OGH 6Ob33/10m

OGH6Ob33/10m15.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Helmut Sommer und Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. S***** P*****, 2. D*****, beide vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. November 2009, GZ 6 R 147/09y-43, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Juli 2009, GZ 28 Cg 33/07z-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 1.308,17 EUR (darin 217,67 EUR an Umsatzsteuer und 2,16 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Beklagten abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es habe sich zwar mit der in der Revision aufgezeigten Problematik und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Anbot eines Teilvergleichs ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt, warum es den Wegfall der Wiederholungsgefahr im konkreten Fall verneint habe; den Beklagten sei jedoch beizupflichten, „dass hinsichtlich der Frage, unter welchen Umständen beim Anbot eines Teilvergleichs vom Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen ist, eine Erheblichkeit der Rechtsfrage gegeben sein mag“.

1. Die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts stellt eine Scheinbegründung dar, läuft sie letztlich doch darauf hinaus, dass man den Sachverhalt auch anders beurteilen könnte. Damit wird aber eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schließt ein - wenngleich von der klagenden Partei abgelehntes - Angebot der beklagten Partei, sich in einem vollstreckbaren Vergleich zu der von der klagenden Partei begehrten Unterlassung zu verpflichten, die Wiederholungsgefahr regelmäßig aus (6 Ob 71/05t mwN; 6 Ob 295/03f). Im Fall der Kumulierung mehrerer auf § 1330 ABGB gestützter Ansprüche steht dem Wegfall der Wiederholungsgefahr dabei nicht entgegen, wenn die beklagte Partei nur über das Unterlassungsbegehren einen vollstreckbaren Vergleich anbietet, darüber hinausgehende Ansprüche (Widerruf, Veröffentlichung des Widerrufs, Schadenersatzbegehren, Kostenersatzbegehren) aber nicht anerkennt und diesbezüglich eine gerichtliche Entscheidung fordert (6 Ob 295/03f mwN; RIS-Justiz RS0102057).

Die zweitbeklagte Partei meint, sie habe mit dem angebotenen (umfassenden) Teilvergleich vom 13. 7. 2009 die Vermutung künftiger Verstöße entkräftet. Sie übersieht damit jedoch, dass der Erstbeklagte als ihr damals geschäftsführender Parteiobmann anlässlich der Pressekonferenz vom 23. 3. 2007 auftrat und die zweitbeklagte Partei eine APA-OTS-Aussendung betreffend diese Pressekonferenz vornahm, in welcher auch von den Bilanzmanipulationen die Rede war. Da die Vorwürfe Bilanzmanipulation und Bilanzfälschung nicht von einander zu trennen sind (3.2.), ist die Auffassung durchaus vertretbar, dass auch die zweitbeklagte Partei keinen umfassenden Unterlassungsvergleich angeboten hat.

3.1. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Verfahren nach § 1330 ABGB beseitigt ein Teilvergleichsanbot der beklagten Partei bei mehreren Ansprüchen der klagenden Partei - etwa bei Vorliegen mehrerer getrennt zu beurteilender Äußerungen - für den vom Vergleichsanbot betroffenen Teil der Ansprüche die Wiederholungsgefahr, wobei allerdings eine Zerlegung einer einheitlichen Äußerung in die einzelnen Bestandteile nicht zulässig ist (6 Ob 97/01k; 6 Ob 244/03f). Nur dann also, wenn die beklagte Partei mit ihrem Vergleichsanbot ein weiterreichendes Begehren der klagenden Partei bereinigen, diese also zu einem teilweisen Nachgeben gewinnen will, kann davon gesprochen werden, dass der klagenden Partei nicht all das geboten wird, was sie bei einem Obsiegen im gerichtlichen Verfahren erreichen könnte; bietet die beklagte Partei hingegen einen Teilvergleich an und bringt zum Ausdruck, dass die vom Vergleich nicht umfassten Anspruchsteile Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein sollen, scheidet insoweit Wiederholungsgefahr aus, fordert er damit doch von der klagenden Partei nicht die Aufgabe eines berechtigten Anspruchs (4 Ob 28/94).

3.2. Die Klägerin hat dem Erstbeklagten - neben anderen Äußerungen (Überwälzung angeblich ungerechtfertigter Abfertigungszahlungen auf die Mieter, Zurkassebitten der Mieter im Zusammenhang mit ungünstigen Grundstückskäufen, rote Mietenmafia) - vorgeworfen, er habe ihr zu Unrecht Bilanzmanipulation und Bilanzfälschung aufgrund der Umbuchung von Digitalisierungskosten unterstellt. Der Erstbeklagte hat zwar den Vorwurf der Bilanzmanipulation nicht bestritten, jedoch behauptet, nicht von Bilanzfälschung gesprochen zu haben. Ausschließlich auf diese Sachverhaltsfrage konzentrierte sich der zweite Verfahrensgang vor dem Erstgericht, der mit dem Vergleichsanbot des Erstbeklagten endete.

Im Sinn der zu 3.1. dargelegten Rechtsprechung sind subtile Unterscheidungen zwischen Bilanzmanipulation und Bilanzfälschung jedoch nicht möglich. Dies würde jedenfalls ein unzulässiges Zerlegen der inkriminierten Äußerungen darstellen. Damit ist aber die Verurteilung der Beklagten nicht nur hinsichtlich des Vorwurfs der Bilanzfälschung (1.), sondern auch hinsichtlich des Vorwurfs der Bilanzmanipulation durchaus vertretbar.

3.3. Dies gilt auch für die Vorwürfe der Beklagten hinsichtlich der Überwälzung der Abfertigungszahlungen, des Zurkassebittens im Zusammenhang mit Grundstückskäufen und der roten Mietenmafia. Das Berufungsgericht hat diese Vorwürfe als untrennbar verbunden mit dem Vorwurf der Bilanzmanipulation beziehungsweise der Bilanzfälschung gesehen; die Frage, inwieweit einzelne Behauptungen im Sinn der dargestellten Rechtsprechung zerlegt werden können, ist eine solche des Einzelfalls (6 Ob 244/03f).

4. Der erkennende Senat hat im von der Klägerin eingeleiteten Provisorialverfahren hinsichtlich der auch hier inkriminierten Vorwürfe der Bilanzfälschung beziehungsweise Bilanzmanipulation und der roten Mietenmafia ausgeführt (6 Ob 271/07g), dass diese als (exzessive) Werturteile qualifiziert werden könnten. Das Berufungsgericht hat sie hingegen als Tatsachenbehauptungen angesehen. Ob eine Äußerung ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung darstellt, betrifft lediglich den Einzelfall. Eine korrekturbedürftige Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt jedenfalls nicht vor.

Dies gilt auch im Zusammenhang mit den Vorwürfen der Überwälzung der Abfertigungszahlungen und des Zurkassebittens im Zusammenhang mit Grundstückskäufen; es ist auch hier durchaus vertretbar, diese Äußerungen als überprüfbare Tatsachenbehauptungen anzusehen.

Damit hat das Berufungsgericht jedoch zu Recht den Widerruf der unrichtigen Behauptungen der Beklagten angeordnet.

5. Schließlich zeigt die Revision auch im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Widerrufs in verschiedenen Medien keine über den vorliegenden Rechtsstreit an Bedeutung hinausgehende Rechtsfrage auf.

6. Die Revision der Beklagten war somit insgesamt zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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