European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00224.21S.1017.000
Spruch:
I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. 12. 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl L 312/1 vom 23. 12. 1995, unmittelbar auf solche Ansprüche anzuwenden, mit denen die Republik Österreich Beihilfen, die sie im Rahmen eines Programms, das eine Agrarumweltmaßnahme gemäß VO (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. 9. 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ABl L 277/1 vom 21. 10. 2005, darstellt, den Förderungswerbern vertraglich gewährte, mit den Mitteln des Privatrechts zurückfordert, weil der Förderungsnehmer gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen hat?
2. Falls die erste Frage bejaht wird, ist Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 3 der in Frage 1 genannten Verordnung dahin auszulegen, dass eine die Verjährung unterbrechende Ermittlungs‑ oder Verfolgungshandlung auch dann vorliegt, wenn der Beihilfegeber den Beihilfenehmer nach der ersten außergerichtlichen Einforderung eines Rückzahlungsanspruchs neuerlich, allenfalls auch mehrfach, zur Zahlung auffordert und außergerichtlich mahnt, anstatt seinen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen?
3. Falls die erste Frage verneint wird, ist die Anwendung einer 30‑jährigen Verjährungsfrist des nationalen Zivilrechts auf die in Frage 1 bezeichneten Rückforderungsansprüche mit dem Unionsrecht, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vereinbar?
II. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.
Begründung:
I.: Zu den Vorlagefragen
A. Sachverhalt
[1] Das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) 2007 wurde von der klagenden Republik Österreich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (in den Jahren 2007 bis 2013) als Agrarumweltmaßnahme gemäß VO (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. 9. 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ABl L 277/1 vom 21. 10. 2005 (künftig: VO 1698/2005 ), angeboten und von der Europäischen Union kofinanziert.
[2] Die Förderungen werden im Weg von Verträgen mit den Förderungswerbern abgewickelt. Die Regeln, denen das Förderungsprogramm unterworfen ist, finden sich in der Sonderrichtlinie des Bundesministers für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) für das Österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (SRL‑ÖPUL 2007).
[3] Im Rahmen des ÖPUL werden flächenbezogene Förderungen für umweltgerechte Bewirtschaftungsformen gewährt, wofür die Förderungswerber mehrjährige Verpflichtungen eingehen müssen. Gemäß Pkt 1.6.7.1. der SRL‑ÖPUL 2007 ist der Förderungswerber bei einem Förderungsbeginn im Jahr 2007 verpflichtet, die einbezogenen Flächen für mindestens sieben Jahre, also bis einschließlich 2013, gemäß den Fördervoraussetzungen zu bewirtschaften und alle sonstigen Fördervoraussetzungen zu erfüllen. Nach dem Erstantrag stellen die Förderungswerber jährlich einen „Mehrfachantrag‑Flächen“. Punkt II.1.1. dieser Anträge verweist stets auf „die jeweilige ÖPUL‑SRL“ als Grundlage der Beihilferegelung, die zur Kenntnis genommen werde, zu deren Erhaltung sich der Antragsteller verpflichte und die einen Bestandteil des Vertrags zwischen der Klägerin und dem Förderungsnehmer bilde.
[4] Die Verwaltung und Abwicklung des ÖPUL obliegt der Agrarmarkt Austria GmbH (AMA), die im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig wird (OGH 7 Ob 231/02z = ECLI:AT:OGH0002:2003:0070OB00231.02Z.0212.000, sowie SRL‑ÖPUL 2007 Pkt 1.9.2.).
[5] Der Beklagte nahm als Bewirtschafter des landwirtschaftlichen Betriebs Nr. * (künftig: Betrieb) am ÖPUL teil. Der Erstantrag wurde vom damaligen Bewirtschafter für den siebenjährigen Zeitraum 2007 bis 2013 gestellt. Der Beklagte war ab 1. 1. 2008 Bewirtschafter des Betriebs. Es ist nicht strittig, dass er dem Fördervertrag beitrat und ihn fortführte. Er stellte selbst die Anträge für die Jahre 2008 bis 2013.
[6] Nach Durchführung einer Vor‑Ort‑Kontrolle begehrte die Klägerin im Jahr 2013 wegen behaupteter Abweichungen zwischen den beantragten und den tatsächlich förderfähigen Flächen die Rückerstattung der in den Antragsjahren 2008 bis 2010 und 2012 bis 2013 auf die Abgangsflächen gewährten Prämien in der Höhe der Klageforderung.
