Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Kindeseltern wurde am 16. Dezember 1987 geschieden. In einem anläßlich der Ehescheidung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich trafen die Eltern eine Obsorgeregelung: Der mj.Heimo P*****, geboren 2.5.1983, verblieb beim Vater, sein Bruder Mario Johannes Thomas P*****, geboren 21.4.1981, bei der Mutter. Der Vater verpflichtete sich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.000 S für Mario. Die Mutter ist wieder verheiratet und lebt mit ihrem Gatten, einem aus dieser zweiten Ehe stammenden weiteren Kind, dem am 7.11.1994 geborenen mj.Dirk Gerhard, und Mario Johannes Thomas P***** im gemeinsamen Haushalt. Sie ist Hausfrau und verfügt über kein eigenes Erwerbseinkommen.
Am 29.11.1995 beantragte der mj.Heimo, vertreten durch den Vater, die Mutter ab 1.12.1995 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.000 S zu verpflichten.
Die Mutter sprach sich gegen eine Unterhaltsfestsetzung mit der Begründung aus, sie sei Hausfrau und habe keinen Beruf erlernt. Sie besitze kein Vermögen und habe an Ersparnissen lediglich 2.000 bis 3.000 DM.
Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, die Mutter verfüge über kein Einkommen, eine Berufstätigkeit sei ihr mit Rücksicht auf das noch zu versorgende Kind im Alter von fünfzehn Monaten nicht zumutbar, eine Anspannung somit nicht möglich. Eine unmittelbare Verpflichtung ihres nunmehrigen Ehegatten sei abzulehnen.
Das Rekursgericht gab dem nur gegen die Abweisung des 1.500 S nicht übersteigenden Unterhaltsbegehrens gerichteten Rekurs des Minderjährigen Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf.
Das Rekursgericht führte aus, eine unmittelbare Unterhaltsverpflichtung des nunmehrigen Ehegatten der Mutter komme nicht in Betracht. Der Entschluß, auf Wunsch ihres Gatten ausschließlich im Haushalt tätig zu sein, enthebe die Mutter jedoch nicht ihrer Verpflichtung, durch eine den Umständen angemessene Beschäftigung zum Unterhalt ihres unterhaltsberechtigten Kindes aus erster Ehe beizutragen. Es dürfe zu keiner Ungleichbehandlung der unterhaltsberechtigten Kinder insgesamt kommen, die dann eintreten würde, wenn die Mutter dem nunmehr betreuten weiteren Kind Naturalunterhalt (die Betreuung) leiste, während sie gegenüber Kindern aus einer früheren Ehe von einer (Geld-)Alimentationsverpflichtung befreit wäre. Daß besondere Rechtfertigungsgründe bestehen, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, hätte die Unterhaltspflichtige behaupten und beweisen müssen. Sie sei daher - ungeachtet ihrer Sorgepflicht für ein weiteres Kind unter drei Jahren insoweit anzuspannen, als ihr bei Gestaltung ihrer nunmehrigen Lebensverhältnisse die Leistung eines Unterhaltsbeitrages möglich wäre, sei es durch Abzweigung aus einem zumindest teilweise in Geld zu befriedigenden Unterhalt von ihrem Ehepartner, sei es durch Aufnahme eines Nebenerwerbes, der ihr zumindest stundenweise eigene Einkünfte verschaffen würde.
Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung der Mutter vorliegen, bedürfe einer Verfahrensergänzung durch das Erstgericht. Dieses habe konkret zu erheben und festzustellen, welche Möglichkeiten die Mutter hätte, zumindest über ein teilweises Einkommen zu verfügen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob die für karenzierte unterhaltspflichtige Väter entwickelten Grundsätze auch auf Mütter mit Kleinkindern übertragbar sind, sei nicht nur für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Der unterhaltspflichtigen Mutter steht es zwar grundsätzlich frei, bei der Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem zweiten Gatten zu vereinbaren, daß sie sich auf die Haushaltsführung und die Betreuung der Kinder beschränkt, während ihr Ehegatte seinen Beruf weiter ausübt. Ihr Verzicht auf die Erzielung eines ihr möglichen Einkommens darf aber nicht zu Lasten ihres Kindes aus erster Ehe gehen (JBl 1993, 243; ÖA 1995, 99). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Unterhaltsansprüche von Kindern aus zwei oder mehreren Ehen grundsätzlich gleichrangig sind (RZ 1992, 69; JBl 1993, 243; ÖA 1996, 96; zuletzt 6 Ob 2126/96g). Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind auch an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu legen (ÖA 1996, 96).
