Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der den Beklagten durch Hinterlegung am 4. 4. 2001 zugestellte Zahlungsbefehl des Erstgerichts erwuchs vorerst in Rechtskraft. In seinem Wiedereinsetzungsantrag brachte der Beklagte vor, er habe von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangt, was er sich nur so erklären könne, dass er - sollte tatsächlich eine Hinterlegungsanzeige hinterlassen worden sein - diese irrtümlich mit gleichzeitig zugestelltem Werbematerial weggeworfen habe.
Das Erstgericht bewilligte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers unter Hinweis auf § 153 ZPO als unzulässig zurück. Der Rechtsmittelausschluss nach dieser Gesetzesstelle sei auch im Hinblick auf Art 6 MRK unbedenklich, gelte doch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung hätten. Das Rekursgericht sprach - über Antrag des Klägers nach § 508 Abs 3 iVm § 528 Abs 2a ZPO aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; der Frage der Waffengleichheit auch in einseitig ausgestalteten Verfahrensabschnitten komme im Anschluss an die Entscheidung des EGMR über die Zweiseitigkeit des Kostenrekurses erhebliche Bedeutung zu. Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt. Unter Hinweis auf die Entscheidung des EGMR vom 6. 2. 2001 in der Rechtssache Beer gegen Österreich führt der Revisionsrekurswerber aus, der danach in allen Verfahrensabschnitten anzuwendende Grundsatz der Waffengleichheit hätte ein umfassendes zweiseitiges Bescheinigungsverfahren über den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten erfordert. Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach berechtigte Parteiinteressen durch Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht verletzt würden, sei insoweit überholt.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist entgegenzuhalten:
Gemäß § 153 ZPO ist gegen eine Entscheidung, wodurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird, ein Rechtsmittel nicht zulässig. Motiv des Gesetzgebers für den Rechtsmittelausschluss war, dass dadurch kein berechtigtes Interesse einer Partei verletzt und die Wahrheitsfindung nur gefördert werden könne; der Zwischenstreit über die Wiedereinsetzung sollte rasch und ohne große Mühe überwunden werden (EvBl 1997/131; RdW 1996, 475; B. Fink, Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozessrecht 182 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat in bisher ständiger Rechtsprechung den Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO als eine - auch aus der Sicht der MRK - unbedenkliche Einschränkung des rechtlichen Gehörs beurteilt, weil die Garantien des Art 6 MRK nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten gelten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben (RdW 1996, 475; EvBl 1997/131; 6 Ob 44/99k; RIS-Justiz RS0102361). Die materielle Berechtigung des die Wiedereinsetzung bewilligenden Beschlusses könne selbst dann nicht überprüft werden, wenn "elementare Verfahrensgrundsätze" verletzt werden, weil auch in einem solchen Fall die Wahrheitsfindung durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung nur gefördert und berechtigte Interessen einer Partei nicht verletzt würden (EvBl 1997/131; SZ 70/169). An dieser Auffassung ist festzuhalten. In der vom Revisionsrekurswerber zitierten Entscheidung des EGMR vom 6. 2. 2001 Beer gegen Österreich (ÖJZ 2001, 516/16) bejahte der EGMR die Zweiseitigkeit des Verfahrens über einen Kostenrekurs aus der Überlegung, auch in untergeordneten Angelegenheiten (wie etwa der Bestimmung von Verfahrenskosten) müsse der Gegenpartei die Möglichkeit gegeben werden, zum Verfahrensgegenstand Stellung zu nehmen. Gleichzeitig verwies der EGMR auf das Ziel des Art 6 Abs 1MRK, nämlich die Interessen der Parteien und die einer ordentlichen Justizpflege zu sichern.
Während die Entscheidung über die Prozesskosten einen (wenngleich untergeordneten) Teil jenes Hauptanspruchs bildet, auf dessen Zuspruch die Klage unmittelbar gerichtet ist und dessen Abwehr die Einwendungen des Beklagten dienen, betrifft die Entscheidung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist eine rein verfahrensrechtliche Frage. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hat keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung in der Sache selbst, sie hindert gerade nicht die Prüfung des im Verfahren geltend gemachten Anspruchs. Sie fördert vielmehr die Wahrheitsfindung und dient daher auch im Sinne des EGMR der Sicherung der ordentlichen Justizpflege. Ein zu schützendes Interesse des Gegners des Wiedereinsetzungswerbers an der Aufrechterhaltung eines durch Säumnis des Prozessgegners erlangten Exekutionstitels unabhängig davon, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt materiell berechtigt ist, ist nicht zu erkennen. Insoweit unterscheidet sich aber die Entscheidung im Zwischenverfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag ganz wesentlich von der der Entscheidung des EGMR zugrunde liegenden Konstellation. Der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO, der nach dem Willen des Gesetzgebers der Förderung der Wahrheitsfindung dient, ohne dass dadurch berechtigte Interessen einer Partei verletzt werden, begegnet daher auch unter Berücksichtigung der genannten Entscheidung des EGMR keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 ZPO.
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