OGH 6Ob222/23z

OGH6Ob222/23z17.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*, 2. H*, beide *, vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner und andere Rechtsanwälte in Kirchberg in Tirol, wider die beklagten Parteien 1. P*, Slowakei, 2. K*, Slowakei, 3. B* GmbH, *, alle vertreten durch Mag. Michal Slany, Rechtsanwalt in Wien, wegen 192.800 EUR sA und Räumung über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. September 2023, GZ 4 R 72/23a‑66, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00222.23Z.0117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit dem angefochtenen Teilurteil sprach das Berufungsgericht den Klägern rückständigen Bestandzins zu.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht zulässig:

[3] 1. In der Revision wiederholen die Beklagten ihre schon in der Berufung erhobenen Vorwürfe zu vermeintlichen Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Berufungsgericht hat diese geprüft und verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche erkannt worden sind, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371; RS0043919).

[4] 2.1. Fragen der Vertragsauslegung im Einzelfall können nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn das Berufungsgericht von den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen abgewichen und zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (vgl RS0042776; RS0042936; vgl RS0042555 [T1]). Dies ist hier nicht der Fall:

[5] 2.2. Es steht fest, dass der Erstbeklagte bei den Terminen und Gesprächen mit den Klägern auch im Namen und für die Zweitbeklagte handelte. Das Berufungsgericht legte zugrunde, dass dies dem (auch für die Zweitklägerin auftretenden) Erstkläger aufgrund der Gesamtumstände erkennbar war. Wenn die Beklagten dennoch meinen, der Erstbeklagte habe nicht (wirksam) für die Zweitbeklagte gehandelt, das Berufungsgericht widerspreche mit seiner gegenteiligen Rechtsansicht „der geltenden höchstgerichtlichen Judikatur“, dafür aber keine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs angeben, wird das behauptete Abweichen im Sinne einer nach § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage mit solchen Ausführungen nicht aufgezeigt.

[6] 2.3. Auch der Vorwurf, das Berufungsgericht sei mit seiner Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs – in unvertretbarer Weise – abgewichen, ist nicht zu teilen.

[7] Es trifft zu, dass zwei separate Urkunden (Bestandverträge) zu verschiedenen Zeitpunkten geschlossen wurden und eine Urkunde (nur) vom Erstbeklagten sowie der Zweitbeklagten und die zeitlich später – nach Gründung der drittbeklagten GmbH – errichtete Urkunde nur mit dieser, allerdings über denselben Bestandgegenstand und mit gleich hohem Bestandzins, abgeschlossen wurde. Die Beklagten leiten daraus ab, es „liege“ (kein einheitlicher Bestandvertrag, sondern) eine „Mehrfachvermietung nahe“, der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte hätten nach dem Abschluss des „zweiten Pachtvertrags“ davon ausgehen dürfen, dass sie „nunmehr konkludent von ihren Verpflichtungen aus dem Bestandvertrag befreit“ seien. Diese Schlussfolgerung kann angesichts der festgestellten Tatsachen (zu den steuerlichen Hintergründen) nicht nachvollzogen werden. Herausgegriffen sei in diesem Zusammenhang etwa nur die ausdrückliche Feststellung, dass durch den Abschluss mit der Drittbeklagten „der erste Bestandvertrag nicht untergehen oder geändert werden, sondern […] unverändert aufrecht bleiben [sollte]“.

[8] Ebenso wenig vermag die Revision einen Korrekturbedarf zur Auslegung der Vorinstanzen hinsichtlich der Vereinbarung vom 22. 5. 2021 als einvernehmliches Abgehen von der gesetzlichen Regelung nach §§ 1104 ff ABGB darzulegen. Es hatten vor ihrem Abschluss bereits drei „harte Lockdowns“ stattgefunden. Eine „Vorwegeinigung“ für den Fall weiterer behördlicher Beschränkungen ist, anders als die Beklagten meinen, nicht (denk‑)unmöglich. Der Ansicht, es könne, weil es im Zeitpunkt der Vereinbarung noch „keine gefestigte Judikatur zu den Mietzinsminderungsansprüchen bezüglich der Covid-19-Pandemie“ gegeben habe, die Vereinbarung nicht wirksam sein, ist nicht zu folgen. Dafür bleiben die Beklagten jegliche Begründung schuldig.

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