Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht bestellte für die im Firmenbuch seit 20. 12. 2000 eingetragene Privatstiftung gemäß § 22 PSG einen aus vier Personen bestehenden Aufsichtsrat. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Am 15. 12. 2000 erklärten die B***** AG (FN 150714p) und die C***** AG (FN 147551m), beide als Stifterinnen, die B ***** Privatstiftung auf unbestimmte Zeit zu errichten. Zweck der Privatstiftung soll die sorgfältige Verwaltung des Vermögens der Privatstiftung, die Sicherung des wirtschaftlichen Fortbestandes und des Wachstums jener Unternehmen, an denen die Privatstiftung unmittelbar und mittelbar Beteiligungen hält oder erwirbt, sowie die Förderung des österreichischen Unternehmertums sein.
Artikel VI der Stiftungsurkunde lautet:
„1. Begünstigte dieser Privatstiftung sind die Aktionäre der B***** AG nach Maßgabe ihrer Aktienbeteiligungen an der B***** AG. Den Begünstigten steht kein Rechtsanspruch auf Zuwendungen durch die Privatstiftung zu. Den Begünstigten sollen grundsätzlich keine laufenden Zuwendungen aus der Privatstiftung gemacht werden, sofern nicht außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen. Die Privatstiftung soll grundsätzlich ihre Gewinne zur Förderung von Unternehmenserweiterungen und -neugründungen investieren. Dabei wird regelmäßig die Gründung oder der Erwerb von Gesellschaften und Beteiligungen oder der Erwerb von Genussrechten an ihren Tochtergesellschaften in Betracht kommen.
2. Die Rechte der Begünstigten gemäß § 30 PSG werden durch einen Begünstigtenausschuss wahrgenommen, der aus je einem Vertreter von denjenigen Aktionären der B***** AG besteht, die jeweils zu den letzten drei Bilanzstichtagen der B***** AG jeweils mit mindestens 5 % Grundkapital als Aktionäre beteiligt sind.
3. Letztbegünstigte sind sämtliche Aktionäre der B***** AG, und zwar im Verhältnis ihrer Aktienbeteiligungen an der B***** AG."
Artikel VIII der Stiftungsurkunde lautet:
„1. Der Vorstand besteht aus drei Vorstandsmitgliedern.
2. Die Privatstiftung wird durch je zwei bestellte Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten.
3. Zum ersten Vorstand werden von den Stiftern nachstehende Personen bestellt:
a) Dr. Wolfgang H*****, ...
b) Dkfm. Gerhard R*****, ...
c) Dr. Wolfgang H*****, ...."
Gemäß Punkt IX. der Stiftungsurkunde sind die Vorstandsmitglieder auf unbestimmte Zeit bestellt.
Punkt XI der Stiftungsurkunde lautet:
„Aufsicht über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften.
1. Der Vorstand hat über die jeweiligen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der Privatstiftung die Aufsicht auszuüben. Der Vorstand hat sicherzustellen, dass in den der Privatstiftung gehörigen direkten Tochtergesellschaften ein Beirat oder Aufsichtsrat eingerichtet wird, dem alle Mitglieder des Vorstandes und bis zu zwei weitere Mitglieder angehören, und dass der Vorsitzende des Vorstandes zum Vorsitzenden des Beirates oder des Aufsichtsrates mit Dirimierungsrecht bestellt wird.
2. Der Vorstand hat weiters sicherzustellen, dass diesen Beiräten oder Aufsichtsräten jedenfalls das Zustimmungsrecht zu folgenden Maßnahmen zusteht:
a) Für den Erwerb, die Veräußerung oder Belastung von Beteiligungen, sowie für Kapitalerhöhungen und weiters für andere Maßnahmen (wie zB Fusion, Spaltung, Umwandlung), durch die in der Tochter- und Beteiligungsgesellschaft eine Anteilsverschiebung eintritt;
b) für den Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Liegenschaften;
c) für die Begebung von Anleihen und die Aufnahme von Darlehen und Krediten;
d) für die Gewährung von Darlehen und Krediten sowie für die Zeichnung von Anleihen.
3. Der Vorstand hat weiters sicherzustellen, dass die Zustimmungskompetenz zur Bestellung und Abberufung von Organen und die Zustimmungskompetenzen gemäß § 2 lit a bis d des Beirates oder des Aufsichtsrates auch für von direkten Tochtergesellschaften gehaltenen unmittelbaren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften gelten und entsprechende Geschäftsordnungen beschlossen werden, sofern diese Maßnahme durch die Haupt-, General- oder Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaften zu beschließen sind. Ist eine von den direkt gehaltenen Tochtergesellschaften gehaltene Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft eine Holdinggesellschaft, ist diese Zustimmungskompetenz auch für die von dieser Holdinggesellschaft gehaltenen unmittelbaren operativen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sicherzustellen. Dies gilt auch für mehrstöckige Holdingbeteiligungen. Für alle unmittelbaren oder mittelbaren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der Privatstiftung hat der Vorstand im gesetzlichen möglichen Umfang vorzukehren, dass der Beirat oder Aufsichtsrat mit allen für die Privatstiftung bedeutenden Maßnahmen zu befassen ist.
