Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.873,62 EUR (darin 312,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist - nach rechtskräftiger Teilabweisung im zweiten Rechtsgang - der restliche Ausgleichsanspruch analog § 24 HVertrG 1993 der Gemeinschuldnerin als Vertragshändlerin für KFZ einer bestimmten Marke nach Aufkündigung des Händlervertrags am 28. 2. 1995 zum 29. 2. 1996 durch die beklagte österreichische Generalimporteurin. Auf die im zweiten Rechtsgang ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 82/02f wird verwiesen.
Das Erstgericht gab dem restlichen Klagebegehren von 79.360 EUR sA im dritten Rechtsgang mit 43.454,50 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs zulässig sei. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die durchschnittliche Bruttojahresprovision der Gemeinschuldnerin für den Zeitraum 1992-1995 als Ausgangsbasis zugrunde und beanstandete die vom Erstgericht mit 20 % für die Sogwirkung der Marke, mit 10 % für das Abwanderungsrisiko von Kunden und mit weiteren 5 % für anteilige Vertriebskosten bemessenen Abschlagsfaktoren der Höhe nach nicht. Gewichte man jedoch bei einem Prognosezeitraum von fünf Jahren und einer Abzinsung von 5 % die Abschlagsfaktoren - wie von der Beklagten in der Berufung gewünscht - mit 20 % für Abwanderungsrisiko und 20 % für Sogwirkung der Marke und anteilige Vertriebskosten, erweise sich bei einer in bescheidener Höhe von 35 % angesetzten Wiederkäuferquote (Stammkundenanteil) der im Berufungsverfahren noch strittige Betrag als gerechtfertigt. Die bei Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigenden Faktoren seien mangels tauglicher Beweismittel nach § 273 Abs 1 ZPO festzulegen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.
1.
a) Eine Nichtigkeit des Berufungsurteils gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO infolge mangelhafter Fassung der angefochtenen Entscheidung setzt nach der Rechtsprechung so tiefgreifende Unklarheiten voraus, dass dadurch die Nachprüfung der Entscheidung ausgeschlossen ist (4 Ob 35/04g; RIS-Justiz RS0042133 [T10]); eine nur mangelhafte Begründung begründet keine Nichtigkeit (Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 112).
b) Was die Rüge betrifft, die Erledigung der Nichtigkeitsberufung der Beklagten durch das Berufungsgericht sei mit diesem Nichtigkeitsgrund belastet, so ist die Revisionswerberin darauf zu verweisen, dass der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es eine Nichtigkeitsberufung verwirft, unanfechtbar ist (§ 519 Abs 1 ZPO; RIS-Justiz RS0042981).
c) Im Übrigen hat das Berufungsgericht klar und nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, dass die vom Erstgericht schon im zweiten Rechtsgang als Basiswert den Berechnungen zugrunde gelegte durchschnittliche jährliche Neuwagenprovision der späteren Gemeinschuldnerin (vom Erstgericht als „Neuwagenumsatz" bezeichnet) mangels eines Ergänzungsauftrags des Berufungsgerichts ein im dritten Rechtsgang abschließend erledigter Streitpunkt ist und dort nicht neu aufgerollt werden konnte (Berufungsentscheidung ON 94 S 24 f; vgl RIS-Justiz RS0042031). Mit dieser Begründung setzt sich die Beklagte nicht auseinander.
2. Die nach § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provision nach Billigkeit festzusetzende Ausgleichszahlung ist ein Musterbeispiel für eine nach dem jeweiligen Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung, die - abgesehen von einer krassen Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht - regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS-Justiz RS0112590; jüngst 4 Ob 189/07h).
3. Die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen entsprechen grundsätzlich jener Berechnungsmethode, die der Oberste Gerichtshof schon in den Entscheidungen 4 Ob 54/02y und 6 Ob 170/02x als geeignet bezeichnet hat. In der Entscheidung 4 Ob 54/02y wurde auch ausgesprochen, dass sich insgesamt die Bestimmung der Höhe der nach Billigkeit gebührenden Ausgleichszahlung sehr schwierig gestaltet und die Berechnung jedenfalls in einer Weise von den Umständen des Einzelfalls abhängt, dass sich etwa allgemein gültige Prozentsätze für die einzelnen als anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Faktoren nicht festsetzen lassen. Wegen dieser notwendigerweise an den Besonderheiten des Einzelfalls auszurichtenden Ermittlung des Anspruchs ist für pauschale Berechnungsweisen oder die Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach festen Formeln grundsätzlich kein Raum. Im Hinblick auf die Komplexität der Materie und eine in wesentlichen Punkten gescheiterte Beweisführung hinsichtlich zu berücksichtigender Umstände war letztlich auch hier nur eine Festsetzung nach § 273 Abs 1 ZPO möglich.
