Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben, das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden derart abgeändert, daß das auf Räumung und Übergabe des der Beklagten mit dem Bestandvertrag vom 3.März 1977 übergebenen Verkaufspavillons mit Buffet, bestehend aus einem Verkaufsraum, einem Gastraum, einem Lagerraum sowie Toiletten gerichtete Klagebegehren abgewiesen wird. Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 32.866,40 S bestimmten Kosten des Rechtsstreites (darin enthalten an Barauslagen 2.000,-- S und an Umsatzsteuer 5.144,40 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin betreibt als Rechtsnachfolgerin einer Gebietskörperschaft eine öffentliche Krankenanstalt. Auf dem Anstaltsgelände befindet sich ein aus einem Verkaufsraum, einem Gastraum, einem Lagerraum und Toiletten bestehender Verkaufspavillon. In diesem führte seinerzeit eine Geschäftsfrau einen Buffetbetrieb. Die Beklagte war bei dieser Buffetbesitzerin (rund ein Jahrzehnt) beschäftigt. Nach dem Ableben ihrer Dienstgeberin erwarb sie aus der Verlassenschaft Einrichtungsgegenstände des Buffets sowie geringe Lagerbestände und führte das zuvor von ihrer Dienstgeberin betriebene Buffetunternehmen zunächst durch etwa drei Jahre ohne schriftlich festgelegte Vertragsregelung mit der Gebietskörperschaft als damaligem Rechtsträger der Krankenanstalt und Eigentümer des Anstaltsgeländes samt Baulichkeiten in dem erwähnten Pavillon. Erst im ersten Quartal 1977 unterfertigten die Beklagte als Bestandnehmerin und Vertreter der Gebietskörperschaft als der Bestandgeberin eine mit 3.März 1977 datierte Vertragsurkunde. In dieser wurde das Bestandverhältnis als "Miete" bezeichnet. Nach dem Urkundeninhalt ist Bestandgegenstand der "Verkaufspavillon mit Buffet, bestehend aus Verkaufsraum, Gästeraum, Lagerraum, Toiletten" und der vertraglich umschriebene Gebrauch die "Führung einer Jausenstube". Als Bestandzins wurde für die Zeit bis 31. Dezember 1986 ein monatlicher Mietzins von 200 S zuzüglich Betriebskosten, für die Zeit einer allfälligen Vertragsverlängerung über den genannten Termin hinaus ein monatlicher wertgesicherter Mietzins von 2.500 S ausgewiesen. Dazu wurde ausdrücklich festgehalten, daß die Beklagte den Mietzins seit Januar 1974 ordnungsgemäß und regelmäßig geleistet habe. Das Bestandverhältnis sollte mit Jahresende 1986 enden. Als Gründe für eine vorzeitige Auflösung durch den Bestandgeber wurden neben Mietzinsrückständen, erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstandes und Verletzung der noch zu erörternden Unterlassungsgebote nach dem IV. Vertragspunkt folgende Tatbestände umschrieben:
"... wenn ...
b) der Geschäftsbetrieb bzw die Führung desselben derart vernachlässigt wird, daß hiedurch das Ansehen der Anstalt beeinträchtigt wird und diesbezügliche Vereinbarungen erfolglos waren,
...
d) der Mieterin die Gewerbeberechtigung durch die zuständige Gewerbebehörde entzogen wird,
e) berechtigte Beanstandungen erfolgten oder ergangene Anordnungen der Anstaltsdirektion nicht beachtet werden,
f) dringende und im Interesse des Spitalbetriebes liegende Gründe eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unmöglich machen. In diesem Fall ist vom Vermieter, wenn der Grund der Vertragsauflösung von ihm gesetzt wurde, bis zum Ende der vereinbarten Bestanddauer eine entsprechende und gleichwertige Ausweichmöglichkeit zu schaffen."
