Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
"Die zwischen den Streitteilen vor dem Standesamt Weinitzen am 12. Juni 1976 geschlossene und zu Nr. 10/1976 beurkundete Ehe wird aus dem beiderseitigen Verschulden der Streitteile geschieden."
Die Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei der Ehe der Streitteile handelte es sich um die zweite der Klägerin und die dritte des Beklagten. Der Ehe entstammen die am 26. November 1976 geborenen Kinder Sabine und Doris. In ihrer am 17. Oktober 1986 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Später stützte sie ihr Begehren hilfsweise auch auf § 55 EheG. Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, die finanzielle Gebarung des Beklagten sei nicht nur ehefeindlich gewesen, sondern habe den Beklagten auch immer wieder mit dem Strafgericht in Konflikt gebracht. Der Beklagte habe 12 Vorstrafen und habe sich bereits dreimal im Konkurs befunden. Er habe heimlich immer wieder neue Schulden gemacht, ohne sich mit der Klägerin auszusprechen und habe die Klägerin immer wieder überredet, für ihn zu bürgen. Die Klägerin müsse diese Schulden des Beklagten zurückzahlen und sei wegen seines Verhaltens in zwei Prozesse verwickelt. Der Beklagte habe nie Sinn für ein ordentliches Familienleben gehabt und habe die Klägerin und die Kinder nur spärlich mit Wirtschaftsgeld versorgt, er habe auch Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten. Seit Februar 1985 verbüße er eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten, zu der er wegen schweren Betruges verurteilt worden sei. Ab seiner Haftentlassung im Oktober 1986 leiste er trotz eines ausreichenden Einkommens keinen Unterhalt für die Kinder. Die Klägerin werde ihr Leben lang Schulden des Beklagten, für die sie gebürgt habe, bezahlen müssen. Der Beklagte leiste keine Zahlungen an die Gläubiger, obwohl er hiezu in der Lage wäre. Der Beklagte gehe auch weiterhin heimlich Schulden ein. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, bestritt die ihm angelasteten Eheverfehlungen und brachte vor, die Klägerin sei stets über seine Vermögensverhältnisse informiert gewesen. Die ihm angelasteten Verfehlungen seien verfristet, die Klägerin habe ihm die Verurteilung bzw. den Strafantritt nicht zum Vorwurf gemacht, sondern zum Beklagten erklärt, sie halte zu ihm und warte gerne ab, bis er die Strafe verbüßt habe. Wenige Wochen nach seinem Strafantritt habe die Klägerin jedoch ehebrecherische Beziehungen zu einem Jugendfreund aufgenommen. Für den Fall der Ehescheidung werde deshalb der Ausspruch des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin begehrt. Zum Antrag auf Ehescheidung gemäß § 55 EheG brachte der Beklagte vor, die eheliche Gemeinschaft sei noch nicht drei Jahre aufgelöst. Er beantragte für den Fall der Ehescheidung nach dieser Gesetzesstelle, das Verschulden der Klägerin auszusprechen.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem beiderseitigen Verschulden, wobei das Verschulden des Beklagten überwiege. Es stellte im ersten und zweiten Rechtsgang zusammenfassend folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Klägerin arbeitete als Buchhalterin, der Beklagte hatte zunächst einen "Fernsehhandel". Die Klägerin hatte von vornherein den Eindruck, daß die finanzielle Lage des Beklagten "nicht gerade rosig" war, von seinen Vorstrafen wußte sie nichts. Kurz nach der Hochzeit teilte ihr der Beklagte mit, daß er wegen fahrlässiger Krida eine viermonatige Freiheitsstrafe zu verbüßen habe. Der Beklagte floh wegen des bevorstehenden Strafantrittes nach Deutschland, kehrte auf Veranlassung der Klägerin aber zurück und verbüßte die Strafe. Auf Initiative der Klägerin wurde hinsichtlich des Fernsehhandels, der zu 10 % dem Beklagten und zu 90 % dessen früherer Ehefrau gehörte, der Konkurs angemeldet. Es kam zu einem Zwangsausgleich. Ab Mitte 1979 betrieb der Beklagte ein Einzelunternehmen und zwar handelte er mit Fernsehgeräten und führte insbesondere Reparaturen durch. Die Klägerin wollte für diesen Betrieb die Buchhaltung führen, doch standen ihr die Belege nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung. Sie war auch weiterhin bei einem anderen Unternehmen als Buchhalterin beschäftigt. Wegen der (beruflichen) Unzuverlässigkeit des Beklagten kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen. Im Jahre 1981 begann der Beklagte zusammen mit einem Wiener Partner mit Wohnmobilen zu handeln, und nahm einen Kredit von 600.000 