Spruch:
Bei unrichtiger Bewertung des Exekutionsgegenstandes durch den Sachverständigen wird die Verjährungsfrist hinsichtlich der gegen den Sachverständigen gerichteten Schadenersatzansprüche erst mit dem Zeitpunkt der Versteigerung in Lauf gesetzt
Entscheidung vom 30. Dezember 1966, 6 Ob 366/66
I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz
Text
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von 170.000 S und brachte vor, dieser habe als Sachverständiger in einem gegen den Kläger zur GZ. E .../62 des Bezirksgerichtes Murau anhängig gewesenen Zwangsversteigerungsverfahren bewußt den Wert zweier Liegenschaftsparzellen statt richtig mit 50S mit nur 5S bzw. 15 S pro Quadratmeter geschätzt und schon bei der Schätzung erklärt, daß der Wert zwar 50 S pro Quadratmeter betrage, daß er jedoch nur 15 S in das Schätzungsprotokoll einsetze, um dem Kläger keine höheren Unkosten zu machen. Die Liegenschaft sei auf Grund dieses Gutachtens weit unter ihrem Wert versteigert worden, der Kläger habe dadurch einen Schaden in der Höhe des begehrten Betrages erlitten.
Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte Klagsabweisung und erhob die Einrede der Verjährung. Der Kläger sei am 10. Oktober 1962 bei der Befundaufnahme anwesend gewesen, das Gutachten sei ihm am 5. Dezember 1962 bekanntgegeben worden, ohne daß er Einwendungen gegen den Schätzwert erhoben habe. Da er aber die Klage erst am 1. Februar 1966, also nach Ablauf von drei Jahren ab Kenntnis des Schädigers und des Schadens, überreicht habe, sei seine Forderung jedenfalls verjährt.
Diese werde auch der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht sah den Klagsanspruch im Sinne des Beklagtenvorbringens als verjährt an, wies das Klagebegehren ab und stellte fest:
Die später versteigerte Liegenschaft des Klägers wurde am 10. Oktober 1962 in dessen Abwesenheit vom Beklagten geschätzt und am 8. November 1962 im Gutachten mit 45.140 S bewertet.
Dieser Schätzwert wurde dem Kläger mit Beschluß vom 3. Dezember 1962 (E-Form 211) bekanntgegeben, den er am 5. Dezember 1962 übernommen hat, ohne etwas gegen diesen Beschluß zu unternehmen.
Das Erstgericht ging davon aus, daß dem Kläger die Schadenshöhe am 5. Dezember 1962 bekannt gewesen sei, die Verjährungsfrist sei am 5. Dezember 1965 abgelaufen und die eingebrachte Klage daher verspätet. Auch habe der Kläger den Schaden mitverschuldet und mitverursacht, weil er nichts getan habe, um die ihm drohende Schädigung abzuwenden.
Die wegen Nichtigkeit (§ 411 (1) Z. 9 ZPO.), unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Beweiswürdigung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Berufung des Klägers blieb in der Hauptsache erfolglos, das Berufungsgericht setzte lediglich die dem Beklagten zugesprochenen Kosten, die er gleichfalls angefochten hatte, herab. Das Berufungsgericht fand das erstinstanzliche Verfahren mängelfrei, seine Feststellungen unbedenklich und trat der rechtlichen Beurteilung im wesentlichen bei. Die Ausführungen des Klägers, daß sein Anspruch infolge eines Verbrechens des Beklagten erst nach 30 Jahren verjähre, seien unbeachtlich, weil sie auf unzulässigen Neuerungen beruhten. Das Erstgericht habe auf diese Frage nicht einzugehen gehabt, weil der Kläger hiezu nichts vorgebracht habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revision ist zwar nicht im Recht, soweit der Kläger Nichtigkeit gemäß § 477 (1) Z. 9 ZPO. geltend macht, da das Erstgericht sich nicht mit der Frage des deliktischen Verhaltens des Beklagten auseinandergesetzt habe. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aber nur vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder nur so unzureichend begrundet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt, eine mangelhafte Begründung stellt den Nichtigkeitsgrund aber nicht dar (RiZ. 1936 S. 146 u. a.); von Nichtigkeit kann im vorliegenden Falle also nicht gesprochen werden, was auch schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat.