4. Der Vorstand kann in den Geschäftsordnungen für diese Beiräte angemessene Betragsgrenzen für diese Zustimmungsvorbehalte festsetzen und hat diese Zustimmungsvorbehalte auch in den mittelbaren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften festsetzen zu lassen."
Punkt XIV der Stiftungsurkunde lautet:
„Änderungen der Stiftungserklärung durch die Stifter sind nach Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch ausgeschlossen."
Punkt XV der Stiftungsurkunde lautet:
„1. Der Widerruf dieser Privatstiftung durch die Stifter ist ausgeschlossen.
2. Die Privatstiftung kann durch einstimmigen Beschluss des Stiftungsvorstandes aufgelöst werden, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Privatstiftungen den Stiftungszweck im Wesentlichen unmöglich machen."
Die B ***** Privatstiftung ist alleinige Gesellschafterin der B ***** Holding GmbH (FN 171802a). Der Gesellschaftsvertrag dieser GmbH wurde zuletzt durch Generalversammlungsbeschluss vom 27. 12. 00 abgeändert. § 4 Abs 5 des Gesellschaftsvertrages in dieser Fassung lautet:
„Die Geschäftsführer haben insbesondere für nachstehende Geschäfte und Maßnahmen im Vorhinein einen zustimmenden Beschluss des Beirats, falls ein solcher jedoch nicht bestellt ist, einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafter einzuholen:
a) Für den Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Beteiligungen und Unternehmen einschließlich der Einräumung von Vorerwerbsrechten, sowie für die Gründung von Gesellschaften und für Kapitalerhöhungen;
b) für andere Maßnahmen (wie zB Fusion, Spaltung, Umwandlung), durch die in Tochter- und Beteiligungsgesellschaften eine Anteilsverschiebung eintritt;
c) für den Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Liegenschaften, sofern die Anschaffungskosten EUR 250.000 im Einzelfall oder insgesamt EUR 1 Mio im Geschäftsjahr übersteigen;
d) für die Begebung von Anleihen und für die Aufnahme von Darlehen und Krediten, deren Höhe im Einzelnen EUR 250.000 oder insgesamt EUR 1 Mio im Geschäftsjahr übersteigt, sofern sie nicht im genehmigten Jahresbudget enthalten waren, und für die Begebung von Genussrechten;
e) für die Gewährung von Darlehen und Krediten sowie für die Zeichnung von Anleihen, wenn ein Betrag von EUR 250.000 im Einzelfall oder insgesamt EUR 1 Mio im Geschäftsjahr überschritten wird;
f) für die Bestellung und Abberufung von Prokuristen in der Gesellschaft sowie aller Organmitglieder in unmittelbaren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, wenn die Bestellung des jeweiligen Organs in die Kompetenz einer General-, Gesellschafter- oder Hauptversammlung fällt, es sei denn, es steht einem Dritten ein syndikatsvertragliches Norminierungsrecht in diesen Gesellschaften zu und - unter denselben Voraussetzungen - für die Bestellung und Abberufung aller Organmitglieder in mittelbaren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der ersten operativen Ebene, wenn diese Beteiligung über eine oder mehrere Holdinggesellschaften vermittelt wird;
g) für die Entscheidungen und Maßnahmen, welche bei der B ***** Holding GmbH selbst der Zustimmung des Beirats bedürfen, in unmittelbaren oder mittelbaren Holdingtochter- und Holdingbeteiligungsgesellschaften sowie für Entscheidungen und Maßnahmen gemäß Punkt a bis e (Einzelbudget der Obergesellschaft und Konzernbudget) in unmittelbaren operativen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften und in unmittelbaren operativen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften von Holdingtochter- und Holdingbeteiligungsgesellschaften der Gesellschaft, sofern in diesen operativen Gesellschaften kein Aufsichtsrat besteht und/oder die Haupt-, General- oder Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaft darüber beschließt. Besteht in derartigen operativen Tochtergesellschaften ein Aufsichtsrat, ist sicherzustellen, dass für alle Entscheidungen und Maßnahmen, welche bei der B ***** Holding GmbH selbst der Zustimmung des Beirats bedürfen, eine Zustimmungskompetenz des Aufsichtsrates dieser Gesellschaft besteht;
h) für die Entscheidung in einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft, für die eine Beiratszuständigkeit gemäß Punkt g besteht, einen Aufsichtsrat einzurichten."