[7] Dem Beklagten wurden von der AMA ein Prüfbericht sowie Rückforderungsmitteilungen vom 26. 3. 2014 und vom 26. 6. 2014 übermittelt. Danach erhielt er Zahlungserinnerungen vom 11. 5. 2015 (zugestellt am 12. 5. 2015), vom 12. 11. 2015 (zugestellt am 16. 11. 2015) und eine Mahnung mit der Androhung von „rechtlichen Schritten“ vom 16. 12. 2015 (zugestellt am 22. 12. 2015).
B. Vorbringen der Parteien
[8] Mit am 26. 4. 2019 eingebrachter Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 44.751,58 EUR samt gestaffelten Zinsen von jährlich 2,880 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz ab 30. 4. 2014.
[9] Sie brachte vor, der Förderungsnehmer sei verpflichtet, die einbezogenen Flächen bis 31. 12. 2013 gemäß den Fördervoraussetzungen zu bewirtschaften und alle sonstigen Fördervoraussetzungen zu erfüllen, widrigenfalls die Förderung zurückzuerstatten sei.
[10] Bei Vor-Ort-Kontrollen am 5./9. 12. 2013 und am 9. 1. 2014 seien für die Antragsjahre 2012 und 2013 Abweichungen zwischen den beantragten und den förderfähigen Flächen festgestellt worden. Aus diesen Differenzen ergäben sich Rückforderungen für die Jahre 2012 und 2013. Soweit die beantragten, aber in den Jahren 2012 und 2013 nicht mehr förderungsfähigen Flächen (die Abgangsflächen) bereits in den Vorjahren in das ÖPUL eingebracht worden seien, liege eine Verletzung des siebenjährigen Verpflichtungszeitraums vor. Deshalb würden auch die für die Antragsjahre 2008 bis 2012 für die Abgangsflächen gewährten Förderungen zurückgefordert. Die für das Jahr 2011 gewährten Förderungen seien bereits zurückgezahlt worden.
[11] Der Beklagte sei gemäß Pkt 1.12. SRL‑ÖPUL 2007 zu im Einzelnen dargestellten Rückzahlungen verpflichtet worden, und zwar (zusammengefasst) mit Rückforderungsschreiben vom 26. 3. 2014 zur Rückzahlung von insgesamt 24.935,13 EUR und mit Rückforderungsschreiben vom 26. 6. 2014 zur Rückzahlung von insgesamt 19.816,45 EUR, in Summe zur Rückzahlung von 44.751,58 EUR.
[12] Dazu erstattete die Klägerin detailliertes Vorbringen zu den gewährten Förderungen, den ermittelten Flächenabweichungen, den Abweichungsprozentsätzen zwischen den beantragten und den ermittelten Prämien und den daraus nach der SRL‑ÖPUL 2007 resultierenden Rückforderungsbeträgen. Weiters erstattete sie Vorbringen zur Berechnung jener Rückforderungsbeträge, die sie darauf stützt, dass die Flächenabweichungen zugleich eine Verletzung des siebenjährigen Bewirtschaftungszeitraums darstellten. Festzuhalten ist, dass die Klägerin für das Antragsjahr 2013 für beide Fördermaßnahmen, an denen der Beklagte teilnahm („BIO“ und „WERTV“) Abweichungsprozentsätze von mehr als 20 % behauptet, weshalb sie die gesamte für die jeweilige Maßnahme für das Jahr 2013 gewährte Beihilfe zurückfordert. Hingegen behauptet sie für das Jahr 2012 und die vorangegangenen Jahre Abweichungen pro Maßnahme von unter 3 %, weshalb nur die auf die beanstandeten Flächen selbst entfallende Prämie zurückgefordert werde.
[13] Sie bringt vor, die SRL‑ÖPUL 2007 sei weitgehend durch EU-Verordnungen determiniert. Das Ausmaß der Kürzungen bzw Rückforderungen bei Flächenabweichungen werde direkt in Art 16 VO (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. 1. 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, ABl L 25/8 vom 28. 1. 2011 (künftig: Kontroll‑VO 65/2011 ) normiert. Diese Verordnung verweise auch auf die Vorgaben des Integrierten Verwaltungs‑ und Kontrollsystems (INVEKOS) der Europäischen Union. Dass bei Nichteinhaltung des mehrjährigen Verpflichtungszeitraums die gesamte im Verpflichtungszeitraum gewährte Beihilfe zurückzuerstatten sei, entspreche Art 39 Abs 3 iVm Art 88 Abs 4 VO 1698/2005 .