Nach dem erwähnten IV. Vertragspunkt sollte es der Mieterin untersagt sein, ohne Zustimmung des Vermieters das Bestandobjekt ganz oder teilweise "weiter zu vermieten oder zu verpachten" oder ohne Genehmigung des Vermieters den bestehenden Mietzweck (Führung einer Frühstücks- und Jausenstube) zu ändern. Die Bestellung eines "Geschäftsführers für das Mietobjekt" sollte "vom Vermieter abhängig" sein. Die Mieterin sollte für die vertraglich festgelegte Bestanddauer einen Bestandrechtsnachfolger benennen können, dem der Bestandgegenstand "vorzugsweise zu vermieten" gewesen wäre (Punkt VI.).
Im übrigen war ausdrücklich festgelegt, daß die Mieterin die Haus- und Anstaltsordnung gewissenhaft zu beachten und einzuhalten habe, daß sie zum sparsamen Gebrauch des Wassers verpflichtet sein sollte und allen im Interesse des Spitalbetriebes ergehenden Anordnungen der Gebäudeverwaltung bzw der Anstaltsdirektion Folge zu leisten habe sowie daß die Mieterin das Bestandobjekt in gutem und benützungsfähigem Zustand zu erhalten und es in dieser Beschaffenheit nach Ablauf der Bestanddauer zurückzugeben habe.
Weiters wurde nach dem VI. Vertragspunkt vereinbart:
"Die Mieterin hat die Geschäftsstunden, wie auch die Preise für die zum Verkauf gelangenden Waren ersichtlich zu machen. Die Preise dürfen keinesfalls höher sein als die in den übrigen einschlägigen Geschäften außerhalb des Anstaltsbereiches.
Kunden, die offensichtlich betrunken sind, sind allenfalls mit Hilfe des Portiers oder der Polizei zu entfernen ...". Der Kundenkreis des von der Beklagten in dem auf dem Anstaltsgelände stehenden Pavillon betriebenen Buffetunternehmens setzte sich etwa zu 10 % aus Krankenhausbediensteten, zu 20 % aus Patienten und zu 70 % aus "Laufkundschaft" zusammen. Die Klägerin kündigte der Beklagten mit Schreiben vom 28. Dezember 1987 das nach Ablauf der bis Jahresende 1986 vereinbarten Vertragsdauer stillschweigend verlängerte Bestandverhältnis zum 30.Juni 1988 auf.
Mit der am 19.August 1988 angebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Räumung und Übergabe des Verkaufspavillons mit Buffet.
Nach dem Prozeßstandpunkt der Klägerin sei das Bestandverhältnis als Unternehmenspacht zu werten und demgemäß durch die außergerichtliche Kündigung vom 28.Dezember 1987 wirksam aufgelöst worden.
Nach dem Standpunkt der Beklagten liege dagegen eine nur
gerichtlich aufkündbare Geschäftsraummiete vor.
Das Prozeßgericht gab dem Räumungsbegehren statt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Weiter sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.
Beide Vorinstanzen werteten das zwischen den Streitteilen begründete Bestandverhältnis als Unternehmenspacht, die die Klägerin rechtswirksam zur Auflösung gebracht habe.
Nach der Beurteilung des Prozeßgerichtes erster Instanz sei ein lebendes Unternehmen, eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Goodwill gehöre, Bestandgegenstand. Die Klägerin habe der Beklagten einen "gesicherten Kundenstock" und damit eine Erwerbsgelegenheit übergeben. Die Beklagte habe nach Auslegung sämtlicher Vertragsregelungen eine Betriebspflicht getroffen. Die Klägerin habe, wie sich insbesondere aus dem VI. Vertragspunkt und aus der vereinbarten Instandhaltungspflicht sowie der Verpflichtung zur Einhaltung der Haus- und Anstaltsordnung ergebe, ein Interesse an einer ordentlichen Geschäftsführung (in dem von der Beklagten betriebenen Unternehmen) besessen.
Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei das Vertragsverhältnis der Streitteile dadurch gekennzeichnet gewesen, daß der in Bestand gegebene Verkaufspavillon mit Buffet durch seine enge räumliche Verbindung mit dem Krankenhausbetrieb von diesem auch insofern wirtschaftlich abhängig gewesen sei, als er seinen wesentlichen Kundenkreis aus dem Krankenhausbetrieb und dessen Umfeld bezogen habe. Das im Pavillon betriebene Unternehmen erfülle als Nebenbetrieb zur Krankenanstalt eine ergänzende Funktion, so daß der Betreiber des Krankenhauses ein erhebliches Interesse am Betrieb der Jausenstube besitze. Aus den Vertragsregelungen sei auch ohne ausdrückliche Festlegung einer Betriebspflicht zu folgern, daß im Pavillon der Betrieb einer Jausenstube zu führen und nach Beendigung des Bestandverhältnisses auch in dieser Form zurückzustellen sei. Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision wegen qualifiziert unrichtiger Lösung der streitentscheidenden materiellen Frage nach dem Vorliegen einer Geschäftsraummiete oder einer Unternehmenspacht mit einem auf Klageabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Klägerin erachtet die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als nicht gegeben. In der Sache selbst strebt sie die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen der nur aus der Eigenart der Einzelfälle zu entwickelnden Abgrenzungskriterien zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht zulässig. Sie ist auch berechtigt. Eine Gebietskörperschaft überließ als Krankenhausträgerin einer Gewerbeberechtigten einen im Anstaltsbereich gelegenen Verkaufspavillon zur Führung einer Jausenstube gegen ein fest vereinbartes Monatsentgelt. Der spezielle gastgewerbliche Betrieb der Bestandnehmerin war dadurch räumlich und organisatorisch in den Krankenhausbetrieb der Bestandgeberin eingebunden. In derartigen Fällen einer räumlichen und organisatorischen Einbindung eines selbständigen Unternehmens des Bestandnehmers in jenes des Bestandgebers gibt für die Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht mangels eindeutiger Entscheidungsmöglichkeit auf Grund anderer Bestimmungsfaktoren vor allem die Funktion des vom Bestandnehmer zu führenden Unternehmens für das des Bestandgebers den Ausschlag:
Dem Theater- und Kinobuffet, einem Verkaufsstand in den Räumen eines Amtes, in den Einrichtungen eines Verkehrsunternehmens, auf dem Gebiet eines Freizeitunternehmens oder auch in einem öffentlichen Krankenhaus und ebenso etwa dem Friseursalon oder der Boutique in einem Hotel ist in gleicher Weise eigen, daß der Geschäftsbetrieb nur innerhalb der Öffnungs- und Betriebszeiten des vom Bestandgeber betriebenen Unternehmens möglich ist und sich die Kunden in ihrem Verhalten den Erfordernissen des vom Bestandgeber geführten Unternehmens derart anzupassen haben, daß dessen Betrieb keine Störung erleidet. Diese Eigenheiten, die sich aus der räumlichen und organisatorischen Einbindung des vom Bestandnehmer geführten Betriebes in den des Bestandgebers zwangsläufig ergeben, sind als solche für die zu lösende Abgrenzungsfrage noch neutral. Funktionell kann aber einerseits der Betrieb des Bestandnehmers dem Unternehmen des Bestandgebers derart zugeordnet sein, daß dessen Leistungsangebot für sein Publikum anziehender gestaltet wird, oder andererseits nur seinen Kundenkreis aus dem durch den Betrieb des Bestandgebers zusammengeführten Publikum suchen. Zwischenformen sind denkbar. Je stärker die erste Variante zutrifft, desto höher ist das (zunächst nur wirtschaftliche) Interesse des Bestandgebers anzusetzen, daß zur Beförderung seines eigenen Unternehmens jenes des Bestandnehmers tatsächlich und effektiv betrieben werde, was im Extremfall der zweiten Variante gänzlich zu vernachlässigen wäre (unterscheide beispielsweise das Verkaufsangebot von Erfrischungsgetränken und Süßigkeiten für das Publikum eines Freizeitunternehmens wie einer Badeanstalt einerseits und für die Wartenden einer Behörde andererseits). Diese wirtschaftliche Funktion des vom Bestandnehmer zu führenden Unternehmens für das des Bestandgebers wird regelmäßig in der rechtlichen Vertragsgestaltung ihren Niederschlag finden und vor allem auch einen entscheidenden Anhaltspunkt für die Gewichtung von nicht völlig eindeutig formulierten Vertragsbestimmungen und damit für die Vertragsauslegung bieten können.
