Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Das Klagebegehren auf Zuspruch von 71.300 S samt 4 % Zinsen ab 31. 1. 1997 wird abgewiesen."
Die Klägerin hat, den Beklagten die in allen Instanzen mit insgesamt 45.556,53 S (darin enthalten 6.743,91 S USt und 5.093 S Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten führten 1996 im Hof des ÖGB-Hauses am Südtiroler Platz in Innsbruck Bauarbeiten durch. Ihre Lastkraftwagen mußten dabei häufig einen Durchgang passieren, der durch einen Schranken versperrt war. Um nicht immer wieder den Hausmeister des ÖGB-Hauses ersuchen zu müssen, den Schranken zu öffnen, montierte der Arbeitnehmer der Beklagten Andreas G***** mit Erlaubnis des Hausmeisters den Schranken ab. Die ein paar Zentimeter aus den Boden ragenden Schrauben des Schrankensockels wurden aus Sicherheitsgründen mit einem Holzbrett abgedeckt. Am 18. 9. 1996 stolperte die Klägerin, die ein Cafe im Hof des ÖGB-Hauses aufsuchen wollte, über dieses Holzbrett. Sie kam zu Sturz, wobei sie sich ihre linke Hand verstauchte und ihr Smaragdring beschädigt wurde.
Mit der Behauptung, seitens der Beklagten seien "die entsprechenden Verkehrssicherungspflichten verletzt worden", weil der zur Abdeckung verwendete ca 25 cm lange, 10 cm hohe und 15 cm breite Holzpflock weder farblich noch sonst durch irgendeine Kennzeichnung hervorgehoben gewesen sei, begehrt die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand ihre Schäden ersetzt, die sie in der Klage mit 71.300 S bezifferte (63.300 S für den beschädigten Edelstein und 8.000 S an Schmerzensgeld).
Die Beklagten beantragten Klageabweisung und wendeten zunächst ein:
Sie seien ihrer Verkehrssicherungspflicht ausreichend nachgekommen, da sie die kaum sichtbaren, aus dem Boden hervorstehenden Schrauben durch für jedermann leicht erkennbare Bretter abgesichert hätten, die über Monate hinaus an der selben Stelle gelegen seien. Von der Klägerin habe erwartet werden können, daß sie vor ihre eigenen Füße blicke. Sie habe offenbar jegliche Sorgfalt und Vorsicht unterlassen und daher das Alleinverschulden am gegenständlichen Unfall zu verantworten.
Später brachten die Beklagten noch vor, die Streitteile seien in keinem wie immer gearteten Vertragsverhältnis gestanden. Die Beklagten seien nicht verpflichtet gewesen, für die Absicherung des Weges Sorge zu tragen; sie hätten "auch keinen Verkehr eröffnet". Wenn der Zeuge G***** aus reinem Entgegenkommen gegenüber dem Hausmeister den Schranken entfernt habe, begründe dies keine Haftung der beklagten Parteien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 40.730 S statt. Das Mehrbegehren von 30.570 S wies es ab. Es führte dazu in rechtlicher Hinsicht aus, da die Bretter zur Abdeckung des Schrankensockels ihrerseits Unebenheiten gebildet hätten, mit denen in dem relativ dunkeln und zum Unfallszeitpunkt sehr schmalen Durchgang nicht habe gerechnet werden müssen, wären die Beklagten verpflichtet gewesen, auf diese geschaffenen Unebenheiten durch eine Warnleuchte oder ein Warnschild aufmerksam zu machen oder von vornherein die Schrauben abzuschneiden. Der die ungenügende Absicherung vornehmende Mitarbeiter der Beklagten sei hiebei nicht nur für den Hausmeister oder andere am Bau befindliche Firmen tätig geworden, sondern habe damit auch die Arbeit der Beklagten erleichtert, sodaß diese gemäß § 1313a ABGB für sein Verschulden hafteten. Der Schadenersatzbetrag für den Ring errechne sich mit 37.730 S, für die erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeldbetrag von 3.000 S angemessen.
