Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (das sind die Unterhaltsmehrbegehren von 600 S monatlich für die Zeit vom 1. 4. 1994 bis 31. 7. 1997 und von 1.200 S monatlich ab 1. 8. 1997) aufgehoben.
Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.
Text
Begründung
Der unterhaltspflichtige Vater betreibt eine 63 ha große Land- und Forstwirtschaft. Der jetzt 15jährige Sohn verblieb nach der Scheidung der Ehe seiner Eltern in Obsorge der Mutter. Der Vater verpflichtete sich im Scheidungsfolgenvergleich zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 3.000 S ab 17. 7. 1986 für den Sohn und von 4.000 S monatlich für die Frau bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes. Die Unterhaltsverpflichtung für den Sohn wurde ab 1. 7. 1989 auf 3.800 S monatlich erhöht. Der Vater ist für zwei weitere Kinder aus der zweiten Ehe im Alter von fünf und sechs Jahren sowie für seine derzeitige Ehegattin sorgepflichtig.
Am 20. 3. 1997 beantragte das durch seine Mutter vertretene Kind die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters rückwirkend ab 1. 4. 1994 auf 6.500 S monatlich und führte dazu ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 50.000 S ins Treffen.
Der Vater sprach sich gegen die Unterhaltserhöhung aus, behauptete ein monatliches Einkommen von nur 22.250 S und beantragte die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung.
Das Erstgericht setzte den monatlichen Unterhaltsbeitrag für die Zeit vom 1. 4. 1994 bis 31. 7. 1997 mit 5.200 S und ab 1. 8. 1997 mit 6.500 S fest. Es wies das Mehrbegehren des Kindes (von 1.300 S monatlich für die Zeit vom 1. 4. 1994 bis 31. 7. 1997) und den Herabsetzungsantrag des Vaters unangefochten ab.
Das Erstgericht traf seine Feststellungen (S 2 bis 4 in ON 57) aufgrund der Vernehmung des Vaters und unter Verwertung des Gutachtens eines Buchsachverständigen. Es stellte ein Einkommen des Vaters aus der Landwirtschaft in den Jahren 1995 und 1996 von durchschnittlich 43.320 S monatlich fest. Von den zahlreichen vom Vater behaupteten Investitionen in den Jahren 1995 und 1996 (Ankauf eines Traktors; Umbauarbeiten; Errichtung einer Hackgutheizung; Errichtung eines Kartoffellagerraums; Ankauf einer Kompostierwendemaschine) berücksichtigte das Erstgericht nur einen Teil als die Bemessungsgrundlage schmälernd und ging von einer Bemessungsgrundlage von rund 40.000 S aus. Dabei wandte das Erstgericht die Bestimmung des § 273 ZPO an. Es sei nicht ausgeschlossen, daß der Vater Mehreinnahmen aus dem Verkauf von Waren an Private oder aufgrund von Reitstunden erziele (das Erstgericht stellte das Eigentum des Vaters an vier Pferden fest). Unter Anwendung der Prozentmethode setzte das Erstgericht den Unterhalt für die erste Periode mit 13 % und für die Zeit nach dem Wegfall der Sorgepflicht des Unterhaltsschuldners für seine geschiedene Frau mit rund 16 % der Bemessungsgrundlage fest.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und setzte den Unterhaltsbeitrag für die Zeit vom 1. 4. 1994 bis 31. 7. 1997 mit monatlich 4.600 S und ab 1. 8. 1997 mit 5.300 S monatlich fest. Das Mehrbegehren des Kindes und der Herabsetzungsantrag des Vaters wurden abgewiesen. Das Rekursgericht beurteilte die vom Erstgericht festgestellten Investitionen des Vaters teilweise anders und erachtete höhere Abzüge von der Bemessungsgrundlage für gerechtfertigt. Es gelangte für die Jahre 1995 und 1996 zu einer durchschnittlichen Bemessungsgrundlage von 35.819 S und anerkannte für die weiteren Sorgepflichten des Vaters Abzüge von je 1 % für die beiden Kinder aus zweiter Ehe und von 3 % für die jetzige Ehefrau. Dem antragstellenden Kind stünden bis Ende Juli 1997 Unterhaltsansprüche von 13 % und ab diesem Zeitpunkt von 15 % der Bemessungsgrundlage zu. Das Rekursgericht teilte die Rechtsauffassung des Vaters, daß kein hinlänglicher Grund für die Annahme bestehe, daß der Unterhaltsschuldner aus dem Verkauf von Waren oder durch die Erteilung von Reitstunden (nicht im Gutachten enthaltene) Mehreinnahmen erziele.
