OGH 6Ob273/97h

OGH6Ob273/97h7.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Anzböck und Dr.Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, wider die beklagte Partei Österreichische A***** AG, ***** vertreten durch Dr.Werner Steinwender und Dr.Christian Mahringer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 100.000 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 16.April 1997, GZ 2 R 135/97f-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29.Jänner 1997, GZ 27 C 2834/95k-18, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte führte im Jahre 1992 ein beschränktes Ausschreibungsverfahren zur Vergabe eines Auftrages zur Lieferung von Schutznetzen für die A 9 Pyhrnautobahn durch. Sie übermittelte sechs Unternehmen, darunter der Klägerin, die Ausschreibungsunterlagen. Alle Unternehmen erstatteten Anbote. Nach der Ausschreibung waren Vertragsgrundlagen die jeweiligen Ö-Normen in der zum Zeitpunkt der Anboteröffnung gültigen Fassung sowie die Vergabeordnung für öffentliche Bauaufträge (VOÖB) in der letztgültigen Fassung. Der Ausschreibungsumfang umfaßte die Herstellung und Lieferung von Schutznetzen als Auffangnetze einschließlich von Zubehörteilen für die Befestigung der Netze nach den Angaben der Ö-Norm Z 1380, 1381.

Im Leistungsverzeichnis ist festgehalten: "Herstellen und Liefern von Auffangnetzen einschließlich Randseileinfassung Ö-Norm 1380 geprüft."

Die Beklagte verwendete für die Ausschreibung Unterlagen des Landes Oberösterreich, in denen im Leistungsverzeichnis das Herstellen und Liefern eines Auffangnetzes einschließlich Randseileinfassung Ö-Norm Z 1380 (oder DIN 32767) geprüft enthalten ist. Die Beklagte übernahm in ihre Ausschreibungsunterlagen die DIN-Normen deshalb nicht, weil sie meinte, es handle sich um eine österreichische Norm, es seien beide gleichwertig. Auch vom Land Oberösterreich erhielt die Beklagte die Auskunft, bei beiden Normen handle es sich um das gleiche. An das Österreichische Normeninstitut, das für Anfragen zuständig ist, wer in Österreich Ö-Norm-geprüfte Netze vertreibt, wandte sich die Beklagte nicht.

Die Anboteröffnung, an der die Klägerin nicht teilnahm, fand am 11.11.1992 statt. Zu diesem Zeitpunkt vertrieben lediglich die Firma H***** und die Klägerin Ö-Norm-geprüfte Schutznetze. Die Klägerin hatte kurz vor der gegenständlichen Ausschreibung ihre von einer deutschen Firma als Generalvertreterin für Österreich bezogenen Schutznetze von der staatlich autorisierten Prüfanstalt prüfen lassen, die mit Prüfungszeugnis vom 30.10.1992 bestätigte, daß sie der Ö-Norm Z 1380 entsprechen.

Bestbieterin war die Firma H***** OHG. Sie hatte das Anbot zwar ordnungsgemäß ausgefüllt und unterfertigt, jedoch im Punkt 7.4 die Ö-Norm Z 1380 gestrichen und DIN 32767 darübergeschrieben. Wie bei allen übrigen Anboten fehlten die Kalkulationsblätter (die nach der VOÖB nachgereicht werden können). Nach Anbotseröffnung fragte dieses Unternehmen auch bei der Klägerin über die Lieferung von Schutznetzen an, nahm in der Folge aber ein ihr übermitteltes Anbot nicht an.

Zweitbester Bieter war die Firma H*****, die Ö-Norm Z 1380 geprüfte Schutznetze angeboten hatte. Die Klägerin selbst hatte diesem Unternehmen am 20.10.1992 ein Anbot über an sie zu liefernde Schutznetze gestellt. Es war ihr bekannt, daß die Firma H***** Mitbieterin war.

Die Klägerin war erst drittbester Bieter. Abgesehen von den fehlenden Kalkulationsblättern fehlten in ihrem Anbot die Preiserklärung und deren firmenmäßige Fertigung sowie die Einheitspreise im Leistungsverzeichnis. Die Klägerin legte ihrem Anbot einen Katalog der deutschen Herstellerfirma bei, aus dem hervorgeht, daß die angebotenen Schutznetze auch den DIN-Normen entsprechen.

