Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die beklagte Stadt ist Straßenerhalterin einer in S***** gelegenen Straße. Die Klägerin verletzte sich am 25.8.1995 bei einem am Rand der Straße angebrachten, aus Gußeisen bestehenden Kanalgitter, von dem eine Sprosse ausgebrochen war; dies hatte zu einer größeren Öffnung geführt, in welche die Klägerin hineintrat.
Die Klägerin begehrt Schmerzengeld, den Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Beklagte die Straßenanlagen regelmäßig durch ihre Straßenreinigungsarbeiter kontrollieren lasse. Die einzelnen Rayons würden im Regelfall alle zwei bis drei Tage kontrolliert, im Ausnahmsfall einer Vertretung (etwa infolge urlausbedingter Abwesenheit des zuständigen Arbeiters) alle 10 Tage. Darüberhinaus werde von der Beklagten zweimal jährlich eine Reinigung der Kanalgitter und ein Austausch defekter Kanalgitter durchgeführt. Das gegenständliche Kanalgitter sei 15 bis 20 Jahre alt gewesen. Die Lebensdauer eines aus massivem Gußeisen bestehenden Gitters betrage 40 bis 50 Jahre. Wie lange die Bruchstelle am Gitter vor dem 25.8.1995 bestanden habe, könne nicht festgestellt werden, ebenso auch nicht, wann vor diesem Tag die letzte Kontrolle des Kanaldeckels durch einen Straßenreinigungsarbeiter erfolgt sei. Das Erstgericht traf ferner noch Feststellungen zum Unfallshergang und zu den Verletzungsfolgen.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß als Haftungsgrundlage die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB in Frage komme. Zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Straßenerhalters sei vorausgesetzt. Die Beklagte hafte nicht nur für den Zustand der Straße, sondern auch für die dazugehörenden Anlagen. Ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten sei aber nicht gegeben. Die nahezu ständige Kontrolle der Straßenwärter sei als ausreichend zu qualifizieren. Von einer ausreichenden Kontrolle sei auch wegen der zweimal im Jahr erfolgenden Kontrolle im Zuge der Kanalräumungsarbeiten auszugehen. Es liege nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß das Erstgericht eine Haftung nach § 1319a ABGB zutreffend verneint habe, weil der Beklagten kein grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden könne. Eine auffallende Sorglosigkeit liege nicht vor. Da sich die Klägerin aber nicht nur auf die Wegehalterhaftung gemäß § 1319a ABGB gestützt habe und ihr Vorbringen auch für eine Beurteilung nach § 1319 ABGB ausreiche, müsse auch dieser Rechtsgrund untersucht werden. Nach der oberstgerichtlichen Rechsprechung liege bei gleichzeitiger Verwirklichung zweier Sonderhaftungsregelungen (der §§ 1319 und 1319a ABGB) Anspruchskonkurrenz vor. In der bisherigen Judikatur seien Kanaldeckel ausschließlich und abschließend dem § 1319a ABGB zugeordnet worden. Ein in den Fahrbahnverlauf integriertes und auf Fahrbahnniveau liegendes Kanalgitter, womit ein Kanalschacht abgeschlossen werde, sei nicht als Bauwerk im Sinne des § 1319 ABGB zu qualifizieren, wie dies für Lichtschächte, Kellerschächte und Kellerlichtschächte angenommen worden sei. Die erwähnte Anspruchskonkurrenz sei auf typische Bauwerke des § 1319a Abs 2 ABGB (Stützmauern, Brücken, Straßenbeleuchtungen) einzuschränken.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Rechtsfrage der Grenzziehung der Anspruchskonkurrenz noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege. Die Bejahung der Anwendbarkeit des § 1319 ABGB bedeutete für die Klägerin eine wesentlich günstigere Beweislastverteilung.
Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes unzulässig.