Das Rekursgericht sprach zunächst aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch aber auf Antrag des Minderjährigen nach § 14a AußStrG ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.
Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs, der sich gegen die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses richtet, beantragt der Minderjährige die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung, hilfsweise die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Rekurswerber rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Durch die zeitgleiche Übersendung des Sachverständigengutachtens mit der erstinstanzlichen Entscheidung sei ihm die Möglichkeit genommen worden, darzutun, daß die dem Gutachten und der Gerichtsentscheidung zugrundegelegten Buchhaltungsunterla- gen des Antragsgegners unrichtig und unvollständig seien. Der Sachverständige habe sich auf die Angaben des Unterhaltsschuldners verlassen und diese keiner Überprüfung unterzogen. Der Rekurswerber releviert in der Folge "illustrativ" verschiedene für die Bemessungsgrundlage wesentliche Themen (Bezug weiterer Subventionen und Beihilfen durch den Unterhaltsschuldner vom Land Oberösterreich; Einkünfte aus der Erdbeerplantage und aus Holzschlägerungen; Berücksichtigung des Umstandes, daß Investitionen ganz oder teilweise der privaten Nutzung gedient hätten ua). Dem Rekurswerber müsse die Möglichkeit eröffnet werden, "seine Argumente darlegen zu können".
Die Unterlassung der Anhörung eines Verfahrensbeteiligten zu einzelnen Verfahrensergebnissen stellt zwar grundsätzlich noch keinen Nichtigkeitsgrund dar (EFSlg 67.266; 4 Ob 1537/92; 4 Ob 1527/95 uva), wohl aber dann, wenn der Partei bei der Gewinnung der entscheidungswesentlichen Tatsachengrundlagen die Mitwirkung am Verfahren verweigert wurde. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der im Art 6 Abs 1 MRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch im Außerstreitverfahren gilt. Das rechtliche Gehör wird nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wurde; eine solche Verletzung wird vielmehr auch dann angenommen, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt wurden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (3 Ob 541/95 = ÖA 1996, 129; SZ 69/20 mwN; 1 Ob 258/97s uva). Im vorliegenden Unterhaltsbemessungsverfahren basiert der von den Vorinstanzen zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners festgestellte Sachverhalt auf dessen Angaben. Der Sachverständige hat die ihm genannten Zahlen und zur Verfügung gestellten Unterlagen (Buchhaltungsunterlagen) ganz offensichtlich auch nicht (etwa durch einen Ortsaugenschein oder durch andere taugliche Befundaufnahmen) überprüft. Bei einem solchen Sachverhalt ist die Einholung einer Stellungnahme des Antragstellers nicht nur aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs unumgänglich. Die Entziehung der Möglichkeit einer Stellungnahme zum Vorbringen des Antragsgegners und zum Sachverständigengutachten bedeutet einen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit (ÖA 1996, 129), der nur dann nicht vorläge, wenn die beschwerte Partei die Möglichkeit gehabt hätte, ihren Standpunkt im Rekurs zu vertreten, was im außerstreitigen Verfahren wegen der grundsätzlichen Neuerungserlaubnis (§ 10 AußStrG) möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit stand hier aber dem antragstellenden Kind nicht offen, weil es im Umfang der jetzt erfolgten Anfechtung nicht mit Aussicht auf Erfolg an die zweite Instanz hätte rekurrieren können. Ein Rekurs wäre mangels Beschwer zurückzuweisen gewesen, hatte doch das Erstgericht dem Antrag des Kindes in diesem Umfang stattgegeben. Es kann dem Revisionsrekurswerber zugestimmt werden, daß er nicht verpflichtet war, die Teilabweisung, die er in Rechtskraft erwachsen lassen wollte, anzufechten, um sich solcherart das rechtliche Gehör in dem Teilbereich zu verschaffen, in dem er im Verfahren erster Instanz obsiegt hatte. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zum bisherigen Verfahrensergebnis zu geben und das Verfahren fortzusetzen haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)