OGH 6Ob2206/96x

OGH6Ob2206/96x30.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Philipp R*****, geboren 19.7.1989, und Julia R*****, geboren 30.8.1993, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein, Referat für Jugendwohlfahrt, als Unterhaltssachwalterin, infolge Revisionsrekurses der Unterhaltssachwalterin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 9.Mai 1996, GZ 52 R 66/96b-49, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 26. März 1996, GZ 1 P 1045/95p-38, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden Minderjährigen sind eheliche Kinder des Claus und der Bettina R*****. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 18.10.1995, 1 C 104/95h, geschieden. Die Eltern kamen überein, die Obsorge der Mutter zu überlassen, die sie in ihrem Haushalt betreut. Da sich der Vater seit 8.4.1995 in U-Haft befand, vereinbarten die Eltern, daß die Festsetzung des väterlichen Unterhaltsbetrages erst nach seiner Haftentlassung erfolgen solle.

Die Mutter ist vermögenslos. Sie bezieht Sondernotstandshilfe von 3.645 S und Sozialhilfe in nicht festgestellter Höhe. Zur Bestreitung des Unterhalts der beiden Minderjährigen wird sie von ihrer Mutter mit monatlichen Zahlungen von insgesamt 3.000 S unterstützt. Die Minderjährigen verfügen weder über Einkünfte noch über Vermögen. Seit 1.4.1995 werden Unterhaltsvorschüsse in nachstehender Höhe gewährt:

Vom 1.4.1995 bis 31.12.1995 2.558 S für Philipp und 1.279 S für Julia, ab 1.1.1996 2.617 S für Philipp und 1.309 S für Julia.

Der Vater betrieb seit 1989 einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Er verzeichnete in allen Geschäftsjahren Verluste, die er durch ständig Aufnahme neuer Kredite abdeckte. Über seinen Antrag vom 18./19.11.1993 wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.11.1993, S 162/93-2, der Konkurs eröffnet. Zur Vermeidung eines weiteren Forderungsausfalls der Gläubiger wurde mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 6.12.1993 die Schließung des gemeinschuldnerischen Unternehmens bewilligt. Im Konkurs wurden Forderungen von über 20,000.000 S angemeldet, die zum überwiegenden Teil unbestritten blieben. Demgegenüber betrug der Stand der Konkursmasse im Dezember 1994 832.351,56 S. Für die Konkursgläubiger ist nur eine geringe Quote zu erwarten.

Der Vater finanzierte seinen Lebensunterhalt durch Kredite sowie durch strafbare Handlungen. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.11.1995, 26 Vr 301/95, 26 Hv 109/95-102, wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB, der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB sowie wegen der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Er befindet sich seit 8.4.1995 in Haft. Vor seiner Verhaftung verdiente er an Provisionen 2.150 DM netto.

Am 1.2.1996 beantragte die Unterhaltssachwalterin, den väterlichen Großvater ab 8.4.1995 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.500 S je Kind zu verpflichten. Die Mutter sei nicht imstande, den Unterhalt der Minderjährigen zu bestreiten und könne im Hinblick auf das Alter der mj.Julia auch keiner Beschäftigung nachgehen. Bei Bemessung der Unterhaltsleistung der Großeltern sei von den Lebensverhältnissen der Kindeseltern vor Eintritt der Leistungsunfähigkeit, somit von den luxuriösen Verhältnissen der Familie vor der Verhaftung des Vaters auszugehen. Die "Luxus-Obergrenze" betrage nach herrschender Rechtsprechung das Zweieinhalbfache des Regelbedarfsbetrages und könne durch die Mutter nicht erreicht werden.

Der väterliche Großvater lehnte eine Unterhaltsleistung ab. Die Unterhaltsvorschüsse entsprächen dem Regelbedarfssatz der heranzuziehenden Altersgruppen. Die Inhaftierung des Vaters habe eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse durch Verschlechterung der Einkommens- und Vermögenssituation bewirkt, so daß nicht mehr auf die Situation vor Inhaftierung abgestellt werden könne. Der luxuriöse Lebenswandel der Familie sei überdies durch strafbare Handlungen finanziert worden. Der Kindesvater habe schon vor seiner Inhaftierung nur mehr 15.000 S monatlich verdient. Die gewährten Unterhaltsvorschüsse gingen der Unterhaltspflicht der Großeltern vor. Auch sei die Kindesmutter verpflichtet, die bezogene Familienbeihilfe für den Kindesunterhalt zu verwenden, so daß der Regelbedarf jedenfalls gedeckt werden könne.

Das Erstgericht wies den Antrag der Unterhaltssachwalterin zur Gänze ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Unterhaltssachwalterin nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da zur Frage, auf welche Lebensverhältnisse der Eltern nach Eintritt der Erwerbs- bzw Teilerwerbsunfähigkeit bei der Bestimmung der subsidiären Unterhaltspflicht der Großeltern Bedacht zu nehmen ist, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Das Rekursgericht verneinte eine subsidiäre Unterhaltspflicht des Großvaters mit der wesentlichen Begründung, eine Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des primär Unterhaltspflichtigen sei auch bei Bestimmung der Unterhaltspflicht der Großeltern zu berücksichtigen. Diese habe sich nach dem für die Minderjährigen notwendigen Unterhalt zu richten. Die ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse zuzüglich der Familienbeihilfe überstiegen die für die heranzuziehenden Altersgruppen errechneten Regelbedarfssätze beträchtlich, so daß eine subsidiäre Unterhaltspflicht des Großvaters nicht zum Tragen komme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Unterhaltssachwalterin ist nicht berechtigt.

