-Vertrages im Jahre 1988 die Bezeichnung "B*****-Vertragsgroßhändler" auf einem Lieferauto und im Telefonbuch 1989/90 belassen. Mitte 1989 ließ sie diese Bezeichnung jedoch entfernen. In Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen hat die Klägerin von der Erstbeklagten Waren im Gesamtwert von 1,131.886 S zurückgenommen und ihr fünfmal eine jährliche Entschädigung von 980.000 S sowie an übernommenen Abfertigungen insgesamt 253.294,50 S bezahlt und ihr auch einen Bonus auf die Einkäufe bei dem nun für sie zuständigen Vertragsgroßhändler und bei ihr selbst im Betrag von insgesamt 1,374.500 S gewährt. Die Erstbeklagte hat ihrer Verpflichtung gemäß im Jahre 1988 der BG AMS 11 Kundendateien übermittelt.

Mit der Behauptung, die Beklagten hätten ihr die der Erstbeklagten gewährten Millionen-Unterstützungen in bewußter Irreführungsabsicht herausgelockt, begehrt die Klägerin deren Verurteilung zur ungeteilten Hand zur Rückzahlung von 9,028.625 S sA. Sie sei von den beiden Beklagten schon "ab ovo" ganz gezielt darüber getäuscht worden, daß sie in bewußter und krasser Umgehung der Konkurrenzklausel des BD-Vertrages die nicht mehr benötigten Räume am Sitz der Erstbeklagten einer von den Söhnen des Zweitbeklagten nur pro forma gegründeten GmbH zum Vertrieb von Konkurrenzprodukten überlassen werden. Diese Vorgangsweise, die auch im gemeinsamen Geschäftsbetrieb mit der hinter dem Rücken der Klägerin gegründeten Michael N***** GesmbH ihren Ausdruck finde, verstoße überdies gegen Punkt 2. der Ergänzung zur Zusatzvereinbarung. Die Beklagten seien nicht nur zum Zeitpunkt des Abschlusses des BD-Vertrages, sondern während der ganzen Vertragsverhandlungen schlechtgläubig gewesen, habe ihnen doch klar bewußt sein müssen, daß die Klägerin für den Fall, daß im unmittelbaren Firmenobjekt der Erstbeklagten Konkurrenzerzeugnisse feilgeboten werden, die "Millionen-Unterstützungen" niemals gewährt hätte. Überdies hätten die beiden Beklagten von Anfang an die Absicht gehabt, den B*****-Großhandel auch nach dem Auslaufen des BG-Vertrages allein oder mit Hilfe der Michael N***** GesmbH weiterhin zu betreiben und dies auch in die Tat umgesetzt.

Die Beklagten stellen jede bewußte Irreführungsabsicht in Abrede und beantragen die Klageabweisung. Das Vertragsformular des BD-Vertrages mit der Konkurrenzklausel sei ihnen schon im Zuge der Verhandlungen noch vor Abschluß des Vertragswerkes vom 16./23.12.1987 zur Verfügung gestanden und inhaltlich in die Verhandlungen einbezogen worden. Das Konkurrenzverbot des von der Klägerin formulierten BD-Vertrages treffe nur die Erstbeklagte, nicht aber Dritte oder Angehörige des Zweitbeklagten. Die Beklagten hätten die Klägerin nie in Zweifel darüber gelassen, wie sie Punkt 2. der Ergänzung zur Zusatzvereinbarung verstehen. Als dieser Passus im Zuge der zahlreichen Verhandlungen erneut einer Diskussion unterzogen worden sei, habe der Vorstand der Klägerin die Befürchtung geäußert, daß die Beklagten auch Konkurrenzunternehmungen in ihren Räumlichkeiten beherbergen dürften, womit die Klägerin aber nicht einverstanden sein wolle. Die Beklagten hätten daraufhin erklärt, daß sie keine wie immer gearteten Einschränkungen der Nutzung dulden würden; sie müßten sogar das Recht haben, gegebenenfalls das in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Konkurrenzunternehmen "L*****" beherbergen zu dürfen. Andernfalls komme es zu keiner Vereinbarung. Daraufhin habe sich die Klägerin dazu durchgerungen, die Vertragsbestimmungen, welche sie zunächst eliminiert wissen wollte, zu akzeptieren. Im übrigen seien die Geschäftsbereiche der beiden Gesellschaften am Haus außen und innen deutlich abgegrenzt. Schließlich sei eine Teilanfechtung des gesamten Vertragswerkes schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagten ohne die vereinbarten Unterstützungen der Klägerin den Vertrag nicht geschlossen hätten, sodaß er auch nicht teilbar sein könne.

