Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 9.859,76 EUR (darin 863,96 EUR Umsatzsteuer und 4.676 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die D***** Bank AG gewährte der Beklagten im Jahr 2001 einen Kredit in Höhe von 116.280 EUR zum Ankauf einer im Eigentum von Adolf M***** stehenden Eigentumswohnung in W*****. Dieser Kontokorrentkredit wurde der Beklagten bis zum 1. 6. 2002 eingeräumt.
In Absprache mit der Kreditgeberin betraute die Beklagte Dr. Rudolf S*****, Rechtsanwalt in O*****, mit der treuhändigen Abwicklung und Verbücherung des Liegenschaftskaufs, der am 11. 12. 2001 erfolgte. Dr. Rudolf S***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 29. 6. 2005 zu 2 Cg 98/04b zur Zahlung von 114.040,25 EUR samt 12,75 % Zinsen seit 1. 1. 2003 an die Kreditgeberin verpflichtet. Danach hatte er als Treuhänder entgegen den ihm überbundenen Treuhandverpflichtungen den von der Kreditgeberin zur Verfügung gestellten Kaufpreis an den Verkäufer der Eigentumswohnung überwiesen, ohne dafür Sorge getragen zu haben, dass die Kreditgeberin auf der Kaufliegenschaft erstrangig durch ein Pfandrecht im Höchstbetrag von 151.164 EUR besichert worden war; die Beklagte hatte in der Zwischenzeit die Eigentumswohnung an einen Dritten weiterveräußert. Das Landesgericht Eisenstadt gründete die Zahlungsverpflichtung auf den Titel des Schadenersatzes infolge Verletzung der Treuhandvereinbarung und führte aus, die Kreditgeberin habe als Treugeberin darauf vertrauen dürfen, dass der Treuhänder, ein Rechtsanwalt, den ihm überwiesenen Kreditbetrag nicht vor vereinbarter hypothekarischer Sicherstellung auszahlt, sondern diesen für den Fall des Nichtzustandekommens der Sicherstellung ohne Aufforderung an sie rücküberweisen werde, und zwar unabhängig davon, ob die Kreditgeberin Zahlungen von der Beklagten als ihrer Kreditnehmerin erlangen könne. Dass der Treuhänder über den Geldbetrag nicht mehr verfügte, hebe seine Rückstellungsverpflichtung gegenüber der Kreditgeberin nicht auf.
Die Klägerin, die als Berufshaftpflichtversicherer des Treuhänders aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts Eisenstadt 114.050 EUR samt Zinsen an die Kreditgeberin bezahlt hat, begehrt von der Beklagten unter Berufung auf § 67 VersVG die Leistung dieses Betrags. Der Treuhänder bzw die Klägerin seien infolge Zahlung an die Kreditgeberin gemäß § 1358 ABGB in deren Position eingetreten, weshalb die Beklagte nunmehr der Klägerin gegenüber verpflichtet sei, den gewährten Kontokorrentkredit zurückzuzahlen. Darüber hinaus liege auch eine Einlösung der Forderung gemäß § 1422 ABGB vor, eine Abtretung der Forderung durch die Kreditgeberin sei allerdings weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt bzw von dieser verlangt worden. Da die Beklagte nicht nur den Kaufpreis für die Eigentumswohnung nicht bezahlt, sondern für diese anlässlich ihrer Weiterveräußerung sogar noch den Kaufpreis kassiert habe, sei eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung zu Lasten des Treuhänders bzw der Klägerin gegeben.