S auf. Die Klägerin erklärte sich immer wieder bereit, "teilweise" für Kreditverbindlichkeiten des Beklagten Bürgschaften zu übernehmen. Über das Vermögen des Beklagten wurde im April 1982 der Konkurs eröffnet, die Passiva betrugen ca. 6 Mio S. Die Klägerin sah an den Beklagten gerichtete Gerichtsbriefe nur selten, weil der Beklagte seine schlechte Vermögenslage weitgehend vor ihr verheimlichte. Nach dem Strafantritt des Beklagten im Februar 1985 fand sie in der Garage einen Postsack mit ungeöffneten Rechnungen. Das im Eigentum des Beklagten stehende Haus wurde versteigert, die Streitteile mußten auch die darin befindliche, von ihnen benützte Wohnung räumen, weil sie die Miete nicht bezahlen konnten. Der Beklagte verbrauchte "Gelder, welche er von den Hausparteien für Strom kassiert hatte". Die Klägerin mußte hiefür 20.000 S an die Stadtwerke bezahlen. Die Klägerin haftet für Kreditverbindlichkeiten des Beklagten von ca. 1,2 Mio S, konnte mit der Hauptgläubigerin, der Firma G*** aber eine Herabsetzung ihrer Verbindlichkeiten auf 250.000 S erreichen und zahlt hierauf monatliche Raten von 1.500 S. Aus ihrer Berufstätigkeit bezog die Klägerin ein Einkommen von monatlich etwa 15.000 S. Die häusliche wirtschaftliche Gebarung der Streitteile gestaltete sich derart, daß der Beklagte am Wochenende Einkäufe tätigte. Unter der Woche sorgte die Klägerin für die Lebensmittel. Der Beklagte stellte ihr dafür wöchentlich 800 S bis 1.000 S zur Verfügung. Die Klägerin trug sich schon länger mit dem Gedanken, sich wegen des Verhaltens des Beklagten scheiden zu lassen. Sie brachte bereits im Jahr 1983 eine Scheidungsklage ein, es kam aber zum Ruhen des Verfahrens, Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. November 1983 wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Krida, Begünstigung eines Gläubigers und schweren Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt, die er am 14. Februar 1985 antrat. Er hat bereits 15 Vorstrafen. Kurz vor dem Strafantritt kam es zu einem Gespräch zwischen den Ehegatten über ihre Zukunft. Hiebei versuchte die Klägerin den Beklagten zu beruhigen, da dieser die Absicht äußerte, sich vor Antritt der Strafe aus Österreich zu entfernen. Von Verzeihung war in diesem Zusammenhang keine Rede. Im August 1985 traf die Klägerin ihren Jugendfreund Hans K***. Dieser besuchte sie und nächtigte auch bei ihr im Haus. Im September 1985 waren die Klägerin und Hans K*** gemeinsam auf Urlaub in Ungarn. Die Beiden beabsichtigten, "eventuell zu heiraten". Am 20. Oktober 1986 wurde der Beklagte aus der Strafhaft entlassen. Den vom Gericht festgesetzten Unterhaltsbetrag für die beiden Kinder in der Höhe von je 1.500 S monatlich bezahlte der Beklagte nach der Haftentlassung nur sehr zögernd. Bis Mai 1987 bezahlte er insgesamt nur 2.000 S, obwohl er durch Schwarzarbeiten monatlich 10.000 S bis 15.000 S vediente. Erst im Mai 1987 überwies er insgesamt 6.000 S. Dem Beklagten wäre es möglich gewesen, Teilzahlungen an die "G***" zu leisten. Er hat dies bis jetzt aber nicht getan.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, gemäß § 55 EheG sei die Ehe nicht zu scheiden, weil die eheliche Gemeinschaft noch nicht drei Jahre aufgehoben sei. Dem Beklagten seien aber schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG anzulasten. Diese lägen darin, daß er durch seine unzuverlässige und sorglose finanzielle Gebarung, vor allem durch seine Unaufrichtigkeit in bezug auf seine finanziellen Verpflichtungen, die Ehe zerrüttet habe. Den Grundstein hiezu habe er bereits zu Beginn der Ehe gelegt, als er der Klägerin seine Vorstrafen und insbesondere die zu verbüßende Freiheitsstrafe verschwiegen habe. Obwohl ihm die Klägerin damals verziehen und sogar versucht habe, Ordnung in die Finanzen des Beklagten zu bringen, habe dieser sein Verhalten nicht geändert. Durch das Eingehen immer neuer Verbindlichkeiten habe der Beklagte die Existenz seiner Familie gefährdet. Die Klägerin habe, wenn sie als Bürgin für einen Kredit gebraucht worden sei, immer erst mit großer Verspätung erfahren, daß der Beklagte weitere Schulden gemacht habe. Die Übernahme der Bürgschaften könne der Klägerin nicht dahin vorgeworfen werden, sie sei mit dem Vorgehen des Beklagten einverstanden gewesen. Die Klägerin habe nämlich nur den Beklagten im Rahmen ihrer Beistandsverpflichtung unterstützen wollen. Die Frist des § 57 EheG sei nicht abgelaufen, weil es sich um ein fortgesetztes Verhalten des Beklagten