OGH 6Ob4/94

OGH6Ob4/9420.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der S*****, infolge Revisionsrekurses des Komplementärs ***** Rafael F*****, vertreten durch Mag.DDr.Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 19. November 1993, GZ 6 R 239/93-20, womit der Beschluß des Landesals Handelsgerichtes Steyr vom 28.September 1993, GZ FN 15086k-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Gesellschaft besteht aus einem Komplementär und zwei Kommanditistinnen. Mit Eingabe vom 16.8.1993 gaben der Komplementär der Gesellschaft und eine Kommanditistin bekannt, daß der Sitz der Gesellschaft im Zuge der Betriebsstillegung von O***** nach W***** verlegt worden sei und beantragten die Übermittlung des Firmenbuchaktes an das nunmehr zuständige Firmenbuchgericht W*****, welches die Sitzverlegung von O*****nach W***** eintragen möge. In der Eingabe wurde darauf hingewiesen, daß die zweite Kommanditistin die Unterfertigung der Eingabe abgelehnt habe und angeregt, diese säumige Kommanditistin durch geeignete Ordnungsstrafen zur Mitwirkung an der Herstellung des ordnungsgemäßen Registerstandes zu verhalten. Über Aufforderung des Erstgerichtes, bekanntzugeben, warum die Mitfertigung der Anmeldung der Sitzverlegung abgelehnt werde und ob eine faktische Sitzverlegung im Sinne des § 107 HGB tatsächlich stattgefunden habe, teilte die Kommanditistin mit, sie könne weder bestätigen, daß eine Sitzverlegung nach W***** erfolgt sei noch habe sie Beweismittel für das Gegenteil; sie verwies aber auf begründete Zweifel an der tatsächlichen Sitzverlegung und auf den Gesellschaftsvertrag. Eine Unterfertigung der Firmenbucheingabe erfolgte nicht.

Mit Beschluß vom 28.9.1993 lehnte das Erstgericht "den Antrag auf Eintragung der Sitzverlegung der Gesellschaft von O***** nach W***** sowie den Antrag auf Einleitung eines Erzwingungsverfahrens gegen die an der Anmeldung nicht mitwirkende Kommanditistin ab." Dies mit der Begründung, es fehle an der nach § 108 Abs 1 HGB erforderlichen Mitfertigung aller Gesellschafter. Die Einschreiter hätten nicht bescheinigt, daß es tatsächlich zu einer faktischen Sitzverlegung im Sinne des § 107 HGB, an welcher das Firmenbuchgericht aufgrund der Aktenlage Zweifel hege, gekommen sei. Den Antragstellern bleibe es unbenommen, im Sinne des § 16 HGB die Kommanditistin im Prozeßwege zur Mitwirkung zu verhalten.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Komplementärs keine Folge. Es sei nicht bescheinigt oder auch nur behauptet worden, daß der Gesellschaftsvertrag, der als Sitz der Gesellschaft O***** bestimme, geändert worden sei. Eine Verweisung auf den Rechtsweg komme nicht in Betracht, weil ein formaler Mangel, nämlich das Fehlen einer Unterschrift, vorliege. Eine Sitzverlegung käme in erster Linie bei Fortführung des Unternehmens in Betracht; die - von den Antragstellern behauptete - Abwicklung habe am bisherigen Gesellschaftssitz zu erfolgen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen fehlender Rechtsmittellegitimation des Komplementärs der Gesellschaft unzulässig.

Zur Anmeldung der Tatsachen nach §§ 106 und 107 HGB und somit auch einer Verlegung des Sitzes der Gesellschaft an einen anderen Ort sind gemäß § 108 HGB sämtliche Gesellschafter verpflichtet, auch wenn sie von der Geschäftsführung und der Vertretung ausgeschlossen sind oder einer Änderung widersprochen haben. Wenn auch der Sitz eines Einzelkaufmannes oder einer Personenhandelsgesellschaft sich lediglich danach bestimmt, wo die Verwaltung geführt wird, also durch objektive Merkmale und nicht nach dem Willen der Gesellschafter (etwa im Gesellschaftsvertrag) gekennzeichnet ist und der Eintragung im Firmenbuch nur deklarative Bedeutung zukommt, so besteht doch unabhängig von einem entsprechenden wirksamen Gesellschafterbeschluß eine öffentlich-rechtliche Pflicht sämtlicher Gesellschafter, die Sitzverlegung beim Firmenbuchgericht anzumelden; dies selbst dann, wenn die Veränderung erst während der Abwicklung der Gesellschaft eintritt (Torggler-Kucsko in Straube, HGB Rz 2 und 7 zu § 108; Fischer in Großkommentar3 Anm 4 und 8 zu § 107; Schlegelberger, HGB5 Rz 4 zu § 107). Aus der zwingenden Bestimmung des § 108 HGB iVm § 16 HGB ist auch eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zur Anmeldung abzuleiten, die Mitwirkung jedes Gesellschafters zur Anmeldung kann durch Klage geltend gemacht werden (vgl ecolex 1990, 154). Nur unter den Voraussetzungen des § 16 HGB - rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeßgerichtes über die Verpflichtung zur Mitwirkung bei einer Anmeldung zum Firmenbuch - genügt zur Eintragung die Anmeldung der übrigen Beteiligten.

Das Firmenbuchgericht des bisherigen Firmensitzes hat vor der Weiterleitung an das Firmenbuchgericht des neuen Sitzes (§ 13a HGB) die formellen Vorausetzungen des Gesuches zu prüfen, zunächst also, ob die Anmeldung der Sitzverlegung von sämtlichen Gesellschaftern vorgenommen wurde. Fehlt es an diesem Erfordernis, ist das Gesuch mangels Antragslegitimation abzulehnen. Das Firmenbuchgericht wird in der Regel nur über Antrag tätig. Bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Anmeldepflichten fordert § 24 FBG (früher §§ 14 HGB, 132 FGG) vom Firmenbuchgericht die Erzwingung der Anmeldung durch den Verpflichteten durch Beugestrafen, soferne dieser nicht dartut, daß die Verpflichtung nicht besteht. Diese Vorschrift richtet sich nur an das Firmenbuchgericht, das im öffentlichen Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen vorzugehen hat und dient nicht den privaten Interessen der Beteiligten. Die Klarstellung zweifelhafter Rechts- und Tatsachenfragen ist den Beteiligten im Rechtsstreit zu überlassen. Wer ein amtswegiges Vorgehen angeregt hat, hat keine Parteistellung und ist nicht zum Rekurs gegen dessen Ablehnung legitimiert (HS 2311/111, 2314 mwN).

Der Komplementär der Gesellschaft bestreitet nun keineswegs, daß nur eine Anmeldung der Sitzverlegung durch alle Gesellschafter zu einer antragsgemäßen Eintragung im Firmenbuch führen kann. Er erachtet sich ausschließlich dadurch beschwert, daß das Erstgericht ein amtswegiges Verfahren nach § 24 FBG nicht durchgeführt hat. Hiezu fehlt es aber an der Rechtsmittellegitimation, sodaß sein Rekurs aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen war. Daß nicht schon das Rekursgericht mit Zurückweisung vorgegangen ist, kann, da kein zulässiges Rechtsmittel vorliegt, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden.

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