Die Beklagte, die das Klagebegehren der Höhe nach nicht substanziiert bestritten und auch nicht behauptet hat, zwischenzeitig den Kredit gegenüber der Kreditgeberin getilgt zu haben, wendet demgegenüber ein, die Nichterfüllung der Treuhandbedingungen gegenüber der Kreditgeberin sei ausschließlich auf das treuwidrige Verhalten des Treuhänders zurückzuführen gewesen; dies könne jedoch nicht ihr angelastet werden. Ein Anwendungsfall des § 1358 ABGB liege nicht vor, weil der Treuhänder bzw dessen Haftpflichtversicherer gegenüber der Kreditgeberin eine eigene Schuld getilgt hätte; diese aus der Verletzung der Treuhandvereinbarung resultierende Schuld sei mit der Kreditschuld der Beklagten nicht wesensgleich. Zu einer Einlösung der Forderung durch die Klägerin sei es nicht gekommen. Die Beklagte habe bislang auch den Kaufpreis von ihrem Käufer der Eigentumswohnung nicht erhalten und weigere sich im Übrigen nicht, den Kredit gegenüber der Kreditgeberin zurückzuzahlen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - gestützt auf § 1422 ABGB iVm § 67 VersVG - statt. Die Kreditgeberin sei durch die Zahlung der Klägerin nicht nur als kreditgewährende Bank, sondern auch als Gläubigerin eines Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Treuhänder befriedigt worden, womit wiederum die Beklagte im Umfang der erbrachten Leistung von ihrer bereits fälligen Kreditverbindlichkeit gegenüber der Kreditgeberin befreit worden sei. Das nach § 1422 ABGB erforderliche Verlangen nach Abtretung der eingelösten Forderung könne auch schlüssig erfolgen oder sich sogar aus den Umständen des Falls als selbstverständlich ergeben, was schon dann gegeben sei, wenn keine Indizien für den Willen des zahlenden Dritten, den Schuldner von seiner Schuld zu befreien, bestehen.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. In der Sache selbst meinte das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 59/02m, der ein „spiegelverkehrter Sachverhalt" zugrunde gelegen sei, die Anwendung des § 1358 ABGB setze die Leistung einer formell eigenen, materiell jedoch fremden Schuld voraus. Die vom Treuhänder bzw der Klägerin beglichene Schuld des Treuhänders aus der Verletzung seiner Treuhandverpflichtungen sei hingegen sowohl formell als auch materiell eine auf den Titel des Schadenersatzes gegründete Schuld des Treuhänders und daher mit der Kreditschuld der Beklagten nicht wesensgleich gewesen. Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin könnte nur dann bestehen, wenn der Treuhänder bzw die Klägerin die Kreditforderung der Kreditgeberin gegenüber der Beklagten gemäß § 1422 ABGB eingelöst hätten; zu einer Abtretung sei es jedoch nicht gekommen, eine solche sei auch nicht verlangt worden. Der Treuhänder habe schließlich gegenüber der Kreditgeberin seine eigene Schuld tilgen wollen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist daher auch berechtigt.
1. Überweist ein Treuhänder unter Verstoß gegen die Bedingungen seiner Treuhandabrede mit einem Kreditgeber eine Darlehensvaluta an den Gläubiger des Kreditnehmers, so ist nach der Entscheidung 1 Ob 59/02m (ÖBA 2002/1077 [Apathy]), auf welche sich das Berufungsgericht stützte, die Kreditschuld des Darlehensnehmers nicht wesensgleich mit der aus der Verletzung der Treuhandabrede resultierenden Schuld des Treuhänders; § 1358 ABGB sei damit nicht anwendbar, weil sich die Verbindlichkeiten im Rechtsgrund und in der Person der Schuldner unterschieden. Wesentliches Begründungselement dieser Entscheidung war, dass der Kreditnehmer bei seiner Zahlung den Willen hatte, durch diese Zahlung (offensichtlich ausschließlich) die eigene Kreditschuld zu decken. Dem ist beizupflichten, weil § 1358 ABGB das Vorliegen einer zwar formell eigenen, materiell jedoch fremden Schuld des Leistenden verlangt (vgl P. Bydlinski in Koziol/Bollenberger/Bydlinski, ABGB² [2007] § 1358 Rz 1 mwN). Dass der Treuhänder im vorliegenden Verfahren bzw die Klägerin als sein Haftpflichtversicherer bei Zahlung von 114.050 EUR samt Zinsen an die Kreditgeberin ausschließlich die eigene (Schadenersatz-)Verpflichtung des Treuhänders tilgen wollten, lässt sich allerdings weder den Feststellungen des Erstgerichts noch dem Vorbringen der Parteien entnehmen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts vermag daher weder in seiner rechtlichen Beurteilung noch unter Berücksichtigung des Ergebnisses zu überzeugen: Die Klägerin hat bereits im Verfahren erster Instanz zutreffend darauf hingewiesen, dass im Ergebnis sie als Haftpflichtversicherer des Treuhänders die Eigentumswohnung bezahlt hat, wodurch sich ja offensichtlich auch die Kreditgeberin als befriedigt ansieht. Immerhin wäre ihre Kreditforderung gegenüber der Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen seit knapp sieben Jahren (!) zur Zahlung fällig, ohne dass im Verfahren vor dem Landesgericht Eisenstadt noch in diesem Verfahren irgendwelche Betreibungsmaßnahmen hervorgekommen oder von irgendeiner Partei behauptet worden wären.
