OGH 6Ob244/17a

OGH6Ob244/17a28.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** G*****, vertreten durch Kinberger‑Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Mag. R***** M*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Sieder, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, als Verfahrenshelfer, wegen 5.665 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2017, GZ 5 R 149/17v‑31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 27. April 2017, GZ 203 C 34/14w‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00244.17A.0228.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen (über Antrag des Klägers abgeänderten) Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es sei nicht auszuschließen, dass durch die Feststellung des Erstgerichts, der Geschäftsführung der W***** GmbH (und damit auch dem Beklagten als deren Geschäftsführer) sei spätestens mit 21. 8. 2009 erkennbar gewesen, dass das von der Gesellschaft vertriebene Trockenlegungsgerät zur Trockenlegung der Mauer des Klägers nicht geeignet ist, von einem vorsätzlichen In‑die‑Irreführen im Sinn des § 870 ABGB auszugehen gewesen wäre, woraus wieder eine persönliche Haftung des Beklagten abzuleiten wäre. Der Kläger hatte am 25. 2. 2010 von der Gesellschaft ein Trockenlegungsgerät samt einer Geld‑Zurück‑Garantie erworben, welches jedoch nicht in der Lage gewesen war, ein Gebäude tatsächlich zu entfeuchten beziehungsweise trocken zu legen; im März 2012 war über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

1. Die Gläubiger einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den Geschäftsführer der Gesellschaft nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen dieser durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt hat (RIS-Justiz RS0023887, vgl auch RS0120155 [T4]). Eine direkte Inanspruchnahme des Geschäftsführers ist daher etwa nach den allgemeinen Grundsätzen der deliktischen Haftung möglich (7 Ob 219/06s). Ebenso kann der Geschäftsführer bei Erfüllung des Tatbestands des § 870 ABGB persönlich herangezogen werden (vgl 3 Ob 75/06k [ErwGr V.4.]), so etwa ein Geschäftsführer, der durch wissentlich unrichtige Behauptungen über die Vermögenslage der GmbH jemanden dazu veranlasste, der Gesellschaft ein (uneinbringlich gewordenes) Darlehen zu geben und eine (in Anspruch genommene) Bürgschaft zu leisten (1 Ob 611/56). Vor diesem Hintergrund macht der Kläger im Revisionsverfahren geltend, er hätte das Trockenlegungsgerät nicht gekauft, hätte er damals von der damaligen finanziellen Situation der Gesellschaft oder dem Umstand Kenntnis gehabt, dass das Gerät ungeeignet war.

1.1. Der Beklagte wurde zwar im Jahr 2016 wegen unrichtiger Wiedergabe der finanziellen Lage der Gesellschaft in den Jahresabschlüssen 2009/2010 und 2010/2011 nach § 122 Abs 1 Z 1 GmbHG idF vor Inkrafttreten des BGBl I 2015/112 strafrechtlich verurteilt, wobei der erstgenannte Jahresabschluss am 4. 11. 2010 beim Firmenbuchgericht eingereicht worden war; darüber hinaus hatte der endgültige (3 Ob 108/10v) Verlust eines gegen die Gesellschaft geführten Verfahrens im November 2010 zu einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 95.000 EUR und damit zur Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft für den Beklagten geführt. Das Trockenlegungsgerät hatte der Kläger jedoch bereits am 25. 2. 2010 gekauft; eine Haftung des Beklagten lässt sich daraus somit nicht ableiten, selbst wenn die Unternehmenssituation der Gesellschaft zum damaligen Zeitpunkt bereits „prekär“ war.

1.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war für die Geschäftsführung der Gesellschaft spätestens mit Zustellung des Urteils des Bezirksgerichts Graz‑West zu AZ 3 C 98/09h vom 21. 8. 2009 „erkennbar, dass das Trockenlegungsgerät nicht zur Trockenlegung der Mauer des Klägers geeignet“ gewesen wäre; in diesem Urteil war ausgeführt worden, dass das einem anderen Käufer gelieferte Gerät für die im Keller dieses Käufers vorhandene Feuchtigkeit als Trocknungsgerät nicht geeignet war und das Wirkungsprinzip des Geräts nach dem „derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht erklärbar“ sei. Der Kläger leitet daraus eine (bedingt) vorsätzliche Irreführung im Sinn des § 870 ABGB durch den Beklagten ab.

Für die listige Irreführung ist allerdings rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung (zivilrechtlicher Betrug) erforderlich; grobe Fahrlässigkeit reicht zwar nicht aus (RIS-Justiz RS0014827 [T6]), wohl aber dolus eventualis (RIS-Justiz RS0014837). List setzt ein für die Entstehung des Irrtums (hier des Klägers) vorsätzliches, ja ihn bezweckendes Verhalten des Irreführenden (hier des Beklagten) voraus (RIS‑Justiz RS0014821). Mit dem Berufungsgericht ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung davon auszugehen, dass die bloße Erkennbarkeit der Ungeeignetheit des Geräts der Gesellschaft für den Beklagten die Schwelle des zivilrechtlichen Betrugs im Sinn des § 870 ABGB noch nicht erreichte.

1.3. Eine Eigenhaftung des bloß fahrlässig handelnden Vertreters wird nur in bestimmten seltenen Ausnahmefällen angenommen (RIS-Justiz RS0019726 [T2]), so etwa, wenn der Vertreter ein erhebliches und unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen eines Vertrags hat oder er bei Vertragsverhandlungen in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (RIS-Justiz RS0019726). Das bei jedem Geschäftsführer einer Gesellschaft grundsätzlich vorhandene gewisse eigenwirtschaftliche Interesse, dass das von ihm geführte Unternehmen bestehen bleibt, reicht allerdings für eine Eigenhaftung nicht aus (RIS-Justiz RS0019726 [T3]); zwischen einer juristischen Person und deren Gesellschaftern und Organen muss klar unterschieden werden (RIS-Justiz RS0019726 [T18]; 6 Ob 210/15y).

2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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