OGH 6Ob262/99v

OGH6Ob262/99v25.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Johannes Waldbauer & Partner, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei Dr. Helmut A. R*****, wegen 5,531.623 S, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juli 1999, GZ 4 R 48/99m-62, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger war mit drei weiteren Gesellschaftern Kommanditist einer Gesellschaft mbH & Co KG, die auf einer ihr gehörigen Liegenschaft in Tirol ein Hotelunternehmen betrieb. 1992 bestanden Bankverbindlichkeiten von rund 46 Mio S. Der Kläger wollte eine Insolvenz vermeiden. Die KG, ihre Gesellschafter und die drei Gläubigerbanken vereinbarten unter Mitwirkung des beklagten Rechtsanwalts eine Schuldenbereinigung in der Form, dass das Hotel verkauft wird, die Banken einen Teil der Schulden erlassen und die Gesellschafter ihrerseits über die bestehenden persönlichen Haftungen hinaus Teilzahlungen leisten. Es trat ein Kaufinteressent auf, der für das Hotelunternehmen 40 Mio S bot (35 Mio S für die Liegenschaft und 5 Mio S für die Fahrnisse). Es kam zum Abschluss eines Kaufvertrages. Der Kaufpreis und die Teilzahlungen der Gesellschafter sollten am 30. 4. 1993 beim Beklagten einlangen. Die Banken sollten bei ihm die Löschungserklärungen deponieren. Die Abwicklung konnte aber nicht vereinbarungsgemäß erfolgen, weil der Käufer den Kaufpreis nicht aufbringen konnte und selbst die von ihm geleistete Anzahlung von 5 Mio S nicht fristgerecht einlangte. Die Gesellschafter der KG leisteten am 10. 5. 1993 und am 19. 5. 1993 Teilzahlungen in Millionenhöhe auf das Konto des Beklagten, der die Beträge an die drei Banken weiterleitete. In der Folge mussten die Gesellschafter der KG (die Kommanditisten) weitere persönliche Zahlungen an die Banken leisten, um den Konkurs des Unternehmers abzuwenden. Es kam ein Zwangsausgleich zustande.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der von den Gesellschaftern auf das Konto des Beklagten überwiesenen Geldbeträge. Er steht auf dem Standpunkt, dass der Beklagte durch die Weiterleitung der Zahlungen der Gesellschafter seine Treuhänderpflichten verletzt habe. Die Weiterleitung hätte nach der getroffenen Treuhandvereinbarung erst nach dem Einlangen des gesamten Kaufpreises erfolgen dürfen.

Von den erstinstanzlichen Feststellungen ist noch Folgendes zusammengefasst als entscheidungswesentlich hervorzuheben:

Eine der drei Banken hatte die KG schon am 22. 12. 1992 auf die Zahlung von 2,744.704,50 S geklagt und am 10. 2. 1993 einen Konkursantrag gestellt. Am 12. 5. 1993 erging ein Versäumungsurteil über den angeführten Betrag. Die Bank drohte dem Beklagten im März 1993 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft an. Der Beklagte hatte den Kläger laufend über das Andrängen der Banken und auch über die Weiterleitung der erfolgten Teilzahlungen der Gesellschafter informiert. Der Kläger beanstandete Letzteres nicht. Es erfolgte eine weitere Teilzahlung der Gesellschafter auf das Konto des Beklagten.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung des auf die Rückzahlung der Zahlungen der Gesellschafter gerichteten Klagebegehrens (dem Kläger wurden unstrittig die Ansprüche der Mitgesellschafter zediert) vor allem darauf gestützt, dass die Gesellschafter der Weiterleitung der Zahlungen an die Banken vor Einlangen des Kaufpreises schlüssig zugestimmt hätten. Diese Ansicht ist entgegen den Revisionsausführungen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ein vertretbares Auslegungsergebnis:

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn man nach dem festgestellten Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 19. 4. 1993 über den Inhalt seiner Verpflichtungen bei der Abwicklung des Unternehmensverkaufes und der Befriedigung der Banken unter Mitwirkung der Gesellschafter der KG von einem mehrseitigen Treuhandverhältnis ausgeht und der Beklagte danach nicht einseitig einen Treugeber bevorzugen durfte, weil er die Interessen aller Treugeber zu wahren hatte (1 Ob 43/97y mwN), ist die Treuhandverpflichtung jedenfalls auch und vorrangig nach dem Zweck des Treuhandgeschäfts zu beurteilen, hier also vor allem nach dem Ziel, dass eine Insolvenz des Unternehmens vermieden werden sollte. Als der von allen Seiten nicht bedachte Fall der fehlenden Leistungsfähigkeit des Käufers eintrat, hätte der Treuhänder zwar vor der Weiterleitung der Gesellschafterzahlungen an die Banken Weisungen einholen können und auch müssen. Eine Unterlassung des Treuhänders kann ihm aber nur dann angelastet werden, wenn die risikobehaftete Weiterleitung der Beträge an die Banken von den Gesellschaftern nicht nachträglich genehmigt worden wäre, was das Berufungsgericht aber aus durchaus vertretbarem Grund annahm. Eine solche Genehmigung schließt eine auf die allgemeinen Grundsätze des ABGB ex contractu bestehende Schadenersatzpflicht des Treuhänders wegen einer Pflichtverletzung (dazu 1 Ob 333/98x mwN) aus. Das Andrängen vor allem einer der drei Banken (Drohung mit Exekutionsschritten; Weiterverfolgung des schon eingeleiteten Konkursverfahrens) zwang zu einer schnellen Entscheidung. Die Nichtweiterleitung der Teilbeträge der Gesellschafter hätte mit höchster Wahrscheinlichkeit die Insolvenz des Unternehmens ausgelöst. Der in diesem Punkt behauptungs- und beweispflichtige Kläger (1 Ob 333/98x) hat nicht nachgewiesen, dass sich die Gesellschafter bei einer Anfrage des Treuhänders, ob das Geld weitergeleitet werden dürfe, dagegen ausgesprochen hätten (der festgestellte spätere Zwangsausgleich, zu dem die Gesellschafter weitere Eigenmittel einbrachten, spräche sogar dagegen).

Die zu lösenden Rechtsfragen liegen hier in der Auslegung einer Vereinbarung über eine mehrseitige Treuhand und in der Qualifikation von schlüssigen Willenserklärungen (§ 863 ABGB). Derartige Auslegungsfragen sind primär nach den festgestellten Umständen des Einzelfalls zu lösen und nur dann von erheblicher Bedeutung, wenn für künftige Fälle bisher in der Rechtsprechung angewandte Auslegungsgrundsätze fortzuentwickeln wären oder aber eine krasse Fehlbeurteilung vorläge, die aus Gründen der Rechtssicherheit beseitigt werden müsste (4 Ob 53/97s; 7 Ob 138/99s uva). Dies gilt auch für die Auslegung und Pflichtverletzungen von Treuhandverhältnissen (8 Ob 138/97w; 6 Ob 265/98h uva).

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