Der Wegehalter haftet für den mangelhaften Zustand des Weges und die dadurch verursachten Schäden nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Auch bei seinen Gehilfen muß diese Verschuldensform gegeben sein (§ 1319a ABGB). Demgegenüber haftet der Besitzer eines Bauwerks für dessen Mangelhaftigkeit schon dann, wenn er nicht nachweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat (§ 1319 ABGB). Kanaldeckel wurden in der älteren Judikatur als Teil des Weges nach § 1319a ABGB qualifiziert, ohne daß untersucht wurde, ob sie nicht auch ein Bauwerk nach § 1319 ABGB darstellen (ZVR 1980/230, 1983/315 ua). In der jüngeren Judikatur werden Kanalanlagen und die diese abschließenden Kanaldeckel als "Werke" im Sinne des § 1319 ABGB aufgefaßt (4 Ob 2334/96f, teilweise veröffentlicht in ecolex 1997, 842). Dabei wird die Meinung abgelehnt, daß § 1319 ABGB nur der sich aus der Höhe des Werkes ergebenden Gefahr vorbeugen wolle (7 Ob 2404/96x unter Ablehnung der in SZ 53/143 vertretenen, Koziol in Haftpflichtrecht II2 394, 397 folgenden Auffassung). Für den Fall, daß der Besitzer des Werkes mit dem Wegehalter, auf dessen Weg sich die Kanalanlage befindet, identisch ist, wurde bisher mehrheitlich die Auffassung vertreten, daß bei Vorliegen der Tatbilder der beiden Sonderhaftungsregelungen nach den §§ 1319, 1319a ABGB Anspruchskonkurrenz vorliege (EvBl 1994/8; ecolex 1997, 842; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 29 zu § 1319a). Davon ist der 4.Senat aber mit der jüngst ergangenen Entscheidung 4 Ob 104/97s wieder abgerückt. Wenn der Wegehalter gleichzeitig im Sinne dieser Begriffsbestimmung als Besitzer eines im Zuge des Weges bestehenden Anlage zu werten sei, dann würde bei uneingeschränkter Bejahung der Anspruchskonkurrenz beider Tatbestände die Haftungsbeschränkung des § 1319a ABGB in Ansehung solcher Anlagen gegenstandslos sein. Eine solche Auslegung des Gesetzes verbiete sich. § 1319a ABGB müsse als Spezialnorm § 1319 ABGB verdrängen. Bei Richtigkeit dieser Ansicht wäre die Abweisung des Klagebegehrens hier nach den getroffenen Feststellungen auf jeden Fall berechtigt, weil von einer groben Fahrlässigkeit der Beklagten keinesfalls auszugehen ist. Die Rechtsfrage der Anspruchskonkurrenz braucht jedoch hier nicht neuerlich untersucht zu werden, ebenso auch nicht die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Unterscheidung in typische und atypische Bauwerke als Teil einer Straßenanlage. Selbst wenn der Kanaldeckel hier im Einklang mit der jüngeren oberstgerichtlichen Rechtsprechung als Werk im Sinne des § 1319 ABGB qualifiziert wird, ist damit für die Klägerin noch nichts gewonnen, weil die Beklagte der ihr obliegenden Beweislast nachgekommmen ist und nachgewiesen hat, daß sie alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat. Den Besitzer des Werkes trifft keine Erfolgshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung mit verschobener Beweislast. Der Gegenbeweis ist erbracht, wenn der Besitzer nachweist, daß er die vernünftigen Schutzvorkehrungen getroffen hat, die nach der Auffassung des Verkehrs zumutbar sind und erwartet werden können (10 Ob 2444/96a mwN). Der zitierten Entscheidung lag ein vergleichbarer Fall zugrunde. Die Ursache für den Bruch des Kanaldeckels war nicht feststellbar. Der Zustand der Kanaldeckel auf den Straßen wurde einmal jährlich von Gemeindearbeitern überprüft. Der Oberste Gerichtshof folgerte daraus, daß der dort Beklagten die Mangelhaftigkeit des Werkes nicht erkennbar habe sein müssen. Diese Auffassung muß im vorliegenden Fall umso mehr gelten, weil hier die Kanaldeckel von der Beklagten immerhin zweimal jährlich anläßlich der Kanalräumungsarbeiten in besonderer Weise und im Rahmen der Straßenreinigung regelmäßig in kurzen Abständen überprüft wurden. Weitere Schutzvorkehrungen zu verlangen, würde eine Überspannung der im § 1319 ABGB normierten Sorgfaltspflicht bedeuten.
Ein Sachverhalt, aus dem ein Verschulden der kontrollierenden Gemeindearbeiter abgeleitet werden könnte, wurde nicht festgestellt. Die Gehilfenhaftung wäre auch nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1315 ABGB zu bejahen (Reischauer aaO Rz 18 zu § 1319 mwN), was die Revisionswerberin aber nicht einmal geltend macht.
Die Entscheidung der Vorinstanzen steht im Ergebnis mit der dargelegten oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Haftung nach § 1319 ABGB im Einklang. Auf die in der Revision relevierten Rechtsfragen kommt es nicht an. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.
Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hinwies, waren ihr für die Revisionsbeantwortung keine Kosten zuzusprechen.
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