OGH 6Ob458/61

OGH6Ob458/616.12.1961

SZ 34/188

Normen

ABGB §550
ZPO §11 Z1
ZPO §14
ZPO §519 Z2
ABGB §550
ZPO §11 Z1
ZPO §14
ZPO §519 Z2

 

Spruch:

Anfechtbarkeit des Beschlusses des Berufungsgerichtes, womit das angefochtene Versäumungsurteil als nichtig aufgehoben und der Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles zurückgewiesen wurde.

Wenn auch der Nachlaß, vertreten durch sämtliche erbserklärten Erben, die den Klageanspruch bestreiten, belangt werden muß, genügt es für die Vertretung des Nachlasses im Verfahren selbst, wenn wenigstens einer der Erben im Prozeß tätig ist, um Säumnisfolgen vom beklagten Nachlaß abzuwehren.

Entscheidung vom 6. Dezember 1961, 6 Ob 458/61.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der klagende Rechtsanwalt behauptete, den am 20. November 1957 verstorbenen Ludwig Z. zu dessen Lebzeiten rechtsanwaltlich vertreten zu haben, woraus ihm Honoraransprüche zustunden, die vorläufig im Betrag von 25.000 S geltend gemacht würden. Die Klage ist gegen die Verlassenschaft zu Handen von elf erbserklärten Erben gerichtet, die durch fünf Rechtsanwälte vertreten werden.

Bei der ersten Tagsatzung am 20. Dezember 1960 wurde die Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung bis 17. Jänner 1961 erteilt. Nachdem nur vier Gruppen von Erben ihre getrennten Klagebeantwortungen fristgerecht eingebracht hatten, beantragte der Kläger mit dem am 13. Februar 1961 bei Gericht eingelangten Schriftsatz gegen die Erbin Paula W., die keine Klagebeantwortung erstattet hatte, die Erlassung eines Versäumungsurteiles gemäß § 398

ZPO.

Das Erstgericht erließ am 17. Februar 1961 antragsgemäß das Versäumungsurteil, womit Paula W. schuldig erkannt wurde, den gesamten Klagebetrag samt Zinsen und Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Dieses Urteil wurde von Paula W. seinem ganzen Inhalt nach mit Berufung wegen Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Aus Anlaß dieser Berufung hob das Berufungsgericht das Versäumungsurteil des Erstgerichtes als nichtig auf und wies den Antrag des Klägers auf Fällung des Versäumungsurteils gegen Paula W. zurück. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes liege zwar der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. nicht vor, doch sei aus Anlaß der Berufung der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO. von Amts wegen wahrzunehmen (§ 471 Z. 7 ZPO.). Dieser Nichtigkeitsgrund sei deswegen gegeben, weil Paula W. durch einen ungesetzlichen Vorgang, nämlich dadurch, daß sie ungeachtet der gegen die Verlassenschaft gerichteten Klage ohne vorherige Änderung der Parteibezeichnung als säumige Beklagte behandelt worden sei, die Möglichkeit entzogen worden sei, als Prozeßpartei in diesem Rechtsstreit zu verhandeln.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben "und die Berufung als unbegrundet abzuweisen".

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Zulässigkeit des Rekurses ist ungeachtet der Vorschrift des § 519 Z. 2 ZPO. zu bejahen. Die vorbezogene Gesetzesstelle läßt eine analoge Anwendung auch in jenen Fällen zu, in denen die Zurückweisung eines im Rechtsstreit, wenn auch nicht im Weg der Klage, erhobenen Anspruches ausgesprochen wird (vgl. 3 Ob 361/57). Nun wurde zum Unterschied von der gegen die Verlassenschaft nach Ludwig Z. gerichteten Klage der Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles gegen Paula W. als beklagte Partei gerichtet. Durch die Zurückweisung dieses gegen die Genannte nunmehr als Prozeßpartei neu erhobenen Anspruches wurde an Stelle des erlassenen Versäumungsurteiles eine andere abändernde Entscheidung gesetzt. Damit wurde vom Berufungsgericht über diesen Anspruch mit Wirkung für den Kläger und Paula W. ohne die Notwendigkeit einer weiteren Verhandlung (§ 478 Abs. 1 ZPO.) endgültig entschieden, so daß diese Entscheidung nach der Absicht des Gesetzgebers, wie sie der Bestimmung des § 519 Z. 2 ZPO. unterlegt werden muß, der Anfechtung nicht entzogen werden kann.