Unter diesem Gesichtspunkt darf nach dem festgestellten Sachverhalt davon ausgegangen werden, daß die Entscheidung der Beschäftigten, der Patienten und deren Besucher, die von der Klägerin geführte Krankenanstalt aufzusuchen, nicht davon mitbeeinflußt wird, ob im Krankenhausbereich eine Jausenstation betrieben wird oder nicht. Die vertraglich hervorgehobene Bestandnehmerpflicht zur Einhaltung der Haus- und Anstaltsordnung, zur Erhaltung des Bestandgegenstandes in einem guten und benützungsfähigen Zustand und zur Rückstellung des Bestandgegenstandes in dieser Beschaffenheit bieten keinen Anhaltspunkt für eine im Betriebsinteresse der Bestandgeberin schlüssig vereinbarte Betriebspflicht der Bestandnehmerin. Auch die wörtlich wiedergegebenen Formulierungen nach dem VI. Vertragspunkt und der Vertragsauflösungsgrund nach Buchstabe b des VII. Vertragspunktes sind nur als Beschränkungen der Betriebsausübung durch die Beklagte, nicht aber als Ausfluß einer der Beklagten auferlegten Betriebspflicht aufzufassen. Aus den Regelungen ist mit Sicherheit nur zu erkennen, daß die Bestandgeberin im Interesse ihrer Patienten und deren Besucher gewährleisten wollte, daß ihre Bestandnehmerin eine gewisse faktische Monopolstellung nicht unangemessen ausnütze, die von ihr (im Rahmen der Anstaltsordnung nach Belieben zu bestimmenden) Öffnungszeiten zur Information des Publikums bekanntgebe und eine das Ansehen der Anstalt beeinträchtigende Betriebsvernachlässigung unterlasse. Das Verbot freier Weitervermietung oder Verpachtung sowie einseitiger Änderung des Bestandgegenstandes ist ebenfalls keine auf das Vorliegen einer Unternehmenspacht hinweisende Eigenheit, eher ein Anhaltspunkt für das Gegenteil, weil einerseits hier offenbar bewußt zwischen Vermietung und Verpachtung unterschieden wurde und daher dem Gebrauch der Begriffe Mietvertrag, Mieter und Vermieter, mieten und vermieten im gesamten Vertragstext nicht jede rechtliche Bedeutung abgesprochen werden kann, und andererseits weil im Falle einer Unternehmenspacht die einseitige Änderung des Unternehmensgegenstandes (anders als bei einer Geschäftsraummiete) kaum besonders untersagt zu werden bräuchte. Letztlich spricht auch die im Auflösungsfall nach Buchstabe f im VII. Vertragspunkt festgelegte Verpflichtung zur Beistellung einer Ausweichmöglichkeit für eine Geschäftsraummiete.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat als Bestandgeberin der Beklagten nicht mehr als die zur Führung des Buffetbetriebes geeigneten Räumlichkeiten überlassen und damit die Möglichkeit eröffnet, aus dem Patienten- und Besucherpublikum der Krankenanstalt und zum geringen Teil auch aus dem Kreis der Krankenhausbeschäftigten ihre Kunden anzuwerben. Ob und wie diese Möglichkeit innerhalb der Haus- und Anstaltsordnung von der Bestandnehmerin zu nutzen war, blieb ihr überlassen. Zur Vermeidung einer Irritation der Patienten und ihrer Besucher wurde ihr diesbezüglich nur eine Ankündigungspflicht auferlegt. Mangels zwingender Anhaltspunkte im Vertrag für eine schlüssige Vereinbarung einer Betriebspflicht entfällt das Hauptargument für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses durch die Vorinstanzen, die an sich alle im Sinne der Rechtsprechung (vgl vor allem die zusammenfassende Darstellung in MietSlg XXXVII/7) zu beachtenden Unterscheidungskriterien berücksichtigt haben, als Unternehmenspacht. Der Klägerin ist der Nachweis des Vorliegens einer Unternehmenspacht nicht gelungen. Es ist vielmehr eine mietrechtsgesetzlich geschützte Geschäftsraummiete anzunehmen. In Stattgebung der außerordentlichen Revision war daher das Räumungsbegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 (§ 50) ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)