[14] Der Beklagte beantragt die Klageabweisung. Er wandte (unter anderem) ein, die Ansprüche seien verjährt. Punkt 1.12. SRL‑ÖPUL 2007 enthalte keine eigenen Verjährungsregeln, sodass dafür auf andere Rechtsquellen zurückzugreifen sei. Soweit für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen relevant, stützte er sich auf nationales österreichisches Zivilrecht. Er qualifizierte die Rückforderungen als Vertragsstrafen iSd § 1336 ABGB. Auf diese komme die Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger gemäß § 1489 ABGB zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beginne spätestens zum Zeitpunkt der Rückforderungsschreiben vom 26. 3. 2014 und vom 26. 6. 2014 zu laufen, weshalb zum Zeitpunkt der Klageeinbringung bereits Verjährung eingetreten sei.
[15] Die VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. 12. 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl L 312/1 vom 23. 12. 1995 (künftig: VO 2988/95 ), sei nicht anwendbar, weil sie nur Ansprüche erfasse, die mit den Mitteln des öffentlichen Rechts zu verfolgen seien. Selbst bei Anwendbarkeit der VO 2988/95 seien die Zustellung des Prüfberichts, der Rückforderungsmitteilungen und der Zahlungserinnerungen nicht als Ermittlungs‑ oder Verfolgungshandlungen zu qualifizieren; sie bewirkten daher keine Verjährungsunterbrechung.
[16] Die Klägerin hielt dem Verjährungseinwand entgegen, die Verjährung sei vorrangig nach dem anwendbaren Unionsrecht, konkret nach der VO 2988/95 zu prüfen.
[17] Die vierjährige Verjährungsfrist des Art 3 Abs 1 VO 2988/95 habe nach dem Ende des Verpflichtungszeitraums, daher am 1. 1. 2014, zu laufen begonnen. Sie sei durch die von der AMA gesetzten Verfolgungshandlungen, und zwar die Zustellung des Prüfberichts und der Rückforderungsmitteilungen vom 26. 3. 2014 und vom 26. 6. 2014 sowie durch die Zahlungserinnerungen vom 11. 5. 2015, 12. 11. 2015 und 16. 12. 2015 unterbrochen worden, wodurch die Verjährungsfrist jeweils neu zu laufen begonnen habe. Die Forderungen seien daher nicht verjährt.
[18] Darüber hinaus könnten die Mitgliedstaaten nach Art 3 Abs 3 VO 2988/95 eine längere Verjährungsfrist vorsehen. Jedenfalls die Rückforderungen wegen Verletzung des Verpflichtungszeitraums der Jahre 2008 bis 2010 sowie 2012 und für die beanstandeten Flächen der Antragsjahre 2012 und 2013 seien nach österreichischem Zivilrecht als Bereicherungsansprüche zu qualifizieren. Daher komme die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB zur Anwendung. Auch die darüber hinausgehende Rückforderung in Form der vollständigen Streichung der Förderung für die nicht beanstandete Fläche für das Antragsjahr 2013 sei keine Vertragsstrafe, weil dadurch nicht der Ersatz eines Schadens, sondern die Sicherstellung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts entsprechend den Vorgaben des INVEKOS für Flächenabweichungen erreicht werden solle.
[19] Die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen gemäß Pkt 1.12.2.5. SRL‑ÖPUL 2007 beruhe (dem Grunde nach) auf Artikel 5 Abs 1 VO 65/2011 , sodass auch für den Zinsenanspruch die Verjährungsfristen des Art 3 VO 2988/95 gälten.
C. Bisheriges Verfahren
[20] Das Erstgericht schränkte den Verfahrensgegenstand auf die Frage der Verjährung ein und sprach mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO aus, die Klageforderung sei nicht verjährt.
[21] Rechtlich bejahte es die Anwendbarkeit von Art 3 VO 2988/95 auf sämtliche geltend gemachten Ansprüche. Die vierjährige Verjährungsfrist habe am 1. 1. 2014 begonnen und sei durch die Rückforderungsmitteilungen und die Zahlungsaufforderungen vom 11. 5. 2015, 12. 11. 2015 und 16. 12. 2015 unterbrochen worden, sodass die Ansprüche nicht verjährt seien.