Die Rechtsmittelwerberin trifft somit die Obliegenheit, im Interesse des Unterhaltsberechtigten alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere auch ihre Arbeitskraft soweit ihr das möglich und zumutbar ist, einzusetzen. Wäre ihr trotz der in ihrem Haushalt lebenden beiden Kinder - wenn auch nur teilweise - eine Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar, müßte sie auf ein dadurch erzielbares Erwerbseinkommen angespannt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Mutter bisher - offenbar auch während ihrer ersten Ehe - keinen Beruf ausgeübt und sich ausschließlich der Betreuung des Haushaltes und der Kinder gewidmet hat. Ferner könnte auch die von der Mutter behauptete Behinderung des bei ihr lebenden Kindes aus erster Ehe auf die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit Einfluß haben. Anders als in den vom Obersten Gerichtshof im Zusammenhang mit karenzierten unterhaltspflichtigen Vätern zu beurteilenden Fällen stellt sich daher hier nicht die Frage, ob die Unterhaltspflichtige eine davor ausgeübte Berufstätigkeit zu Lasten der Kinder aus erster Ehe aufgegeben hat und deshalb auf diese angespannt werden könnte. Vielmehr kommt es im vorliegenden Fall ausschließlich darauf an, ob der Mutter eine Berufstätigkeit (allenfalls auch Teilbeschäftigung) in Anbetracht der noch näher festzustellenden Umstände zugemutet werden kann. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, daß der Mutter eine berufliche Tätigkeit als Voraussetzung für eine Anspannung nur dann zumutbar sei, wenn die Versorgung des minderjährigen Kleinkindes gesichert ist (6 Ob 659/95; 6 Ob 2126/96g; vgl auch Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 258). Daran ist festzuhalten.
Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung auf erzielbares Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit gegeben sind, kann nicht abschließend beurteilt werden. Hiezu wird das Erstgericht konkret zu erheben und festzustellen haben, ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten die Mutter hätte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und welches Einkommen sie daraus erzielen könnte. Auf ihr Vorbringen im Rechtsmittelschriftsatz wird einzugehen sein.
Das Rekursgericht hat unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1993, 243; 1 Ob 553/95; ÖA 1995, 99; ÖA 1996, 96; 6 Ob 2126/96g) eine mittelbare Unterhaltsverpflichtung des zweiten Ehegatten sowie eine Anspannung auf den von diesem zu gewährenden "fiktiven" Unterhalt zutreffend verneint.
Anderes gilt - wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (6 Ob 2126/96g), für den auch bei aufrechter Ehe dem haushaltsführenden Ehegatten zustehende Geldunterhaltsanspruch, der ihm die Bestreitung bestimmter Bedürfnisse nach eigenem Geschmack ermöglichen soll (Pichler in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 94). Auch nach dem im Verhältnis zwischen der Mutter und ihrem nunmehrigen Ehegatten allenfalls anzuwendenden deutschen Recht (§ 1360a BGB) hat jeder Ehegatte Anspruch auf einen angemessenen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld. Seine Höhe richtet sich nach Vermögen, Einkommen, Lebensstil und Zukunftsplanung der Ehegatten und hängt wesentlich von den - hier noch nicht feststehenden - Umständen des Einzelfalles ab (Palandt BGB56 Rz 4 zu § 1360a). Dieses Taschengeld unterliegt der freien Disposition des Empfängers und stellt bei der Festsetzung des Unterhalts seiner Kinder zu berücksichtigendes Einkommen dar. Dem Anspannungsgrundsatz folgend ist die sonst einkommenslose Mutter zur Sparsamkeit und Einschränkung ihrer persönlichen Bedürfnisse verpflichtet, so daß sie unter Umständen auch zur Gänze auf dieses "Taschengeld" verzichten müsse. Im Gegensatz zum Naturalunterhalt kann dieser Anspruch auf Taschengeld als durchsetzbarer Geldunterhaltsanspruch auch im Wege der Anspannung abgeschöpft werden, wobei sich das Ausmaß jeweils nach den Umständen des Einzelfalles richtet und primär von der Höhe des Taschengeldes abhängt. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 11.Juli 1996, 6 Ob 2126/96g etwa 5 % des Nettoeinkommens des Ehegatten als angemessenes Taschengeld beurteilt. An dieser Ansicht ist festzuhalten (vgl auch Palandt aaO Rz 4 zu § 1360a).
Allerdings wird das Erstgericht auch jene Anknüpfungspunkte insbesondere die Staatsbürgerschaft der Mutter und ihres Ehegatten, festzustellen haben, aus denen sich das hier anzuwendende Recht ergibt.
Nach den dargelegten Grundsätzen steht dem Minderjährigen gegen die Revisionsrekurswerberin ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu. Seine Höhe kann nach den bisher getroffenen Feststellungen jedoch noch nicht beurteilt werden. Es wird das Nettoeinkommen des Gatten der unterhaltspflichtigen Mutter sowie das tatsächlich gewährte monatliche Taschengeld festzustellen sein. Sollte das ermittelte Taschengeld den genannten Prozentsatz des Einkommens des Mannes übersteigen, wäre bei der Unterhaltsfestsetzung vom tatsächlich eingeräumten Taschengeld auszugehen, andernfalls von einem fiktiven Prozentsatz, der sich an dem im Rechtsweg durchsetzbaren Taschengeld orientieren müßte.
Der Auftrag des Rekursgerichtes, nach Verfahrensergänzung neu zu entscheiden, ist daher berechtigt.
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