gehandelt habe, das eine Einheit darstelle. Solange das ehewidrige Verhalten nicht aufgehoben sei, beginne die Frist nicht zu laufen. Auch Verzeihung sei nicht gegeben. Die Klägerin treffe aber ein Mitverschulden wegen ihrer ehewidrigen Beziehungen zu Hans K***. Dieses Verschulden wiege jedoch geringer als das des Beklagten, weil die Klägerin die Beziehung erst nach Zerrüttung der Ehe durch das Verhalten des Beklagten aufgenommen habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und stellte zusätzlich noch folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Beklagte hat die Klägerin stets und zwar bis zum Strafantritt über seine finanzielle Lage - soweit die Klägerin nicht durch Übernahme von Bürgschaften hievon Kenntnis
erlangte - getäuscht und im Unklaren gelassen, in dem er zum Beispiel Belege und Unterlagen verheimlichte und vor der Klägerin versteckte, sodaß diese immer erst nach einiger Zeit erfuhr, was vorgegangen war. Die Klägerin trennte sich vom Beklagten nur aus Rücksicht auf seinen damals angegriffenen psychischen Zustand sowie deshalb nicht früher, weil sie den Kinder, solange diese klein waren, das Elternhaus erhalten wollte. Nach Aufhebung des Konkurses am 29. September 1986 bzw. nach der Haftentlassung am 20. Oktober 1986 versprach der Beklagte der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie seit Oktober 1986 lebt, die Schulden bei der "G***" zu übernehmen, überdies einen weiteren Betrag von 120.000 S samt Kosten, der von der Klägerin wegen des Verhaltens des Beklagten verlangt wird, zu bezahlen. Der Beklagte hat jedoch keine Zahlungen geleistet, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Außerdem verletzte der Kläger seine Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern, da er bei einer Leistungspflicht von 3.000 S monatlich für beide Kinder für den Zeitraum Oktober 1986 bis Mai 1987 nur insgesamt 8.000 S leistete.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Beklagte habe schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen, da er gegenüber der Klägerin in bezug auf seine Finanz- und Geschäftsgebarung eine ständige Unaufrichtigkeit an den Tag gelegt habe und er im übrigen in wirtschaftlich und auch strafrechtlich nicht mehr zu vertretender Weise Schulden eingegangen sei, was die Existenz der Familie gefährdet und zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe. Dazu kämen als weitere schwere Eheverfehlungen die Unterlassung der versprochenen Schuldentilgung sowie die Unterhaltsverletzung gegenüber den Kindern. Da der Beklagte bis zum Strafantritt die Klägerin über seine wahre finanzielle Lage getäuscht und sie im Unklaren gelassen habe, liege ein als Einheit aufzufassendes ehewidriges Verhalten vor, sodaß hinsichtlich des Fristablaufes im Sinne des § 57 Abs 1 EheG auf die letzte Handlung abzustellen sei. So lange das ehewidrige Verhalten nicht aufgehoben sei, könne die Frist nicht zu laufen beginnen. Das ehewidrige Verhalten habe bis 14. Februar 1985 gedauert. Ab diesem Zeitpunkt sei die Frist wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt gewesen. Da somit nicht verfristete von der Klägerin geltend gemachte Eheverfehlungen vorlägen, komme auch den verfristeten Verfehlungen, so insbesondere der Verurteilung wegen schweren Betruges, rechtlich Bedeutung zu. Durch das Verhalten des Beklagten sei die Ehe unheilbar zerrüttet. Dafür, daß die Klägerin das Verhalten des Beklagten als ehezerstörend empfunden habe, spreche auch die Einbringung der Scheidungsklage. Davon, daß die Ehezerrüttung erst durch die Aufnahme der ehewidrigen Beziehungen der Klägerin eingetreten sei, könne auf Grund der Feststellungen nicht ausgegegangen werden. Einen Beweis für eine Verzeihung habe der Beklagte nicht erbracht. Da die Klägerin die ehewidrigen Beziehungen erst aufgenommen habe, als die Ehe durch das Verhalten des Beklagten bereits zerrüttet gewesen sei, stehe der Annahme des überwiegenden Verschuldens des Beklagten nichts entgegen. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Scheidungsbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Die Behauptung des Beklagten, die ergänzende Feststellung des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe die Klägerin bis zum Strafantritt über seine finanzielle Lage getäuscht, sei aktenwidrig, ist nicht richtig, diese Feststellung findet in der Parteienaussage
der Klägerin vom 5. Juni 1987 Deckung (ON 27, S 5 = AS 175 und
insbesondere ON 27, S 16 = AS 186).