[22] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Rechtlich führte es aus, die VO 2988/95 sei auf zivilrechtliche Ansprüche nicht anzuwenden. Es komme das Verjährungsrecht des nationalen österreichischen Zivilrechts zur Anwendung. Die Ansprüche seien gemäß § 1489 ABGB verjährt.
Rechtliche Beurteilung
[23] Der Oberste Gerichtshof hat über die Revision der Klägerin zu entscheiden, mit der sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils beantragt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[24] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
D. Relevante Normen
[25] Art 1 Abs 1 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. 12. 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl L 312/1 vom 23. 12. 1995 (künftig: VO 2988/95 ) lautet:
[26] „Zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen.“
Art 3 Abs 1 VO 2988/95 lautet:
[27] „Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.
[28] Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluß des Programms.
[29] Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs‑ oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.
[30] Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne daß die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; [...]“
§ 393a (österreichische) Zivilprozessordnung (ZPO) lautet:
„Zwischenurteil zur Verjährung
[31] Wenn in einem Rechtsstreit der Einwand der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs erhoben wird, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag über diesen Einwand gesondert mit Urteil entscheiden, soweit die Klage nicht aus diesem Grund abzuweisen ist. […]“
§ 1478 (österreichisches) ABGB lautet:
[32] „Verjährungszeit. Allgemeine.
[33] […] Zur eigentlichen Verjährung aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechtes, das an sich schon hätte ausgeübt werden können, durch dreyßig Jahre hinlänglich.“
§ 1489 (österreichisches) ABGB lautet:
[34] „Jede Entschädigungsklage ist in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein.“
[35] Die SRL‑ÖPUL 2007 (GZ BMLFUW-LE.1.1.8/0073-II/8/2007) wurde im relevanten Zeitraum zweimal geändert. In der Fassung der ersten Änderung wird sie als SRL‑ÖPUL 2007 (2009) bezeichnet (GZ BMLFUW‑LE.1.1.8/0008-II/8/2008), in der Fassung der zweiten Änderung (BMLFUW‑LE.1.1.8/0014‑II/8/2010) als SRL‑ÖPUL 2007 (2010). Soweit sich die Fassungen in den für das Verfahren relevanten Bestimmungen unterscheiden, wird gesondert darauf hingewiesen.
Punkt 1.2 SRL‑ÖPUL 2007 lautet (auszugsweise):
[36] „Rechtsgrundlagen
[37] Folgende spezifische Rechtsgrundlagen in den jeweils geltenden Fassungen sind insbesondere maßgeblich:“
[38] Darauf folgt eine Aufzählung von Rechtsakten der Europäischen Union und nationalen Rechtsakten. Die VO 2988/95 ist jeweils nicht angeführt.
Punkt 1.12 der SRL‑ÖPUL 2007 lautet (auszugsweise):
„1.12 Rückzahlung, Einbehalt
[…]
1.12.1.1 Grundsatz
[39] Der Förderungswerber ist verpflichtet, über schriftliche Aufforderung der AMA oder des BMLFUW – und unter Vorbehalt der Geltendmachung weitergehender gesetzlicher Ansprüche – eine gewährte Förderung ganz oder teilweise binnen 14 Tagen zurückzuzahlen, insbesondere wenn
-1 die Beauftragten oder Organe der EU, des BMLFUW, der AMA und sonstiger Abwicklungsstellen durch den Förderungswerber oder ihm zurechenbare Dritte über Umstände, die für die Gewährung, das Ausmaß der Förderung oder die Aufrechterhaltung der Verpflichtung maßgebend sind, unrichtig oder nicht vollständig unterrichtet wurden,
-2 in dieser SRL vorgesehene Förderungsvoraussetzungen nicht oder nicht vollständig erfüllt werden können oder erfüllt wurden oder die entsprechend den Förderungsvoraussetzungen zu erbringende Leistung einschließlich insbesondere von Dokumentationspflichten, Meldepflichten sowie Duldungs‑ und Mitwirkungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann oder erbracht worden ist.
[40] Dies ist insbesondere der Fall, wenn [...]
