OGH 6Ob28/97d

OGH6Ob28/97d26.5.1997

1Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Maria N*****, infolge Revisionsrekurse des bestellten Sachwalters Dr.Martin N*****, und der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 17.September 1996, GZ 25 R 336/96f-130, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 28. Juni 1996, GZ 1 P 1101/95h-105, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Sachwalters wird nicht Folge gegeben. Der Revisionsrekurs der Betroffenen wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht enthob Rechtsanwalt Dr.Felix H***** über dessen Antrag aus im einzelnen genannten Gründen als Sachwalter und bestellte Rechtsanwalt Dr.Martin N***** mit Kanzleisitz in Wolkersdorf (im folgenden neuer Sachwalter) - ohne dessen vorherige Anhörung - zum Sachwalter, der wie sein Vorgänger folgenden Kreis von Angelegenheiten zu besorgen habe (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB):

Rechtshandlungen, die auf den Verlust der der Betroffenen von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zuerkannten Berufsunfähigkeitspension ausgerichtet sind, einschließlich der Vertretung der Betroffenen im Verfahren K I-1/92 des Verfassungsgerichtshofes. Der Erstrichter begründete die Neubestellung damit, daß die Vertretung der Betroffenen durch einen Rechtsanwalt, insbesondere auch im Hinblick auf das beim Verfassungsgerichtshof über Antrag der Betroffenen eingeleitete Verfahren erforderlich sei, die Rechtsanwälte der Sprengel der Bezirksgerichte Mistelbach und Gänserndorf wegen verschiedener Verfahren, an welchen die Betroffene beteiligt gewesen sei, nicht mit dem Amt des Sachwalters betraut werden könnten, für die Betroffene Wolkersdorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht erreichbar sei, der neue Sachwalter bereits in einem näher bezeichneten Zivilprozeß als Verfahrenshelfer für die Betroffene bestellt worden sei und für sie am 17.Juni 1996 in diesem Verfahren Berufung eingebracht habe, somit offensichtlich keine Gründe vorlägen, die seine Bestellung als Sachwalter als unzweckmäßig erscheinen ließen.

Gegen diesen Beschluß erhob der neue Sachwalter Rekurs, in eventu stellte er einen Antrag auf seine Enthebung, mit dem Vorbringen, gemeinsam mit seiner Frau für fünf Kinder im Alter von drei bis 15 Jahren die Obsorge zu tragen. Überdies habe ihm das Bezirksgericht Wolkersdorf bereits zwei "mühsame" Sachwalterschaften zugeteilt, die er seit mehr als einem Jahrzehnt, ohne bisher ein Entgelt dafür erhalten zu haben, besorge. Eine dieser Sachwalterschaften könne sogar als "sehr mühsam" bezeichnet werden, erfordere sie doch Betreuungsleistungen ein- bis zweimal wöchentlich.

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach der Rechtsauffassung der zweiter Instanz könne dahingestellt bleiben, inwieweit § 195 ABGB für Sachwalter gelte, weil die Bestimmung in concreto nicht heranzuziehen sei: Der neue Sachwalter sei nicht gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person betraut, sondern lediglich gemäß § 273 Abs 3 Z 1 ABGB mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, nämlich nur betreffend Rechtshandlungen bezüglich der der Betroffenen von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zuerkannten Berufsunfähigkeitspension, einschließlich der Vertretung der Betroffenen im Verfahren K I-1/92 des Verfassungsgerichtshofes. Der neue Sachwalter sei Rechtsanwalt, der von Berufs wegen solche Vertretungshandlungen durchführe und für seine Tätigkeit als Sachwalter auch einen Belohnungsanspruch habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des neuen Sachwalters ist nicht berechtigt, der der Betroffenen mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

a) Zum Rechtsmittel des neuen Sachwalters: Die Übernahme einer Vormundschaft zufolge § 200 ABGB wurde im allgemeinen als staatsbürgerliche Pflicht beurteilt (Wentzel/Piegler in Klang2 I/2, 304; Ehrenzweig, System des allgemeinen Privatrechts2 II/2 306; Feil, ABGB Handkommentar für die Praxis, II 446). Mangels Auffindbarkeit, Verfügbarkeit oder sachlicher Bestellungsrechtfertigung einer der im § 281 ABGB genannten Personen ist eine andere, dort nicht genannte Person zum Sachwalter gemäß § 273 ABGB zu bestellen; deren Verpflichtung zur Übernahme des Amtes besteht in Analogie zur Bestimmung für die Vormundbestellung nach § 200 ABGB (RZ 1994/15; 8 Ob 506/93 = ÖA 1994, 70 = NZ 1994, 134 = EFSlg 71.980). Nach § 281 Abs 3 ABGB können auch Rechtsanwälte zu Sachwaltern bestellt werden. In Ansehung der Ausübung der Vormundschaft bestehen notwendige (§§ 191 bis 194 ABGB) und sogenannte freiwillige Entschuldigungsgründe. § 195 ABGB idFd § 24 1.TN und Art I Z 23 KindG - womit die dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende frühere Begünstigung der Mutter und Großmutter, zur Übernahme einer Vormundschaft grundsätzlich nicht angehalten werden zu können (RV 60 BlgNR XIV.GP, 40), beseitigt wurde - regelt die freiwilligen Entschuldigungsgründe. Wider Willen können zur Übernahme einer Vormundschaft nicht angehalten werden: ... dem die Obsorge über fünf Kinder oder Enkel obliegt oder der schon eine mühsame Vormundschaft oder drei kleinere zu besorgen hat, endlich wer dieses Amt wegen der Entfernung seines Wohnsitzes von dem Vormundschaftsgerichte nur schwer oder mit erheblichen Kosten ausüben könnte. Das Gesetz gestattet somit Personen, die zur Übernahme einer Vormundschaft tauglich sind, in gewissen Fällen, sich von der Erfüllung dieser Pflicht, wenn sie wollen (daher: "freiwillig"), zu "entschuldigen", das heißt Personen, bei denen einer der Tatbestände des § 195 ABGB zutrifft, können verlangen, daß sie trotz ihrer Tauglichkeit als Vormund enthoben werden (Wentzel/Piegler aaO 304; Ehrenzweig aaO 306 f). Die freiwilligen Entschuldigungsgründe gegenüber der Pflicht des § 200 ABGB sind somit nur auf Antrag zu beachten (SZ 37/80; Pichler in Rummel2, § 195 ABGB Rz 5; Schlemmer in Schwimann2 § 195 ABGB Rz 1). Ob solche Entschuldigungsgründe hier vorliegen, kann derzeit aus folgenden Erwägungen noch nicht beurteilt werden:

Die Form, die Bestellung abzulehnen, regelt § 201 ABGB. Glaubt derjenige, welchen das Gericht zur Vormundschaft berufen hat, daß er zu diesem Amte nicht geschickt sei; oder, daß ihn das Gesetz davon frei spreche, so muß er sich innerhalb vierzehn Tagen, von der Zeit des ihm bekannt gemachten gerichtlichen Auftrages, an das vormundschaftliche Gericht wenden. Die Anweisungen, sich fristgemäß an das Vormundschaftsgericht zu wenden, sind von der Regelung des Rechtsmittelzuges der §§ 9 f AußStrG nicht berührt worden. Da die "Form der wirklichen Bestellung des Vormundes" die Anweisung enthält, daß er die Vormundschaft "übernehme", das heißt sie antrete, handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um die Anzeige des Untauglichkeits- bzw des Entschuldigungsgrundes zwecks Herbeiführung der nicht rückwirkenden, sondern ex nunc ab der Enthebung wirkenden Enthebung (SZ 37/80; vgl auch OLG Linz EFSlg 15.518 mwN; Schlemmer aaO § 201 ABGB Rz 4; Wentzel/Piegler aaO 299; Ehrenzweig aaO 307; Feil aaO II 446, 455). Nach § 282 erster Satz ABGB idFd Art I Z 5 BGBl 1983/136 sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen für den Vormund auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters (Kurators) maßgebend. Nach den Erläuternden Bemerkungen (RV 742 BlgNR XV.GP, 20) sei § 282 ABGB, der die Rechte und Pflichten des Sachwalters (Kurators) regle, neu gefaßt worden. Der erste Satz entspreche inhaltlich im wesentlichen dem geltenden § 282 ABGB. Die Bestimmungen über die notwendige und freiwillige Entschuldigung kommen analog auch beim bestellten Sachwalter zur Anwendung (RZ 1994/15; EFSlg 71.980; Schlemmer aaO § 195 ABGB Rz 3; Kremzow, Österr. Sachwalterrecht 82; vgl auch Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, § 282 ABGB Anm 5).

Die "freiwilligen Entschuldigungsgründe" sind teils bestimmt umschrieben, teils fordern sie Auslegung unbestimmter Begriffe (Pichler aaO). Zum Maßstab hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung RZ 1994/15 Stellung genommen, ein Eingehen, ob die geltend gemachten Gründe im konkreten Fall vorliegen, ist deshalb verfrüht, weil das Erstgericht über den im Rekurs an die zweite Instanz ohnehin eventualiter gestellten Enthebungsantrag des Sachwalters erst sachlich entscheiden und dazu auch Feststellungen treffen muß. Die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses an sich durch den neuen Sachwalter erweist sich daher als verfehlt, weil er inhaltich keine notwendigen, sondern freiwillige Entschuldigungsgründe geltend machte. Die freiwilligen Entschuldigungsgründe nach § 195 ABGB sind nicht im Rechtsmittelverfahren gegen die Bestellung des neuen Sachwalters, sondern im Verfahren nach § 201 ABGB zu prüfen.

b) Zum Rechtsmittel der Betroffenen: Der Wirkungskreis des neuen Sachwalters, den Verlust der der Betroffenen von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zuerkannten Berufsunfähigkeitspension zu verhindern, besteht noch, zumal der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck brachte, jedwede Verfahrenshandlung der Betroffenen, die unmittelbar oder auch nur mittelbar auf die Aberkennung der Pension abziele, sich in krasser Weise gegen ihre wohlverstandenen Rechte richte (vgl die Mitteilung des vormaligen Sachwalters ON 128).

Die weiteren (auch) an den Obersten Gerichtshof gerichteten Eingaben der Betroffenen vom 4.Februar 1997, 24.März 1997, 1.April 1997, 14. Mai 1997 und 21.Mai 1997 richten sich nicht gegen die angefochtene rekursgerichtliche Entscheidung und entziehen sich damit einer Behandlung als Rechtsmittel.

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