Am 16.11.1992 wies die Klägerin die Beklagte schriftlich darauf hin, sie möge bei der Auftragsvergabe unbedingt auf der Vorlage eines Prüfzeugnisses einer staatlichen oder staatlich autorisierten Prüfanstalt bestehen, daß die Netze Ö-Norm Z 1380 geprüft seien. Die Beklagte traf aufgrund dieses Schreibens keine weiteren Veranlassungen und erteilte der Bestbieterin H***** OHG am 11.12.1992 den Zuschlag. Sie teilte der Klägerin in der Folge mit, der Auftrag sei aufgrund der Ausschreibungsergebnisse anderweitig vergeben worden. Die H***** OHG lieferte am 22.1.1993 die Netze. Mit Schreiben vom 26.1.1993 äußerte der Vertreter der Klägerin den Verdacht, die H***** OHG habe entgegen den Ausschreibungsunterlagen keine Ö-Norm-geprüften Schutznetze angeboten, oder diese zwar angeboten, sei aber nicht in der Lage, sie zu liefern und ersuchte um Aufklärung, warum dieses Unternehmen dennoch den Zuschlag erhalten habe. Daraufhin forderte die Beklagte das Unternehmen auf, ein Prüfzeugnis beizubringen. Die H***** OHG veranlaßte die Prüfung, die Ö-Norm-Gerechtheit der Schutznetze wurde von der sicherheitstechnischen Prüfstelle noch vor Beginn der Montage der Netze bestätigt. Nicht festgestellt werden konnte, daß die Klägerin ihre Schutznetze an die Zweitbieterin, wäre diese zum Zug gekommen, nicht geliefert hätte.

Die Klägerin begehrt einen Schadenersatzbetrag von 100.000 S an entgangenem Gewinn mit dem Vorbringen, die Beklagte habe der H***** OHG ausschreibungswidrig den Zuschlag erteilt, weil diese keine Ö-Norm-geprüften Schutznetze angeboten habe. Es hätte der Klägerin der Zuschlag erteilt werden müssen. In der Folge behauptete sie, bei richtiger Vorgangsweise hätte der Firma H***** als zweitbester Bieterin der Zuschlag erteilt werden müssen, denn diese habe unbestritten Ö-Norm-geprüfte Netze angeboten, diese Firma hätte aber die Schutznetze wiederum bei der Klägerin bestellt. In der Folge brachte sie weiter vor, nur ihr hätte der Zuschlag erteilt werden dürfen, weil sie in Kenntnis des Zuschlages an die zweitbeste Bieterin die Lieferung von Schutznetzen verweigert hätte. Der Gewinnentgang bei einer Direktlieferung an die beklagte Partei mache den Klagebetrag aus.

Die Beklagte wandte ein, das Ausschreibungsverfahren habe der VOÖB entsprochen. Die von der Bestbieterin gelieferten Schutznetze hätten der Ö-Norm entsprochen. Die Klägerin wäre als nur drittbeste Bieterin jedenfalls nicht zum Zug gekommen. Überdies habe deren Anbot der vorgeschriebenen Form nicht entsprochen. Für einen Schadenersatzanspruch fehle es an der Kausalität und am Verschulden. Es werde nur ein mittelbarer, nicht ersatzfähiger Schaden geltend gemacht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es werde ein mittelbarer, nicht ersatzfähiger Schaden geltend gemacht. Die Klägerin wäre auch dann nicht zum Zug gekommen, wäre die Bestbieterin ausgeschieden, weil sie auch hinsichtlich der Ö-Norm-geprüften Schutznetze nicht Bestbieterin gewesen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Die Grundsätze der Lehre von den vorvertraglichen Sorgfaltspflichten seien auch im Vergabeverfahren auf das Verhältnis zwischen den Auschreibenden und den Bietern anzuwenden. Ihre Verletzung könne Schadenersatzansprüche des übergangenen Bieters gegen den Ausschreibenden zur Folge haben. Die Vergabevorschriften legten der öffentlichen Hand Verhaltenspflichten auf, auf deren Einhaltung auch die Bieter vertrauen dürften. Die Nichtberücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes könne im vorvertraglichen Schuldverhältnissen nach den Grundsätzen der Haftung für culpa in contrahendo zu Schadenersatzverpflichtungen des Vergebers führen. Auf den vorliegenden Fall sei das Bundesvergabegesetz nicht anwendbar, weil es nach dessen § 104 für im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits ausgschriebene Leistungen nicht gelte und auch die Schwellenwerte nach § 2 nicht erreicht würden. Nach den anzuwendenden Normen der VOÖB und der Ö-Norm A 2050 habe die Klägerin mit ihrem Anbot den Ausschreibungsbedingungen nicht entsprochen (im Anbot fehlende Kalkulationsblätter, Preiserklärungen, deren firmenmäßige Fertigung und Einheitspreise im Leistungsverzeichnis). Die Klägerin hätte auch dann nicht den Zuschlag erhalten, wenn man das Anbot des Bestbieters H***** OHG als ursprünglich der Ö-Norm Z 1380 nicht entsprechend ausgeschieden hätte, weil dann an zweiter Stelle die Firma H***** zum Zug gekommen wäre. Letztlich habe aber auch das Anbot des Bestbieters durch die (nachträgliche) Vorlage des Prüfzeugnisses nicht nur der DIN 32767, sondern auch der Ö-Norm 1380 voll entsprochen. Es sei daher vom Fehlen der Kausalität zwischen dem Handeln der Beklagten und dem Schadenseintritt bei der Klägerin auszugehen. Da auch nicht habe festgestellt werden können, daß die Klägerin an die zweitbeste Bieterin die Schutznetze nicht geliefert hätte, wäre diese zum Zug gekommen, könne auch nicht vom Eintritt eines unmittelbaren Schadens bei der Klägerin gesprochen werden. Schließlich fehle es auch an der Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten, weil das Anbot des Bestbieters ex post gesehen ohnedies den Vergaberichtlinien entsprochen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu den Rechtsfragen über die schadenersatzrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Vergaberichtlinien im Hinblick auf das mittlerweile in Kraft getretene Bundesvergabegesetz, soweit überblickbar, keine aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß das Bundesvergabegesetz auf die vorliegende Rechtssache nicht anwendbar ist. Dieses Gesetz (BGBl 1993/462 - nunmehr idF BGBl 776/96) ist nach § 103 (mit Ausnahme des § 78 Abs 1 und Abs 3 bis 8 sowie § 105) erst gleichzeitig mit dem Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum in Kraft getreten und gilt nach § 104 für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits ausgeschriebenen Leistungen, wie dies im vorliegenden Fall zutrifft, nicht. Auch wären selbst bei seiner Anwendbarkeit die in § 2 angeführten Schwellwerte nicht erreicht. Schließlich hat nach § 98 ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe der vergebenden Stelle zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotsstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen sonstigen Kosten. Der Ersatz des entgangenen Gewinnes kann nicht geltend gemacht werden. Gemäß § 101 leg cit bleiben die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Ersatzansprüche unberührt. Ob der Gesetzgeber damit (auch) das hier begehrte Erfüllungsinteresse ausschließen wollte, oder ob mit § 98 Bundesvergabegesetz (nur) der Ersatz des Schadens, der dem Bieter erwachsen ist, weil ihm ein sonstiges Geschäft entgangen ist, ausgeschlossen werden soll, muß hier nicht näher erörtert werden, weil, wie ausgeführt, das Gesetz auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist.

