Spruch:
Auf eine Tätigkeit des Notars im Rahmen des § 5 NotO. ist § 7 NotO. nicht anwendbar. Der Notar haftet nach den §§ 1299, 1300 ABGB.
Entscheidung vom 28. September 1961, 6 Ob 343/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach fernmündlicher Ankündigung durch einen Angehörigen der A.- Gesellschaft war der Kläger in der Kanzlei des beklagten Notars erschienen, um dort über den Ankauf eines Grundstückes, das zu dieser Zeit noch nicht im grundbücherlichen Eigentum der A.- Gesellschaft stand, zu verhandeln. Mit dem Kläger wurde sodann die Information vom 20. Juni 1958 aufgenommen, nach deren Inhalt der Kläger zur Kenntnis nimmt, daß die Abteilung der Liegenschaft bisher noch nicht durchgeführt und genehmigt wurde, die beauftragte Notariatskanzlei daher keinerlei Gewährleistung für die Durchführbarkeit dieses Kaufes im Sinne des gleichzeitig geschlossenen Vorvertrages übernehmen könne, der Kläger weiters zur Kenntnis nimmt, daß der Kaufvertrag, mit welchem die A.-Gesellschaft die gegenständlichen Grundstücke erworben habe, zwar vorliege, jedoch noch nicht grundbücherlich eingetragen sei. Schon vorher hatte der Beklagte den Kläger darüber aufgeklärt, ein verbücherungsfähiger Kaufvertrag könne derzeit nicht errichtet werden. Ungeachtet dessen erklärte der Kläger, er wolle den Kaufpreis bar zahlen, er habe bereits einen Teilbetrag von 40.000 S bei der A.-Gesellschaft gezahlt. Der Kläger wurde anläßlich der Informationsaufnahme vom Beklagten auch über die Wirkungen des Vorvertrages aufgeklärt. Der Restbetrag auf den schon früher vereinbarten Kaufpreis sollte vereinbarungsgemäß als Barzahlung des Kaufpreises auf Grund des abgeschlossenen Vorvertrages, nicht aber als Erlag zu treuen Handen des Beklagten geleistet werden. Der restliche Kaufpreis in der Höhe von 55.060 S wurde am 23. Juni 1958 in der Kanzlei des Beklagten tatsächlich bar gezahlt. Den eingezahlten Betrag überwies der Beklagte zufolge eines von der A.- Gesellschaft erhaltenen Auftrages im Teilbetrag von 40.000 S an Frau Anna L. und verrechnete ihn mit dem Teilbetrag von 15.060 S auf Kosten gegenüber der A.-Gesellschaft.
Der Kläger begehrt nun mit der vorliegenden Klage den Ersatz des von ihm gezahlten Betrages von 55.060 S, da den Beklagten ein Verschulden daran treffe, daß er in Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht es unterlassen habe, ihn über die Wirkungen eines Vorvertrages aufzuklären, daß er von einer Ausfolgung des bei ihm erlegten Klagebetrages an die A.-Gesellschaft nicht so lange Abstand genommen habe, bis die Angelegenheit durch die Errichtung eines einverleibungsfähigen Kaufvertrages geregelt war, schließlich daß der Betrag weder an die A.-Gesellschaft ausgefolgt noch sonst zu deren Gunsten verwendet worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da eine weitergehende Verpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger zur Aufklärung der Rechtslage an dem verkauften Grundstück schon deswegen nicht bestanden habe, weil der Kläger selbst Kaufmann sei, aber auch die Übergabe des Betrages als Barzahlung des restlichen Kaufpreises den Beklagten dazu berechtigt habe, das Geld in der durch die vorgelegten Buchungsunterlagen ersichtlichen Weise für die A.- Gesellschaft zu verwenden. Er habe damit nur entsprechend dem Auftrag der A.-Gesellschaft gehandelt. Ein Schadenersatzanspruch könne daher weder aus dem Grund nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers bei Abschluß des Vorvertrages noch aus dem einer nicht ordnungsgemäßen Verwendung und Ablieferung des vom Beklagten eingenommenen Geldes abgeleitet werden.
Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung wurde Folge gegeben, das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht, welches die vorzitierten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich übernahm, hielt das Verfahren aus nachstehenden Gründen für ergänzungsbedürftig und daher die Sache noch nicht für spruchreif:
Die Notariatsordnung bestimme, daß Notare den Parteien für jeden durch ihr Verschulden verursachten Schaden zu haften haben (§ 5), und führe dazu weiterhin aus, daß der Notar nach § 52 verpflichtet sei, die Parteien über den Sinn und die Folgen des abgeschlossenen Geschäftes zu belehren. Der Notar dürfe nach § 107 NotO. überdies bares Geld nur dann kraft seines Amtes übernehmen, wenn ihm dieses aus Anlaß der Aufnahme einer notariellen Urkunde von den Parteien zur Ausfolgung an einen bestimmten Empfänger oder zum Erlag bei Behörden übergeben werde. Der Notar habe bei der Übernahme Zeit und Ort der Übernahme, die Geschäftszahl des Aktes, die genaue Angabe des übernommenen Betrages, den Namen des Übergebers und dessen Erklärung über die mit dem Geld zu treffenden Verfügungen anzuführen. Ob der Beklagte allen diesen strengen Vorschriften, die den Notar praktisch verpflichteten, die Interessen beider Teile zu wahren, nachgekommen sei, lasse sich noch nicht eindeutig beantworten. Es werde daher klarzustellen sein, ob der Beklagte den Kläger auch darauf aufmerksam gemacht habe, daß die Errichtung des Kaufvertrages allenfalls bei Schwierigkeiten der Teilung des Grundstückes unmöglich werden könnte und daß eventuell die Hereinbringung des bereits gezahlten Kaufpreises von der Verkäuferin auf Schwierigkeiten stoßen könne, weiters darüber, was mit dem Geld zu geschehen habe, wenn der Kaufvertrag überhaupt nicht errichtet werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme von den gebrauchten Aufhebungsgrunden auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der in Rede stehenden Tätigkeit des beklagten Notars handelt es sich nicht um eine solche kraft Amtes gemäß §§ 1 bis 4 NotO., sondern sie fällt in den Rahmen des § 5 Abs. 1 NotO. Die Bestimmungen des § 7 NotO. sind demnach auf den vorliegenden Fall überhaupt nicht anwendbar. Gemäß § 5 Abs. 2 NotO. steht die von einem Notar bei seiner Tätigkeit als Vertreter einer Partei, welche im vorliegenden Fall zufolge der Errichtung des Vorvertrages auch für den Kläger entfaltet wurde, anzuwendende Sorgfaltspflicht der eines Rechtsanwaltes gleich. Seine Haftung ist daher nach Maßgabe der §§ 1299, 1300 ABGB. gegeben. Nun kann jedoch schon auf Grund der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen gesagt werden, daß der Beklagte diese ihm obliegende besondere Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat. Zutreffend führt bereits das Erstgericht aus, daß der Beklagte auf Grund des vom Kläger geäußerten Wunsches, er wolle nach bereits erbrachter Leistung eines Teilbetrages von 40.000 S den restlichen Kaufpreis bar zahlen, berechtigt war, den gezahlten Barbetrag für die A.-Gesellschaft nach Maßgabe des von dieser erteilten Auftrages zu verwenden. Weiters steht fest, daß der Beklagte den Kläger anläßlich der Informationsaufnahme vom 20. Juni 1958 über die rechtlichen Wirkungen eines Vorvertrages aufgeklärt hat. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger selbst behauptete Erklärung des Beklagten, daß der Vorvertrag deswegen notwendig sei, weil die A.-Gesellschaft noch nicht bücherliche Eigentümerin sei und es auch noch einige Zeit dauern könne, bis sie es werde, entspricht durchaus der Rechtslage. Aber auch der in die Information vom 20. Juni 1958 aufgenommene Satz, daß für die Durchführbarkeit des Kaufes seitens der Notariatskanzlei keine Gewährleistung übernommen werden könne, konnte vom Kläger bei entsprechender Aufmerksamkeit nicht anders aufgefaßt werden, als daß es aus den in der Information angeführten Gründen noch nicht absolut sicher sei, ob der Kaufvertrag überhaupt durchgeführt werden könne. Daß der Beklagte auch zur Sprache hätte bringen sollen, was mit dem Geld bei Nichtdurchführbarkeit des Kaufvertrages zu geschehen hätte, kann gleichfalls nicht verlangt werden, da der auf Wunsch des Klägers an die A.-Gesellschaft zunächst auszuzahlende Betrag in diesem Fall nach der auch für den Kläger erkennbaren Rechtslage wieder an diesen hätte zurückgezahlt werden müssen. Eine Belehrung in der Richtung, daß bei Nichtdurchführbarkeit des Vertrages der Rückforderungsanspruch des Klägers bei der A.-Gesellschaft möglicherweise nicht einbringlich sein könnte, hätte zur Voraussetzung, daß der Beklagte schon damals in der Lage gewesen wäre, künftige finanzielle Schwierigkeiten der A.-Gesellschaft vorauszusehen. Hiefür hat jedoch das Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Die Sache erscheint daher schon auf Grund der bisherigen Feststellungen im Sinne der erstrichterlichen Entscheidung spruchreif.
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