2.1. Zu einer - der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden ähnlichen - Konstellation hat der Oberste Gerichtshof daher bereits mehrfach (8 Ob 47/01x ecolex 2001/274 [Wilhelm]; 8 Ob 32/02t EvBl 2003/2) ausgeführt, der Begriff „fremde Schuld" im Sinne des § 1358 ABGB erfasse grundsätzlich eine fremde Schuld, für die eine Einstehungsverpflichtung besteht; ein Anwendungsfall des § 1358 ABGB sei somit auch dann gegeben, wenn der Treuhänder Regress gegen den Darlehensnehmer nehmen will, nachdem er Schadenersatz an den Darlehensgeber leisten musste, weil er nicht für die Abdeckung der pfandweise sichergestellten Darlehensforderung aus dem Kaufpreis gesorgt (8 Ob 47/01x) oder weil er die Sicherung (Lastenfreistellung) vor Auszahlung des Kaufpreises unterlassen (8 Ob 32/02t) hatte. Diese Entscheidungen wurden damit begründet, dass § 1358 ABGB entgegen seinem Wortlaut weit über die Regelung des Bürgenregresses hinausgehe und ganz allgemein auf jeden Anwendung finde, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet. Weiters wurde betont, dass in den dort entschiedenen Fällen der beklagte Verkäufer der Liegenschaft zwar den gesamten Kaufpreis erhalten hatte, eine Lastenfreistellung infolge Fehlens eines bei einem Dritten (dem Treuhänder) erliegenden Treuhandbetrags jedoch nicht möglich war, weshalb der Käufer der Liegenschaft vom Pfandgläubiger nochmals in Anspruch genommen wurde, was dazu führte, dass der beklagte Verkäufer um die vom Käufer zuzüglich zum Kaufpreis zu zahlende Pfandsumme bereichert war. Diese Bereicherung müsse er dem Treuhänder bzw dessen für den sorglosen Treuhänder einstehende Haftpflichtversicherung (gemäß § 1358 ABGB) „ersetzen".
Dieser Auffassung hat Wilhelm (ecolex 2001/274 [Entscheidungsanmerkung]) ausdrücklich beigepflichtet und die analoge Anwendung des § 1358 ABGB befürwortet; auch Mader/W. Faber (in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1358 Rz 7) erwähnen sie zustimmend.
2.2. Im vorliegenden Fall liegt die Bereicherung der beklagten Wohnungskäuferin (worauf die Klägerin sowohl im Verfahren erster Instanz als auch in ihrer außerordentlichen Revision hingewiesen hat) darin, dass sie nach wie vor über die Wohnung verfügt bzw diese sogar weiterveräußerte, gegenüber der kreditgewährenden Bank jedoch von ihrer Kreditverpflichtung befreit ist. Da der Treuhänder für eine Besicherung der Kreditforderung der Bank auf der Verkaufsliegenschaft nicht mehr sorgen, seine Verpflichtungen aus der mehrseitigen Treuhand gegenüber der Bank also nicht mehr erfüllen konnte, war er nämlich verpflichtet, der Bank den Treuhanderlag rückzuerstatten. So hat auch das Landesgericht Eisenstadt seine gegenüber dem Treuhänder klagsstattgebende Entscheidung begründet. Damit fiel aber auch das Kreditverhältnis zwischen Bank und beklagter Liegenschaftskäuferin jedenfalls im Umfang der erbrachten Leistung weg; eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Bank besteht insoweit nicht mehr; dass dies offensichtlich auch der Standpunkt der Kreditgeberin sein dürfte, wurde bereits dargestellt (1.). Da nun mangels Vorhandenseins des Treuhanderlags der Treuhänder der Bank gegenüber dafür einzustehen hatte, ist die Beklagte bereichert. Dies rechtfertigt im Sinne der erwähnten Entscheidungen des 8. Senats eine zumindest analoge (Wilhelm aaO) Anwendung des § 1358 ABGB.
3. Die Beklagte hat das Klagebegehren der Höhe nach lediglich unsubstanziiert bestritten; das Erstgericht hat auch die von der Klägerin an die Kreditgeberin geleistete Zahlung in Höhe des Klagsbetrags festgestellt. Damit war aber das klagsstattgebende Ersturteil wiederherzustellen.
4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.
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