Das Erstgericht traf im Rahmen seiner Beweiswürdigung noch die negative Feststellung, wonach die von der Klägerin behauptete Schlechtgläubigkeit der Beklagten bei Abschluß des Vertrages nicht feststellbar sei, und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Konkurrenzklausel verbiete lediglich der Erstbeklagten, ihren Gesellschaftern oder Geschäftsführern, mit der Klägerin in Konkurrenz zu treten. Es sei daher keine Umgehung, wenn Familienangehörige eine Gesellschaft gründeten, welche den Handel mit Konkurrenzprodukten - und sei es auch im selben Gebäude - betreibt. Eine andere Vertragsauslegung verstoße aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gegen die guten Sitten, wäre doch sonst das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art 6 StGG) beeinträchtigt. Entscheidend sei, daß nur die Erstbeklagten aus den Verträgen berechtigt und verpflichtet wurde. Deren erklärter Wille sei es aber gewesen, die frei werdenden Räumlichkeiten unbeschränkt kommerziell nutzen zu dürfen. Der Erstbeklagten könne auch die Erhaltung ihres Kundenstockes nicht verwehrt werden, weshalb sie zwangsläufig in Konkurrenz zum Tochterunternehmen der Klägerin treten müsse, welches gleichfalls B*****-Produkte vertreibe.

Das Berufungsgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Klageforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dem Zweitbeklagten müsse sehr wohl eine bewußte Irreführungsabsicht im Zuge der Vertragsverhandlungen unterstellt werden, sei doch schon Monate vor dem endgültigen Vertragsabschluß von seinen Söhnen eine GmbH zum Vertrieb von Konkurrenzprodukten gegründet worden, welche eine Reihe von Büroeinrichtungen gemeinsamen mit der Erstbeklagten benütze, sodaß weder nach der Außenseite des Hauses noch der inneren Struktur nach eine klare Trennung der Geschäftbetriebe vorgenommen werden könne. Damit hätten aber die Beklagten in den der Erstbeklagten verbliebenen Räumlichkeiten Tätigkeiten entfaltet, die den Vertrieb von Konkurrenzprodukten betreffen. Sie hätten daher bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des genannten Vertragspaketes die Absicht gehabt, weder die Konkurrenzklausel des BD-Vertrages noch Punkt 2. der "Ergänzung zur Zusatzvereinbarung" einhalten zu wollen. Diese Bestimmungen seien nach ihrem objektiven Zweck im Sinne einer Gleichstellung der Räumlichkeiten im Hause des Zweitbeklagten auszulegen: Weder in den nicht mehr benötigten und daher in jeder sonstigen Weise kommerziell nutzbaren Räumlichkeiten noch in den vom B*****-Dienst der Erstbeklagten künftig benötigten Räumlichkeiten sollten Konkurrenzprodukte vertrieben werden können. Wenn auch die Söhne des Zweitbeklagten dem Wortlaut nach nicht unmittelbar unter das Konkurrenzverbot fielen, könne dieses doch nur so verstanden werden, daß die dort angeführten Personen den Vertrieb von Konkurrenzprodukten auch dritten Personen nicht ermöglichen dürften. Die Beklagten hätten daher als Verbotsbelastete Konkurrenzprodukte auch nicht von anderen Personen verkaufen lassen dürfen, weshalb die Vertraganfechtung durch die Klägerin dem Grunde nach berechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist entgegen der Meinung der Klägerin schon deshalb zulässig, weil sich das Berufungsgericht über die erstgerichtlichen Feststellungen ohne eigene Beweisaufnahmen hinweggesetzt und dabei nicht nur die Beweisrüge der Berufung, sondern auch deren Mängelrüge übergangen hat; die Revision ist auch im Sinn des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Gemäß § 870 ABGB ist, wer von dem anderen Teil durch List zu einem Vertrag veranlaßt wurde, ihn zu halten nicht verbunden. Diese Gesetzesbestimmung ermöglicht dem Getäuschten die Anfechtung des Vertrages, also seine Aufhebung wegen des unterlaufenen Willensmangels. Dies strebt die Klägerin mit der vorliegenden Klage nicht an. Sie will die einverständliche Auflösung des BG-Vertrages per 31.12.1987 und das mit 1.1.1988 begonnene BD-Vertragsverhältnis zur Erstbeklagten aufrecht erhalten, verlangt aber die Rückzahlung der von ihr im Rahmen des ausgehandelten Vertragspaketes geleisteten "Millionen-Unterstützungen".