Gemäß § 141 ABGB schulden die Großeltern den Unterhalt nach den den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnissen des Kindes, soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhalts nicht imstande sind. Dabei gilt § 140 ABGB sinngemäß.

Die Verweisung auf § 140 ABGB betrifft Fragen der Bemessung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten, wie auch der den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Leistung (Pichler in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 141), wobei die zu deckenden Bedürfnisse des Kindes den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen sein müssen (Pichler in Rummel aaO Rz 3 zu § 141, Rz 5 zu § 140). Wesentliche Änderungen der Verhältnisse, die die Bedürfnisse des Kindes oder die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten beeinträchtigen, bedingen aufgrund der bei allen gesetzlichen Unterhaltspflichten anzuwendenden Umstandsklausel eine neue Festsetzung des Unterhalts (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung 132 f; Schwimann, Unterhaltsrecht 61). Relevante Umstandsänderungen bilden zB Einkommensminderungen wegen länger als zweimonatiger Untersuchungshaft (JBl 1992, 109 sowie auch Einkommensminderungen um mindestens 8 % (Schwimann aaO 62). In diesen Fällen muß sich der Unterhaltsberechtigte eine Herabsetzung der ihm davor zukommenden Unterhaltsleistung gefallen lassen.

Nichts anderes kann aber im gegenständlichen Fall gelten. Die Minderjährigen haben nicht etwa Anspruch auf Aufrechterhaltung der davor durch strafbare Handlungen des Vaters finanzierten allenfalls "luxuriösen" Lebensverhältnisse auf Kosten des subsidiär unterhaltsverpflichteten Großvaters. Der Unterhalt hat sich nach den Bedürfnissen von Kindern ihres Alters im allgemeinen und den Lebensverhältnissen der Eltern zu richten. Es ist somit der "Regelbedarf", und nicht wie die Unterhaltssachwalterin meint, ein "Luxusbedarf" als Orientierungsgröße heranzuziehen. Weitere Umstände, die (abgesehen vom allenfalls davor gegebenen Luxus) über den Durchschnittsbedarf hinausgehende Unterhaltsleistungen erforderlich machen könnten, wurden nicht geltend gemacht.

Der Unterhaltsbeitrag des Vaters wird durch die nach § 4 Z 3 iVm § 6

(2) Z 1 und 2 UVG während der Haft gewährten Unterhaltsvorschüsse substituiert (SZ 63/219; 1 Ob 531/95). Die Mutter bezog vom 1.4.1995 bis 31.12.1995 für Philipp 2.558 S und für Julia 1.279 S und ab 1.1.1996 für Philipp 2.617 S und für Julia 1.309 S.

Großeltern sind nur dann (subsidiär) zum Unterhalt verpflichtet, wenn und soweit die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Kindesunterhaltes nicht imstande, somit leistungsunfähig sind. Bloße Schwierigkeiten bei der Unterhaltshereinbringung, in welchen Fällen das Kind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz beziehen kann (Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 141; Purtscheller/Salzmann aaO Rz

60) rechtfertigen eine Inanspruchnahme der Großeltern nicht. Deren subsidiäre Unterhaltspflicht tritt nur ein, wenn und soweit die Kindeseltern erwerbsunfähig bzw trotz Anspannung nicht in der Lage sind, den Unterhalt zu leisten (SZ 51/110).

Reichen die nach § 4 Z 3 UVG gewährten Vorschußleistungen nicht aus, den erforderlichen, durchschnittlichen Kindesunterhalt abzudecken, wäre der das Kind betreuende Elternteil noch vor den Großeltern in Anspruch zu nehmen (Pichler aaO Rz 10 zu § 140; Schwimann aaO 21). Er wäre gegebenenfalls auch anzuspannen, wobei Betreuungspflichten für Kleinkinder berücksichtigt werden müssen (Purtscheller/Salzmann aaO 258; 4 Ob 505/95).

Die Mutter bezieht monatlich neben Unterhaltsvorschüssen von gesamt 3.837 S für 1995 bzw 3.926 S für 1996 Sondernotstandshilfe von 3.645 S, Beiträge der Großmutter von 3.000 S und Sozialhilfe in nicht festgestellter Höhe. Bei Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit und der subsidiären Leistungsfähigkeit des Großvaters ist neben der Sondernotstandshilfe, der Sozialhilfe und dem von ihrer Mutter erhaltenen Betrag auch die Familienbeihilfe zu berücksichtigen (SZ 54/52; 4 Ob 505/95).

Die vom betreuenden Elternteil bezogene Familienbeihilfe gilt nach § 12a FLAG nicht als eigenes Einkommen des Kindes. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird, um die Last dieser Betreuung (wenigstens teilweise) abzugelten. Sie hat daher den Charakter einer Betreuungshilfe, soll die Pflege und Erziehung als Zuschuß erleichtern und die damit verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - ausgleichen (JBl 1995, 372 mwN). Als Einkommensbestandteil des Bezugsberechtigten muß sie daher der Bemessung seiner Unterhaltsleistung zugrundegelegt werden (4 Ob 505/95; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 229; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 12 b zu § 140).

Bei Berücksichtigung des monatlichen Einkommens der Mutter, welches ohne die ziffernmäßig nicht festgestellte Sozialhilfe 9.245 S beträgt, ist ihr ein Beitrag zum Kindesunterhalt durchaus zumutbar. Unter den gegebenen Lebensverhältnissen der Eltern (der Vater verdiente zuletzt 15.000 S monatlich) ist daher die Alimentation der Unterhaltsberechtigten durch den gewährten Unterhaltsvorschuß und den gegen die Mutter bestehenden Anspruch gesichert. Die subsidiäre Unterhaltspflicht des väterlichen Großvaters kommt deshalb nicht zum Tragen.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte