OGH 6Ob48/23m

OGH6Ob48/23m30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in Schruns, gegen die beklagte Partei Dr. G*, vertreten durch Dr. Serpil Dogan, Rechtsanwältin in Feldkirch, wegen 24.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Februar 2023, GZ 2 R 193/22g‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00048.23M.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Haftung des beklagten Rechtsanwalts als Errichter einer zwischen dem Kläger und seiner Ehegattin geschlossenen „Trennungsvereinbarung“ gegenüber dem Kläger.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Zahlungsbegehren, mit dem der Kläger den Ersatz von Vertretungskosten, die ihm aufgrund von Unklarheiten im Zusammenhang mit der Trennungsvereinbarung im Scheidungsverfahren erwachsen seien, sowie die Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für Verfahrenskosten in vom Kläger oder seiner Ehefrau angestrengten Verfahren über die Verpflichtung des Klägers zur Übereignung seiner Liegenschaftsanteile an die Ehefrau, sowie weiters das Eventualbegehren auf Haftung des Beklagten für sämtliche Schäden aus mangelhafter Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Trennungsvereinbarung ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig.

[4] 1. Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfragen geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der inhaltlichen Angemessenheit der abgeschlossenen Vereinbarung auseinandergesetzt und die – im Einzelnen dargelegten – Sorgfaltsverstöße des Beklagten unrichtig beurteilt.

[5] 2. Auf diese Fragen kommt es aber nicht an, weil der Kläger in seiner außerordentlichen Revision auf die erste der beiden Begründungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützte, gar nicht eingeht.

[6] 2.1. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann nur dann vorliegen, wenn die Entscheidung gerade von deren Lösung abhängt. Die maßgebende Rechtsfrage muss daher präjudiziell sein (RS0088931 [T2]).

[7] Stützt das Berufungsgericht seine Entscheidung auf mehrere Begründungen und bekämpft die Revision nur die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, so mangelt es an der Präjudizialität dieser Rechtsfrage (Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 Rz 119). Die Revision vermag daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darzustellen, wenn es eine von mehreren Begründungen des Berufungsgerichts, die selbständig tragfähig ist, unbekämpft lässt (RS0118709 [T3, T7]; 6 Ob 30/23i [Rz 9]; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 Rz 120).

[8] 2.2. Das Berufungsgericht stützte seine Entscheidung – nach Erledigung der Verfahrens- und Beweisrügen des Klägers – auf zwei alternative, selbständig tragfähige Begründungsstränge. Es gab der Berufung des Klägers mit der primären Begründung nicht Folge, die Berufung ignoriere die entgegen dem Prozessstandpunkt des Klägers getroffenen Feststellungen, wonach klar gewesen sei, dass mit der Trennungsvereinbarung alle Ansprüche für den Fall einer Scheidung geregelt werden sollten und wonach eine Übertragung der Liegenschaftsanteile besprochen worden sei. Da nicht dargelegt werde, aus welchen Gründen die Rechtsansicht des Erstgerichts ausgehend vom festgestellten Sachverhalt unrichtig sei, sei die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt und nicht weiter zu behandeln.

[9] Nur „der Vollständigkeit halber“ führte das Berufungsgericht in einem zweiten Begründungsstrang jene Gründe aus, aus denen es die in der Berufung enthaltene Rechtsrüge auch inhaltlich für unberechtigt hielt.

[10] 2.3. Der Kläger geht in seiner außerordentlichen Revision auf die Begründung des Berufungsgerichts, die in der Berufung erhobene Rechtsrüge sei nicht gesetzmäßig ausgeführt, nicht ein. Die Revisionsausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Alternativbegründung. Da es sich bei der Qualifikation der Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt allerdings um eine selbständig tragfähige Begründung der Berufungsentscheidung handelt, erweisen sich die in der außerordentlichen Revision im Zusammenhang mit dem zweiten Begründungsstrang aufgeworfenen Rechtsfragen als nicht präjudiziell. Sie sind daher nicht geeignet, nach § 502 Abs 1 ZPO die Zulässigkeit der Revision zu begründen.

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