[…]
[41] 1.12.1.3 [Anmerkung: in der SRL‑ÖPUL 2007 (2010) findet sich diese Bestimmung in Punkt 1.12.1.4]: Bei Feststellung von Abweichungen zwischen den der AMA bekannt gegebenen Angaben und den vorgefundenen Feststellungen zu Umfang oder Lage von Flächen oder zu Umfang oder Art der Tierhaltung kommen die einschlägigen Bestimmungen zum INVEKOS [Anmerkung: in der SRL‑ÖPUL 2007 (2010) ergänzend: ′und der Kontroll‑VO′, gemeint ist gemäß Punkt 1.2-3 SRL‑ÖPUL 2007 (2010) die VO (EG) Nr. 1975/2006 der Kommission vom 7. 12. 2006, ABl L 368/74 vom 23. 12. 2006] bezogen auf das Beihilfeausmaß und die Maßnahme dann zur Anwendung, wenn die Abweichungen nicht zugleich einen Verstoß gegen eine konkrete inhaltliche Bedingung der Maßnahme (Förderungsvoraussetzung) darstellen.
[42] Basis für die Kürzungen sind die ermittelte Prämie und die beantragte Prämie auf Grundlage der ermittelten Fläche und beantragten Fläche unter Berücksichtigung der Prämienwertigkeit der Fläche.
-1 Ist die ermittelte Maßnahmenprämie um höchstens 3 % geringer als das beantragte Prämienausmaß, so wird die ermittelte Prämie ausbezahlt.
-2 Ist die ermittelte Maßnahmenprämie um mehr als 3 % und nicht mehr als 20 % geringer als das beantragte Prämienausmaß, so wird die ermittelte Prämie um das Doppelte der festgestellten Differenz reduziert.
-3 Ist die ermittelte Maßnahmenprämie um mehr als 20 % geringer als das beantragte Prämienausmaß, so wird für das laufende Jahr für die betroffene Maßnahme keine Prämie gewährt.
-4 Ist die ermittelte ÖPUL‑Prämie um mehr als 30 % und nicht mehr als 50 % geringer als das beantragte Prämienausmaß so wird für das laufende Jahr für alle ÖPUL‑Maßnahmen keine Prämie gewährt.
-5 Ist die ermittelte ÖPUL‑Prämie um mehr als 50 % geringer als das beantragte Prämienausmaß so wird für das laufende Jahr für alle ÖPUL‑Maßnahmen keine Prämie gewährt; zusätzlich ist ein Betrag im Ausmaß der Differenz zwischen beantragter und ermittelter Prämie einzubehalten (Sanktion).“
E. Begründung der Vorlage
Verfahrensgegenstand
[43] Beim Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO zur (verneinten) Verjährung wird nur die allfällige Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt (RS0127852 [T2] = ECLI:AT:OGH0002:2012:RS0127852). Liegt ein solches Urteil vor, kann im Instanzenzug nur die Frage der Verjährung des (behaupteten) Klagsanspruchs überprüft werden (RS0127852 [T6]; OGH 4 Ob 31/22w = ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00031.22W.0329.000). Im vorliegenden Fall, in dem das Erstgericht den Verjährungseintritt mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO verneinte, ist das Verfahren daher auf die Prüfung der Verjährung eingeschränkt.
Zur Frage 1
[44] Die Gewährung von Förderungen aufgrund der Teilnahme von Landwirten an Förderungsprogrammen im Rahmen des ÖPUL erfolgt durch privatrechtliches Handeln (OGH 6 Ob 61/05x = ECLI:AT:OGH0002:2005:0060OB00061.05X.1006.000; 7 Ob 231/02z; 9 Ob 95/01p = ECLI:AT:OGH0002:2001:0090OB00095.01P.0509.000). Das heißt, der konkreten Förderung wird ein Fördervertrag zugrunde gelegt (vgl OGH 7 Ob 231/02z). Die Möglichkeit der Rückforderung einer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags gewährten Förderung bestimmt sich nach dem Inhalt der Vereinbarung (OGH 7 Ob 231/02z; 7 Ob 308/03z = ECLI:AT:OGH0002:2004:0070OB00308.03Z.0331.000, je zum ÖPUL).
[45] Mit der VO 2988/95 wurde zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht geschaffen (vgl Art 1 Abs 1 dieser VO).