In der Sache selbst ist der Rekurs nicht begrundet.

Der vom Berufungsgericht von Amts wegen wahrgenommene Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO., welcher zur Aufhebung des Versäumungsurteiles und zur Zurückweisung des vom Kläger gegen Paula W. als beklagte Partei, somit ohne prozessuale Wirkung für das gegenständliche Verfahren, gestellten Antrages auf Fällung des Versäumungsurteiles führen mußte, erscheint schon aus folgenden Erwägungen vorliegend:

Bei einer Mehrheit von Erben bilden diese zwar eine Erbengemeinschaft, doch sind sie vor der Einantwortung nur Kollektivvertreter des Nachlasses, gegen welchen allein die Klage zu richten ist. Die den Nachlaß im Prozeß vertretenden Erben nehmen daher nur eine den Streitgenossen ähnliche Stellung ein, ohne es zu sein, obgleich sie ihre Rechtsstellung von demselben rechtlichen Vorgang - nämlich von der Berufung zur Erbschaft - und von der Erbserklärung ableiten. Die mehreren Vertreter einer Partei können aber niemals eine Streitgenossenschaft im Sinne der Prozeßordnung bilden, weil diese nur der Parteistellung vorbehalten ist, daher auch nicht die den Nachlaß mit prozeßrechtlichen Wirkungen vertretenden Erben. Wenn alle erbserklärten Erben als Vertreter des Nachlasses geklagt werden, bilden sie weder eine eigentliche Streitgenossenschaft (§ 11 Z. 1 ZPO.), noch viel weniger aber eine einheitliche Streitpartei (§ 14 ZPO.). Die von Weiss in Klang 2. Aufl. III 163 f. vertretene gegenteilige Auffassung kann nicht geteilt werden. Da das streitige Rechtsverhältnis zunächst nur gegenüber dem Nachlaß festgestellt wird, dieser somit allein Partei ist, wird er durch die erbserklärten Erben nur vertreten. Wenn auch sämtliche erbserklärten Erben, die den Klageanspruch bestreiten, belangt werden müssen (vgl. AmtlSlg. NF. 1771; NotZ. 1933 S. 157), so genügt es für die Vertretung des Nachlasses im Verfahren selbst, wenn wenigstens einer derselben im Prozeß tätig ist, um Säumnisfolgen vom beklagten Nachlaß abzuwehren. Mögen aber die Erben ihre Erbserklärung mit oder ohne Rechtswohltat des Inventars abgegeben haben, so haften sie doch niemals im Abhandlungsstadium vor der Einantwortung persönlich, wenn Ansprüche gegen den Nachlaß erhoben werden, sondern nur der Nachlaß als solcher (vgl. GlU. 8788; GlUNF. 6536; JBl. 1928 S. 514; GlU. 11.566; GlU. 10.778; Ehrenzweig

2. Aufl. II/2 S. 499 ff.; Sachers, Streitgenossenschaft und Erbengemeinschaft, JBl. 1951 S. 520 ff.). Zutreffend gelangt daher das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß Paula W., welcher Parteistellung in dem gegen die Verlassenschaft anhängigen Rechtsstreit nicht zukommt, durch den vom Kläger gegen sie nunmehr als Prozeßpartei gerichteten Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils jede Möglichkeit entzogen war, über den gegen sie neu erhobenen Anspruch zu verhandeln (§ 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO.).

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