4. Die Revisionswerberin zeigt einen Berechnungsfehler des Berufungsgerichts auf und bekämpft zuletzt dessen Standpunkt, das gewonnene Ergebnis entspreche der Billigkeit.
a) Durch Abzinsung erhält man den Betrag, den man zu Beginn des Prognosezeitraums hätte anlegen müssen, um bei einer Verzinsung zu einem bestimmten Zinssatz am Ende des Prognosezeitraums ein bestimmtes Endkapital zu erreichen.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Berechnung insofern von der in der Entscheidung 6 Ob 170/02x angestellten abgewichen, als es bei der Abzinsung für jedes Prognosejahr das jeweils errechnete Endkapital nur einmal durch 1,05 dividierte. Die dargestellte Rechenoperation ist - bei einer Abzinsung von 5 % - nach der angeführten Entscheidung jedoch nur für das erste Prognosejahr richtig, weil damit nur die Abzinsung für ein einziges Jahr abgebildet wird. Für jedes weitere Prognosejahr ist die Division deshalb entsprechend oft zu wiederholen (also etwa für das fünfte Prognosejahr das für dieses Jahr ermittelte Endkapital fünf Mal durch 1,05 zu dividieren).
Diese Berechnungsdivergenz bleibt aber für das Ergebnis ohne Bedeutung: Das Berufungsgericht hat die beanstandete Rechenoperation nämlich nur im Rahmen einer Hilfsbegründung ausgeführt, sich bei seiner Entscheidung jedoch hauptsächlich darauf gestützt, dass die vom Erstgericht mit 20 % für die Sogwirkung der Marke, 10 % für die tatsächliche Abwanderung von Kunden und 5 % für anteilige Vertriebskosten bemessenen Abschlagsfaktoren der Höhe nach nicht zu beanstanden seien (Berufungsurteil S 21).
Eine Kontrollrechnung unter Zugrundelegung dieser vom Berufungsgericht gebilligten Faktoren in der genannten Höhe, des von der Beklagten angestrebten Prognosezeitraums von fünf Jahren und des Zinssatzes von 5 % ergibt unter Berücksichtigung der in der Entscheidung 6 Ob 170/02x dargelegten Methode einen Ausgleichsanspruch von rund 1,228.050 ATS = 89.245,87 EUR (Summe der abgezinsten Provisionsverluste 1,637.400 ATS abzüglich 20 % für Sogwirkung der Marke und 5 % für anteilige Vertriebskosten). Dieser Betrag ist höher als der vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag.
b) Mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen, in Rechtskraft erwachsenen Teilzwischenurteil (s 6 Ob 247/99p) wurde der Anspruch auf Ausgleichszahlung dem Grunde nach festgestellt. Damit ist die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (§ 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG 1993) für das vorliegende Verfahren bejaht, weil dessen materielle Rechtskraft im Verfahren über die Anspruchshöhe Einwendungen gegen den Grund des Anspruchs verhindert (JBl 1955, 412; RIS-Justiz RS0040869), es sei denn, sie sind nach Schluss der dem Zwischenurteil vorausgegangenen mündlichen Streitverhandlung entstanden (EvBl 1972/201), was hier nicht zutrifft. Die Frage, ob die Gemeinschuldnerin der Beklagten neue Kunden zuführte oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweiterte, ob zu erwarten war, dass die Beklagte aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach der Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen konnte und ob die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht, stellte sich im Berufungsverfahren nicht mehr. Dies übersieht die Revisionswerberin bei ihren Ausführungen unter Punkt
3.4. der Revisionsschrift. Diese sind aber auch nicht geeignet, eine Überschreitung des für die Ausmessung der Höhe einer angemessenen Ausgleichszahlung bestehenden Spielraums im konkreten Fall darzulegen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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