In der Rechtsprechung wird auch dem im Sinne des § 870 ABGB Getäuschten das Recht auf Vertragsanpassung im Rahmen der Anordnung des § 872 ABGB eingeräumt, wobei der listig Irreführende einem solchen Begehren die Einwendung, daß er den Vertrag anders nicht geschlossen hätte, nur zum Schutz eigener begründeter wesentlicher Interessen entgegensetzen kann, nicht aber, um den betrügerisch herausgelockten Vorteil zu behalten (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 870; SZ 59/126 mwN; JBl 1991, 584). Außerdem bestimmt § 874 ABGB ausdrücklich, daß der arglistige Irreführer dem Überlisteten Schadenersatz (volle Genugtuung) leisten muß, und zwar unabhängig davon, ob dieser den Vertrag bestehen läßt oder anficht (Koziol-Welser9 I 138 f).

List ist bewußte Täuschung, indem entweder der Erklärende absichtlich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Willensäußerung bewogen oder doch dessen bereits vorhandener Irrtum bewußt ausgenützt wird (Koziol-Welser9 I 136; SZ 55/51; JBl 1990, 175 uva). Listige Irreführung beim Vertragsschluß setzt daher in tatsächlicher Hinsicht stets Irreführungsabsicht des anderen Teiles voraus. Da die Erstbeklagte als juristische Person nicht selbst handeln konnte, ist für sie bei den Vertragsverhandlungen und beim Vertragsabschluß der Zweitbeklagte als ihr Organ (Geschäftsführer) tätig geworden; sein Agieren und sein subjektiver Vorsatz werden daher der Erstbeklagten zugerechnet (Koziol-Welser9 I 69 und 166). Der Zweitbeklagte selbst haftet der Klägerin daneben jedoch nur nach Deliktsrecht (Koziol-Welser9 I 70), also grundsätzlich nur bei Vorsatz (so wie auch ein rechtsgeschäftlicher Vertreter: SZ 56/135).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, daß der Gehalt des Punktes 2. der "Ergänzung zur Zusatzvereinbarung" im Zusammenspiel mit dem nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten im Dezember 1987 bereits bekannten Inhalt der Konkurrenzklausel des BD-Vertrages zentraler Angelpunkt für die von der Klägerin behauptete arglistige Irreführung ist. Deren Auslegung nach dem zwischen redlichen Vertragspartnern aufgrund des objektiven Vertragszweckes erkennbaren Erklärungswert, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, kommt aber erst dann in Betracht, wenn sich die Parteien in der Sache nicht ohnehin einig gewesen sind, also einen übereinstimmenden wahren Willen ("natürlicher Konsens") gehabt haben, mag dieser in den Vertragsformulierungen auch keinen eindeutigen Niederschlag gefunden haben (Koziol-Welser9 I 91). Eine solche übereinstimmende Parteienabsicht haben die Beklagten hier jedoch behauptet (ON 3 S 46). Sie ist auch nach den Feststellungen des Erstgerichtes zumindest insoferne bewiesen, als danach der Vorstand der Klägerin mit der Formulierung des Punktes 2. der "Ergänzung zur Zusatzvereinbarung" (nur) verhindern wollte, daß die Erstbeklagte (selbst) in den freiwerdenden Räumlichkeiten Konkurrenzprodukte verkauft. Jedenfalls liegt aber eine negative Feststellung des Erstgerichtes über die mangelnde Feststellbarkeit der von der Klägerin behaupteten Schlechtgläubigkeit "der Beklagten bei Abschluß des Vertrages" vor. Die erstgenannte Feststellung hat die Klägerin in ihrer Berufung auch ausdrücklich, die zweitgenannte Feststellung jedenfalls der Sache nach bekämpft.

Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht nicht aus einer verfrüht vorgenommenen Vertragsauslegung im Kleide der rechtlichen Beurteilung den Schluß auf eine Irreführungsabsicht des Zweitbeklagten ziehen. Es hat sich mit dieser Vorgangsweise nicht nur über die - von der Berufung bekämpften - Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes einfach hinweggesetzt, sondern überhaupt verkannt, daß das Vorliegen der Irreführungsabsicht eine Tat- und keine Rechtsfrage ist.

Schon aus diesem Grunde erweist sich die Aufhebung des angefochtenen Zwischenurteils als unumgänglich. Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren vorerst nicht nur die Beweis-, sondern auch die Mängelrüge der Berufung zu behandeln haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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