Der Oberste Gerichtshof hat jedoch schon vor Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes und unabhängig von dessen Anwendbarkeit mehrfach ausgeführt, daß die Grundsätze der Lehre von den vorvertraglichen Sorgfaltspflichten auch im Vergabeverfahren auf das Verhältnis zwischen Ausschreibendem und Bietern anzuwenden sind. Ist das Vergabeverfahren unter Zugrundelegung der VOÖB und der Ö-Norm A 2050 durchzuführen, werden dadurch Inhalt und Umfang der vorvertraglichen Pflichten bestimmt (SZ 61/90 ua). Bei der Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Ausschreibungen kann ausnahmsweise nicht nur der Ersatz des negativen Vertragsinteresses, sondern auch der Ersatz des Erfüllungsinteresses in Betracht kommen, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre (SZ 67/182). Das Anbot der Bestbieterin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anbotlegung und Zuschlagerteilung der Ausschreibung nicht entsprochen, weil das Leistungsverzeichnis nicht der Ö-Norm Z 1380 "entsprechende" Schutznetze, sondern ausdrücklich Auffangnetze Ö-Norm Z 1380 "geprüft" fordert. Diese Voraussetzung erfüllte das Anbot der Bestbieterin damals (noch) nicht, wohl aber das Anbot der zweitbesten Bieterin. Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, daß der geltend gemachte, auf Ersatz des positiven Vertragsinteresses gerichtete Schadenersatzanspruch der Klägerin schon wegen der fehlenden Kausalität scheitern muß, denn der Zuschlag hätte, wie die Klägerin selbst zugestanden hat, bei Ausscheiden des Bestbieters an die zweitbeste Bieterin und nicht an die nur an dritter Stelle liegende Klägerin erfolgen müssen. Der Vertrag mit der Klägerin wäre daher auch in diesem Fall nicht zustande gekommen. Die Frage, ob die zweitbeste Bieterin, wäre sie zum Zug gekommen, die Ö-Norm-geprüften Schutznetze auch tatsächlich hätte liefern können, berührt aber nur das Vertragsverhältnis zwischen ihr und dem Auftraggeber, nicht aber dessen vorvertragliche Pflichten gegenüber den anderen Mitbietern. Ein Schaden, der der Klägerin allenfalls dadurch entstanden ist, daß sie der zweitbesten Bieterin, wäre diese zum Zuge gekommen, die Ö-Norm-geprüften Schutznetze hätte liefern können, ist aber, abgesehen davon, daß es hiezu an einer entsprechenden Feststellung und einem konkreten, entsprechend aufgeschlüsselten Vorbringen fehlt, nicht als unmittelbarer Schaden ersatzfähig.

Da es schon an der Kausalität mangelt, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf, ob das Verhalten der Beklagten bei der Zuschlagserteilung an die H***** OHG auch als schuldhaft zu werten ist.

Der Revision ist daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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