[46] Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 24. 6. 2004, C‑278/02 (Rs Handlbauer, ECLI:EU:C:2004:388) die unmittelbare Anwendbarkeit von Art 3 Abs 1 der VO 2988/95 grundsätzlich bejaht. In dem der Rs Handlbauer zugrunde liegenden Fall erfolgte die Rückforderung der gewährten Beihilfe und die Verhängung einer Sanktion mit Bescheid, also in einer Form des hoheitlichen Verwaltungshandelns.
[47] Im vorliegenden Verfahren ist strittig, ob Art 3 der VO 2988/95 auch dann unmittelbar anwendbar ist, wenn eine von der Europäischen Union kofinanzierte Beihilfe in Form eines Fördervertrags gewährt wurde und die Rückforderung mit den Mitteln des Privatrechts erfolgte.
[48] In der deutschsprachigen Literatur finden sich Stellungnahmen, die noch nach Inkrafttreten der VO 2988/95 für einen solchen Fall die ausschließliche Anwendung der Verjährungsregeln des nationalen Zivilrechts auf Rückforderungsansprüche und Sanktionen befürworten (Killmann/Glaser, Verordnung [EG, Euratom] Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Kommentar [2011], Art 3 Rn 3, 5, 15; konkret zum ÖPUL: Leidwein, Agrarbeihilfen und Sanktionen, ecolex 2001, 94 [97]). Diese Rechtsansicht wird unter anderem damit begründet, dass die VO 2988/95 nationale und unionsrechtliche „Verwaltungsentscheidungen“ erfasse, worunter nur auf Hoheitsakt beruhende Entscheidungen zu verstehen seien (Killmann/Glaser, Verordnung [EG, Euratom] Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Kommentar [2011], Art 3 Rn 15).
[49] Die Frage, ob Art 3 VO 2988/95 unmittelbar anwendbar ist, ist für den vorliegenden Rechtsstreit von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Sofern Art 3 VO 2988/95 für die Beurteilung der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche unmittelbar anwendbar ist, wäre es dem Beklagten verwehrt, sich auf die kürzere dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu stützen. Die Klägerin könnte sich ihrerseits nicht auf die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB stützen, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Mitgliedstaaten verwehrt, im Rahmen des Gebrauchs der ihnen durch Art 3 Abs 3 VO 2988/95 gebotenen Möglichkeit eine 30‑jährige Verjährungsfrist auf Rechtsstreitigkeiten über die Rückforderung von zu Unrecht gewährten Beihilfen anzuwenden (EuGH vom 5. 5. 2011, C‑201, 202/10, Rs Ze Fu Fleischhandel und Vion Trading, ECLI:EU:C:2011:282, Rn 47).
Zur Frage 2:
[50] Die zweite Vorlagefrage soll für privatrechtlich ausgestaltete Subventionen klären, ob ein Subventionsgeber, der seine Ermittlungen bereits abgeschlossen und seinen Rückforderungsanspruch gegen den Subventionsnehmer außergerichtlich geltend gemacht hat, durch Zahlungserinnerungen eine Unterbrechung und damit – im Rahmen der absoluten Frist des Art 3 Abs 1 Unterabs 4 VO 2988/95 – eine Verlängerung der Verjährungsfrist erreichen kann, obwohl der gerichtlichen Geltendmachung nicht entgegensteht, dass er eine längere Zeitdauer zur Aufklärung der tatsächlichen Umstände benötigt.
Zur Frage 3:
[51] Der Europäische Gerichtshof hat konkret zum ÖPUL ausgesprochen, dass, soweit das Gemeinschaftsrecht keine Regelung enthält, nichts dagegen spricht, dass die Republik Österreich die nationalen Beihilfeprogramme mittels Rechtsgeschäften des Privatrechts wie Verträgen durchführt. Allerdings darf die Anwendung dieser nationalen Vorschriften die Tragweite und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen (EuGH vom 19. 9. 2002, C‑336/00 Rs Martin Huber, ECLI:EU:C:2002:509, Rn 61 ff). Die Frage 3 zielt darauf ab zu klären, ob bei einem nationalen Programm, das eine Agrarumweltmaßnahme im Sinn der VO 1698/2005 darstellt und das in den Formen des Privatrechts ausgestaltet ist, die Verjährungsfristen des nationalen Zivilrechts am unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen werden müssen.
II. Zum Unterbrechungsbeschluss:
[52] Die Unterbrechung des Verfahrens gründet sich auf § 90a GOG.
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