OGH 6Ob231/12g

OGH6Ob231/12g19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** B*****, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen 70.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. September 2012, GZ 15 R 157/12m-22, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin hat über Vermittlung des beklagten Immobilienmaklers ein Baugrundstück gekauft und darauf ein Einfamilienhaus errichten lassen. Sie bringt vor, der Beklagte habe die Ruhelage der Liegenschaft zugesichert; eine Lärmbelästigung durch Flugverkehr beschränke sich je nach Windrichtung auf drei bis vier Tage pro Monat. Nach dem Einzug in das Einfamilienhaus habe sie feststellen müssen, dass die Überflüge ein Vielfaches der zugesicherten Anzahl betrügen, das Grundstück liege direkt unter dem Flugroutenverlauf einer Landepiste des Flughafens Wien-Schwechat. Der Beklagte habe sie arglistig getäuscht. Hätte sie über die hohe Fluglärmbelastung Bescheid gewusst, hätte sie das Grundstück nicht gekauft. Wegen des Fluglärms seien in dieser Gegend die Immobilienpreise eingebrochen. Es sei ausgeschlossen, dass sie die Liegenschaft samt Haus auch nur annähernd zu jenem Preis verkaufen könne, den sie für das Grundstück und die Errichtung des Hauses aufgewendet habe. Der aus dem bereits jetzt absehbaren Verlust bei Verkauf resultierende Vermögensschaden werde vorbehaltlich weiterer Ausdehnung mit 70.000 EUR eingeklagt. Auch der geminderte Wohnwert werde mit 70.000 EUR angesetzt. Die Klägerin stellte auch ein Feststellungsbegehren für noch nicht bezifferbare Schäden.

Der Beklagte wendete ein, er habe auf die mögliche Fluglärmbelastung hingewiesen, er habe die Klägerin nicht arglistig getäuscht. Der bezahlte Kaufpreis für die Liegenschaft sei (im Falle des Wiederverkaufs) jederzeit erzielbar. Fluglärm sei eine ins Auge springende Tatsache, die Klägerin habe daher zumindest seit der Übergabe der Liegenschaft 2006 vom Fluglärm gewusst, weshalb angesichts der Klagseinbringung 2010 allfällige Ansprüche verjährt seien. Nach der Entscheidung 5 Ob 43/02p bestehe allenfalls ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens; dieser würde sich auf einen allfälligen Preisminderungsanspruch beschränken, der tatsächlich nicht bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf keine Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Verletzung von Informationspflichten durch den Makler bei Abschluss eines Vertrags gewähre nach der Rechtsprechung (5 Ob 43/02p) nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen nicht den Ersatz des Nichterfüllungsschadens, sondern billige dem Geschädigten den Ersatz jenes Schadens zu, den er im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags erlitten habe. Die Klägerin begehre den Differenzschaden hinsichtlich eines ihrer Ansicht nach durch eine Falschaufklärung zu teuer gekauften Grundes oder hinsichtlich des im Verhältnis zum erwarteten Wohnwert tatsächlich niedrigeren Wohnwert. Dabei handle es sich um typische Nichterfüllungsschäden aus dem Verhältnis Käufer - Verkäufer, die aus allgemeinen schadenersatzrechtlichen Kausalitätserwägungen im Verhältnis Käufer - Makler nicht ersatzfähig seien. Selbst unter Zugrundelegung des von der Klägerin behaupteten Sachverhalts sei der eingeklagte Schaden daher nicht ersatzfähig. Ein allenfalls ersatzfähiger Vertrauensschaden sei nicht klagsgegenständlich.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Leistungsbegehrens und ließ die Revision nicht zu. Im Übrigen, also im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens, hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Leistungsbegehren bestehe nicht zu Recht, weil die Klägerin die Liegenschaft bisher nicht verkauft und den behaupteten Schaden somit noch gar nicht erlitten habe. Die Klägerin habe ihr Zahlungsbegehren alternativ darauf gestützt, dass sie auch dann, wenn sie das Haus nicht verkaufen sollte, durch den Fluglärm gravierend beeinträchtigt sei, wodurch sich ein geminderter Wohnwert ergebe. Insoweit mache die Klägerin einen Nichterfüllungsschaden geltend, für den der Beklagte als Immobilienmakler nicht einstehen müsse: Die Klägerin habe ihm gegenüber zwar Anspruch auf ordnungsgemäße Beratung gehabt, nicht aber auch auf Übertragung des Eigentumsrechts an einem Grundstück ohne Fluglärm.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin gegen den bestätigenden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist unzulässig.