Im Rahmen der Rechtsrüge führt der Beklagte aus, seinem Einwand, die Frist des § 57 sei abgelaufen, sei zu Unrecht nicht entsprochen worden. Mit Konkurseröffnung sei dem Beklagten eine Dispostion über sein Vermögen, die zu einer Existenzgefährdung der Familie habe führen können, nicht mehr möglich gewesen. Spätestens mit der strafgerichtlichen Verurteilung seien auch sämtliche finanziellen Transaktionen des Beklagten für die Klägerin evident geworden. Konkrete Handlungsweisen des Beklagten über eine Täuschung der Klägerin unmittelbar vor seinem Haftantritt seien nicht festgestellt worden. Eine wirtschaftliche Gefährdung der Klägerin könne nur durch finanzielle Transaktionen des Beklagten entstanden sein, bei welchen auch die Klägerin involviert gewesen sei bzw. eine Bürgschaft übernommen habe. Von diesen Fällen sei sie aber zwangsläufig informiert gewesen.
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Ein ehrloses und unsittliches Verhalten, das auch bei einem selbst von echter ehelicher Gesinnung erfüllten, also zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung herbeiführen muß, stellt eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar (EFSlg 27.321 ua, vgl. auch Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 49). Auch der Rückfall in neuerliche Straftaten bildet einen Scheidungsgrund (EFSlg 41.181, vgl. auch EFSlg 29.499). Ein unsittliches Verhalten wird insbesondere dann zu einer schweren Eheverfehlung, wenn es die Grundlage der Ehe untergräbt (EFSlg 2.244). Der Umstand, daß der bereits vor Eingehen der Ehe vorbestrafte Beklagte neuerlich straffällig wurde, was zu einer Verurteilung wegen mehrerer Delikte, insbesondere wegen schweren Betruges zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten führte, bildet daher schon für sich allein eine schwere Eheverfehlung. Dazu kommt, daß durch die Handlungsweise des Beklagten, die auch zur Konkurseröffnung führte, die wirtschaftlichen Grundlagen der Ehe zerstört wurden. Überdies war der Beklagte bestrebt, seine finanzielle Situation vor der Klägerin zu verbergen, soweit ihm dies möglich war. Auch dieses Verhalten war mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche umfassenden Lebensgemeinschaft nicht vereinbar und ist als schwere Eheverfehlung anzusehen (EFSlg 46.149, 48.727 uva). Das zuletzt angeführte Verhalten war ein fortgesetztes, die Frist des § 57 EheG konnte daher erst bei der letzten ehewidrigen Handlung zu laufen beginnen (EFSlg 41.266, 48.810, 48.811 uva). Nach der strafgerichtlichen Verurteilung vom 22. November 1983 hat der Beklagte zwar keine strafbaren Handlungen mehr begangen. Er war wohl auch nicht in der Lage, nach Konkurseröffnung weitere Verbindlichkeiten einzugehen. Die Eröffnung des Konkurses mußte aber nicht zur Folge haben, daß die Klägerin über die finanziellen Transaktionen des Beklagten voll informiert war. Der Beklagte konnte weiterhin bestrebt sein, das volle Ausmaß seiner Schulden vor der Klägerin zu verbergen. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen ergänzenden Feststellungen hat er dies auch bis zum Antritt der Strafe getan, sodaß die Frist des § 57 Abs 1 EheG damals nicht abgelaufen war. Durch den Strafantritt wurde die häusliche Gemeinschaft aber aufgehoben (EFSlg 22.847), sodaß die Frist auch nicht mehr ablaufen konnte. Aus diesem Grunde sind gemäß § 59 Abs 2 EheG auch die strafbaren Handlungen zu berücksichtigen.
Auch der Ansicht des Beklagten eine Ehescheidung sei wegen Verzeihung ausgeschlossen, kann nicht beigepflichtet werden. Verzeihung ist ein innerer Vorgang, dessen Annahme auf Schlüssen beruht, die aus dem nach freier Beweiswürdigung ermittelten Verhalten der Ehegatten durch den Richter zu ziehen sind, weshalb die Frage, ob Verzeihung vorliegt, zunächst - soweit sie nämlich den festgestellten Sachverhalt betrifft - eine Frage der Beweiswürdigung ist, deren Überprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (EFSlg 46.219, 7 Ob 545/86, 5 Ob 534/86 ua). Der Beweis, daß ihm der klagende Ehegatte verziehen hat, obliegt dem Beklagten (EFSlg 34.022, 1 Ob 720, 721/85). Da die Vorinstanzen daraus, daß die Klägerin mit der Einbringung der Scheidungsklage zuwartete und die Ehegemeinschaft bis zum Strafantritt des Beklagten fortsetzte, nicht den Schluß zogen, die Klägerin habe die Verfehlungen des Beklagten verziehen, kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten.
Aus all diesen Gründen ist daher eine Ehescheidung aus dem Verschulden des Beklagten gerechtfertigt.
Soweit sich der Beklagte gegen den Ausspruch wendet, daß sein Verschulden überwiege, kann seinen Ausführungen allerdings Berechtigung nicht abgesprochen werden. Entscheidende Bedeutung bei der Verschuldensabwägung kommt im vorliegenden Fall der Frage zu, wann die Zerrüttung der Ehe eingetreten ist. Dies ist auf Grund der tatsächlichen Feststellungen nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (EFSlg 43.632 ua) und bildet eine Rechtsfrage (EFSlg 25.387). Der Oberste Gerichtshof vermag der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Zerrüttung der Ehe sei bereits zur Zeit des Strafantrittes des Beklagten unheilbar gewesen, nicht anzuschließen. Zu berücksichtigen ist hiebei, daß die Klägerin die Ehegemeinschaft mit dem Beklagten bis zu dessen Strafantritt fortsetzte, mit dem Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt geschlechtliche Beziehungen unterhielt und bei dem vor Strafantritt stattgefundenen Gespräch über die Zukunft der Ehegatten versuchte, den Beklagten zu beruhigen. Dies rechtfertigt den Schluß, daß die Zerrüttung der Ehe damals noch nicht unheilbar war, auch wenn die Klägerin die Scheidungsklage damals deshalb nicht einbrachte, weil sie auf den psychischen Zustand des Beklagten Rücksicht nehmen und den Kindern, solange sie klein waren, das Elternhaus erhalten wollte. Damit fallen aber die ehewidrigen Beziehungen, die die Klägerin nach dem Strafantritt des Beklagten mit einem anderen Mann, der bei ihr nächtigte, mit dem sie auf Urlaub fuhr und mit dem sie eine Heirat erwägt, einging, wesentlich schwerer ins Gewicht als vom Berufungsgericht angenommen. Bei der Verschuldensabwägung im Sinne des § 60 EheG ist zwar zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang machte (EFSlg 48.819 uva), was dem Beklagten zur Last fällt, doch ist auch wesentlich, durch wessen Verhalten die Zerrüttung der Ehe unheilbar wurde (EFSlg 48.825). Dieser Vorwurf trifft aber die Klägerin. Da der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nur dann zu erfolgen hat, wenn ein sehr erheblicher gradueller Unterschied des beiderseitigen Verschuldens gegeben ist (EFSlg 48.835 uva), ist ein solcher Ausspruch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. Den dem Beklagten angelasteten, nach der Haftentlassung begangenen weiteren Eheverfehlungen (Nichtbezahlung von Schulden, für die die Klägerin haftet und Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern) kommt keine entscheidende Bedeutung mehr zu, weil die Ehe damals bereits unheilbar zerrüttet war.
Aus diesen Gründen waren die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten zu entfallen hat.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO.
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