Während die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil erfolglos blieb, änderte das Berufungsgericht die Entscheidung der ersten Instanz in teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten dahin ab, daß es diese zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, der Klägerin 27.153,33 S sA zu zahlen und das Mehrbegehren nach Zuspruch weiterer 44.146,67 S sA abwies. Das Berufungsgericht beurteilte den eingangs - soweit hier noch wesentlich zusammengefaßt - wiedergegebenen Sachverhalt dahin, die Beklagten hätten im Rahmen ihrer Bautätigkeiten und der damit im Zusammenhang stehenden (Vorbereitungs-)Arbeiten im Durchgang des ÖGB-Hauses (Entfernen eines Schrankens, um die Zufahrt der LKW zur Baustelle zu ermöglichen bzw zu erleichtern) Schutzpflichten zugunsten dritter Personen getroffen, insbesondere solcher Personen, die wie die Klägerin durch den Verbindungsgang zu dem im Hof des ÖGB-Hauses befindlichen Cafe gelangen wollten. Die Beklagten seien daher verpflichtet gewesen, bei Ausführung der ihnen übertragenen Bauarbeiten darauf zu achten, daß Passanten, die im unmittelbaren Nahbereich der Baustelle vorbeikamen, durch die Bautätigkeiten nicht gefährdet und verletzt würden. Den Beklagten sei erkennbar gewesen, daß dritte Personen (Passanten) im Gefahrenbereich sein würden, habe doch der Angestellte der Beklagten eine - im Ergebnis zwar unzureichende - Absicherung der gegenständlichen Gefahrenquelle vorgenommen. Am Schutz der Passanten des Verbindungsdurchganges habe auch ein offensichtliches eigenes Interesse der Hauseigentümer ÖGB und Restitutionsfond der freien Gewerkschaften bestanden, die für den sicheren Zustand des Durchganges im Sinne des § 1319 ABGB zu haften hätten. Es habe daher ein eminentes Interesse des Werkbestellers daran bestanden, daß auch die bauausführenden Unternehmen tunlichst dafür sorgten, daß die im unmittelbaren Gefahrenbereich befindlichen Benützer des Durchgangs im Zuge der Bauarbeiten nicht gefährdet oder verletzt würden. Der der Klägerin zugefügte Schaden liege daher im Schutzbereich des zwischen der Beklagten und deren Auftraggeber geschlossenen Werkvertrages. Damit hafteten die Beklagten für das Verschulden ihres Angestellten im Sinne der Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB. Aber auch die Klägerin treffe ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls von 1/3, weil sie den Weg unmittelbar vor sich nicht beobachtet habe, was einem durchschnittlich sorgfältigen Menschen möglich und zumutbar gewesen wäre. Der zu Recht bestehende Klagsbetrag errechne sich daher mit 27.153,33 S.
Rechtliche Beurteilung
Die - vom Berufungsgericht erst auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO für zulässig erklärte - Revision ist berechtigt.
Die Revisionswerberinnen machen im wesentlichen geltend, daß sie von der Klägerin ausschließlich aufgrund deliktischer Haftung in Anspruch genommen worden seien. Die Klägerin habe weder ein Vertragsverhältnis der Beklagten mit dem ÖGB bzw dem Restitutionsfond der freien Gewerkschaften behauptet, noch Beweise für das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses angeboten. Die Beschränkung der Klägerin auf den Rechtsgrund der deliktischen Haftung binde auch das Berufungsgericht gemäß § 405 ZPO. Das Berufungsgericht hätte daher keinesfalls die Beklagten aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten zur Haftung heranziehen dürfen. Selbst wenn man aber ein Vertragsverhältnis der Beklagten zum ÖGB bzw zum Restitutionsfond der freien Gewerkschaften annehme (was ausdrücklich bestritten werde und auch nicht festgestellt sei), ergebe sich keine Haftung für die Beklagten. Die Klägerin stehe zu den Bautätigkeiten am Gebäude des ÖGB in keinem wie immer gearteten Naheverhältnis. Eine Haftung der Beklagten würde aber erfordern, daß die Klägerin mit der vertraglich zu erbringenden Hauptleistung der Beklagten in Berührung gekommen wäre. Dafür ergebe sich aus dem Vorbringen der Klägerin aber kein Anhaltspunkt. Am Gebäude des ÖGB seien von diversen Unternehmen Fassadenrenovierungsarbeiten durchgeführt worden. Die Klägerin hingegen habe das Grundstück des ÖGB bzw des Restitutionsfonds der freien Gewerkschaften benützt, um zu einem Cafe zu gelagen. Daraus sei ersichtlich, daß ein Zusammenhang mit den Bauarbeiten in keiner Weise bestehen könne.