1. Sowohl das Vorbringen des Beklagten in erster Instanz als auch die Begründung des Urteils des Erstgerichts zeigen zutreffend auf, dass das (in erster Instanz erstattete) Klagsvorbringen unschlüssig ist: Das dem Beklagten vorgeworfene Fehlverhalten ist für den Ersatz des Schadens, den die Klägerin begehrt, nicht ursächlich und daher nicht ersatzfähig: Der Beklagte hat weder den Fluglärm noch die dadurch bewirkte Wertminderung der Liegenschaft verursacht.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob angesichts des Beklagtenvorbringens das Erstgericht gehalten gewesen wäre, die von ihm angenommene Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens mit der Klägerin gemäß §§ 182, 182a ZPO zu erörtern, um ihr Gelegenheit zu geben, das Klagsvorbringen schlüssig zu machen (RIS-Justiz RS0037166; RS0037300 [T36, T37]). Die Klägerin hat in ihrer Berufung eine allfällige Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht des Erstgerichts nicht als Verfahrensmangel gerügt, weshalb dieser allenfalls vorliegende Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens vom Obersten Gerichtshof nicht wahrgenommen werden kann (RIS-Justiz RS0037325).

3. Die Klägerin bringt erstmals in der Berufung und nunmehr auch in der Revision vor, sie hätte bei pflichtgemäßer Aufklärung durch den Beklagten über den tatsächlich bestehenden Fluglärm entweder statt der gekauften Liegenschaft eine andere in Ruhelage erworben und dort ein Haus errichtet, das heute wertmäßig zumindest auch die für den Grunderwerb und die Errichtung des Hauses aufgewendeten Mittel repräsentieren würde, oder sie hätte in ihrer bisherigen Wohnung weitergelebt (und sich somit sämtliche Aufwendungen für Grundkauf und Hausbau erspart).

Dieses Vorbringen wäre - präzisiert - geeignet, einen vom Beklagten verursachten Schaden schlüssig darzustellen: Bei pflichtgemäßer Aufklärung durch den Beklagten hätte die Klägerin jetzt entweder ein nicht fluglärmbelastetes Haus samt Grund, das mehr wert wäre als das Haus samt Grund, das der Beklagte vermittelt hat, oder sie stünde durch ihre nicht verwendeten Ersparnisse (bzw nicht aufgenommenen Kredite) vermögensmäßig jetzt besser als mit dem durch Fluglärm wertgeminderten Haus samt Grund.

Dieses Vorbringen verstößt aber gegen das Neuerungsverbot und kann daher nicht berücksichtigt werden.

4. Soweit die Klägerin das Leistungsbegehren (auch) auf den geminderten Wohnwert stützt, ist ihr zu entgegnen, dass es sich dabei um einen nicht ersatzfähigen ideellen Schaden handelt (1 Ob 148/06f; RIS-Justiz RS0010069; RS0022421).

5. Von diesen Erwägungen ausgehend, stellen sich die in der Revision angesprochenen Rechtsfragen, ob entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch vor einem Wiederverkauf der Liegenschaft durch die Klägerin schon ein Schaden eingetreten ist und ob ein Schaden in Form eines geminderten Wohnwerts ein Nichterfüllungsschaden ist, nicht.

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