Den Untergerichten kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit sie der Einwendung des Beklagten der Verjährung der geltend gemachten Forderung Berechtigung zuerkannten. Zur Prüfung dieser Frage bedarf es auch nicht, wie die Revision vermeint, eines Eingehens darauf, ob dem Sachverständigen ein Verbrechen im strafrechtlichen Sinn anzulasten sei, in welchem Falle die allgemeine 30jährige Verjährung eintritt (Klang[2] VI 637). Der Kläger hat vielmehr schon die dreijährige Frist des § 1489 ABGB. nicht versäumt. Zwar beginnt der Lauf der Verjährungsfrist nicht erst, wenn auch die schädigenden Folgen bereits eingetreten sind, es genügt vielmehr die Kenntnis des schädigenden Ereignisses des Schädigers und des Ursachenzusammenhanges, es muß aber der Eintritt eines Schadens mit Sicherheit voraussehbar sein (Klang a. a. O. 635).
Wenn nun nach den Behauptungen des Klägers der Sachverständige die Liegenschaft auffallend gering schätzte und das Exekutionsgericht diese Bewertung in seinem Beschluß vom 3. Dezember 1963 (E-Form 211) übernahm, der dem Kläger am 5. Dezember 1963 zugestellt wurde, so konnte daraus der Eintritt eines Schadens noch keineswegs mit Sicherheit vorausgesehen werden. Diese nach Behauptung des Klägers unrichtige Bewertung der Liegenschaft schien zunächst nur im Exekutionsakt auf und war für sich allein auf den Vermögensstand des Klägers ohne jeden Einfluß. Durch eine wenn auch geringe Bewertung der Liegenschaft wurde sein Vermögen nicht beeinträchtigt. Dies umsoweniger, als daraus auch noch keineswegs folgte, daß es überhaupt zu einer Versteigerung der Liegenschaft kommen werde, geschweige denn zu einem Zuschlag um den geringen Betrag.
Der weitere Gang des Exekutionsverfahrens bis zu einer möglichen Versteigerung war noch von verschiedenen Zufällen abhängig, es hätte überhaupt sein können, daß es aus irgendwelchen Gründen noch vorher eingestellt wurde, allenfalls auch noch im Versteigerungstermin, etwa mangels eines Anbotes. Genauso bestand auch die Möglichkeit, daß die Liegenschaft wegen großen Interesses der Bieter trotz der niederen Schätzung um den wahren Wert versteigert werden würde. Von einem mit Sicherheit voraussehbaren Eintritt eines Schadens, wie er, wie ausgeführt, Voraussetzung ist, um die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen, konnte daher weder zur Zeit der Schätzung der Liegenschaft durch den Sachverständigen und seiner vom Kläger behaupteten Äußerung noch auch zur Zeit der Zustellung des den Schätzwert feststellenden Beschlusses des Exekutionsgerichtes an den Kläger am 5. Dezember 1963 noch auch in der weiteren Folge die Rede sein. Von Bedeutung wurde die angeblich unrichtige Bewertung der Liegenschaft durch den Sachverständigen erst durch die Versteigerung und den Zuschlag um das geringste Gebot, das dann wegen eines Überbotes erhöht wurde, im Termin vom 19. Juni 1963. Darnach hat aber der Kläger für seine am 1. Februar 1966 eingebrachte Klage die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. nicht versäumt.
Kann somit entgegen der Beurteilung der Untergerichte die Klage nicht schon wegen Verjährung abgewiesen werden, so bedarf es der Prüfung der Behauptungen des Klägers. Da dazu noch ein Verfahren in erster Instanz notwendig ist, waren daher die Urteile der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Prozeßgericht zurückzuverweisen.
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