Diese Ausführungen, wonach eine vertragliche Haftung der Beklagten zu verneinen sei, sind zutreffend. Auch wenn man das Vorbringen der Klägerin in erster Instanz für ausreichend hält, um auch eine allfällige vertragliche Haftung der Beklagten zu untersuchen und weiters - was trotz Bestreitung durch die Beklagten in der Revisionsschrift nahe liegt - ein Werkvertragsverhältnis zwischen den Eigentümern des ÖGB Gebäudes und der beklagten Partei unterstellt, ist ein Haftungsgrund für die Beklagten nicht zu erkennen: Die Klägerin zählt nämlich zweifellos nicht zum Kreis jener Personen, auf die sich die Schutzwirkung eines von den Beklagten mit dem ÖGB als Hauseigentümer abgeschlossenen Werkvertrages erstreckte. Der Kreis der begünstigten Personen wird nämlich von der Judikatur - den Ausführungen Bydlinskis in Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 363 folgend - auf Dritte beschränkt, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar ist und die der Vertragspartner entweder durch die Zuwendung der Hauptleistung erkennbar begünstigt, an denen sich dessen eigenes Interesse manifestiert oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (SZ 47/72; SZ 51/169; SZ 54/65; JBl 1986, 452; JBl 1987, 40; JBl 1987, 250 ua). Danach richten sich auch die vertraglichen Schutzpflichten, die etwa ein Bauunternehmer in einem Werkvertrag über die Renovierung oder den Ausbau eines Hauses übernimmt (5 Ob 521/91). Sie bestehen etwa gegenüber Familienangehörigen des Auftraggebers, auch seine Mieter sind davon erfaßt, nicht jedoch Personen, mit denen der Bauunternehmer rein gesellschaftlich oder im allgemeinen Verkehr mit der Umwelt in Kontakt kommt, wie zB mit dem Briefträger (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2, 61). Die Klägerin, deren vom Berufungsgericht unterstellte "Vertragsnähe" sich nach dem festgestellten Sachverhalt jedenfalls nicht auf die Hauptleistungspflicht der Beklagten bezog, kam lediglich im Rahmen des allgemeinen Verkehrs (sie wollte ein Cafe im Hof des ÖGB-Gebäudes aufsuchen) mit der gegenständlichen Gefahrenquelle in Berührung. Darum scheidet die Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten als Haftungsgrund für die streitgegenständliche Schadenersatzforderung aus; eine Haftung gemäß § 1313a ABGB für ihren Arbeitnehmer, der die gegenständliche Gefahrenquelle geschaffen hat, kommt demnach nicht in Betracht.
Eine deliktische Haftung der Beklagten ist ebenfalls zu verneinen. Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet denjenigen, der - auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schafft bzw die Schaffung einer solchen zuläßt, dafür zu sorgen, daß daraus anderen kein Schaden entsteht; der Verkehrssicherungspflichtige hat also die erforderlichen Vorkehrungen gegen eine Schädigung Dritter zu treffen (vgl 7 Ob 631/95; 4 Ob 175/97g). Diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht entspringt dem Deliktsrecht, sodaß eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen für Gehilfen nur nach § 1315 ABGB eintritt (1 Ob 5/91; 2 Ob 64/98w; 2 Ob 107/98v). Daß der Gehilfe der Beklagten im Sinne dieser Gesetzesbestimmung als habituell untüchtig anzusehen gewesen wäre, wurde von der klagenden Partei aber nicht einmal behauptet.
Andere Gründe, aus denen eine Haftung der Beklagten für die gegenständlichen Schäden der Klägerin in Frage käme, sind nicht zu erkennen. Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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