§ 5 des Gesellschaftsvertrages der B ***** Holding GmbH lautet:
„1. In der Gesellschaft ist ein Beirat einzurichten, der aus höchstens fünf Mitgliedern besteht. Besitzt ein Genussrechtsinhaber allein oder gemeinsam mit nach § 228 Abs 3 HGB verbundenen Unternehmen mehr als die Hälfte der von der Gesellschaft ausgegebenen Genussrechte, so ist er berechtigt, ein Mitglied in den Beirat in Anrechnung auf diese Höchstzahl an Beiratsmitgliedern zu entsenden. Durch Gesellschafterbeschluss kann für den Beirat eine Geschäftsordnung erlassen werden, die die nachfolgenden Organisationsregeln des Beirates ergänzt. ...
6. Falls kein Beirat eingerichtet ist, sind die in den Absätzen 2 bis 4 den Geschäftsführern auferlegten Pflichten anstelle des Beirates gegenüber den Gesellschaftern oder dem Alleingesellschafter zu erfüllen."
Geschäftsführer der B ***** Holding GmbH sind Karl S***** und Dr. Walter L*****, Prokurist ist Mag. Robert H*****.
Die B ***** Holding GmbH hält per 24. 3. 2005 eine Reihe von Firmenbeteiligungen.
Zumindest bei der L***** AG, der S***** AG Holding, der I***** und der W***** waren bis Dezember 2004 regelmäßig mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Dezember 2004 wurde die W***** veräußert.
Im Geschäftsjahr 2002 waren folgende Personen Mitglieder des Beirates:
Dr. Wolfgang H*****, Dkfm. Gerhard R*****, Dr. Wolfgang H*****, Karl S*****, Dr. Elisabeth S*****. Nunmehr sind Mitglieder des Beirates: Dr. Wolfgang H*****, Dkfm. Gerhard R*****, Dr. Wolfgang H*****, Dr. Erich H***** und Dkfm. Herbert H*****.
Im Jahr 2002 waren durchschnittlich bei den angeführten Gesellschaften 4372 Arbeiter und 1851 Angestellte, also 6223 Arbeitnehmer beschäftigt.
Dkfm. Gerhard R***** war Vorsitzender des Aufsichtsrates und Vorstandsmitglied der B***** AG. Karl S***** war ebenfalls Vorstandsmitglied der B***** AG.
Die Rechtsanwälte Dr. Elisabeth S***** und Dr. Wolfgang H***** vertreten regelmäßig die B***** AG, die B ***** Privatstiftung rechtsfreundlich.
Dkfm. Gerhard R***** ist nunmehr Vorstandsmitglied der B*****, der Mehrheitsaktionärin der B***** AG.
Der Umsatz der B ***** Holding betrug 2002 im Konzern EUR 966,005.985.
Die B ***** Privatstiftung und die B ***** Holding GmbH haben beide ihren Firmensitz in 1010 Wien, G***** 19.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus: Gemäß § 22 Abs 1 Z 2 PSG sei ein Aufsichtsrat zu bestellen, wenn die Privatstiftung inländische Kapitalgesellschaften einheitlich leite (§ 15 Abs 1 AktG) oder aufgrund einer unmittelbaren Beteiligung von mehr als 50 % beherrsche und in beiden Fällen die Anzahl der Arbeitnehmer dieser Gesellschaften im Durchschnitt 300 übersteige und sich die Tätigkeit der Privatstiftung nicht auf die Verwaltung von Unternehmensanteilen der beherrschten Unternehmen beschränke. Die Privatstiftung räume selbst ein, dass sie Mehrheitsbeteiligungen an drei Aktiengesellschaften und einer GmbH halte. Gemäß § 15 Abs 1 AktG bildeten rechtlich selbständige Unternehmen, die zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst seien, einen Konzern. Eine einheitliche Leitung setze Weisungsbefugnis voraus. Ob diese tatsächlich ausgeübt werde, sei nicht von Relevanz. Nur bei Gleichordnungskonzernen sei eine tatsächliche einheitliche Leitung erforderlich. In der Entscheidung 16 Ok 20/02 = GesRZ 2003, 170 habe der Oberste Gerichtshof zu dem Konzernbegriff des § 41 Abs 3 KartG ausgesprochen, dass auf die bloße Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme abzustellen sei. § 15 Abs 1 AktG sei nicht zu entnehmen, dass eine tatsächliche einheitliche Leitung vorliegen müsse. Nach den Bestimmungen der Stiftungsurkunde und des Gesellschaftsvertrags habe der Vorstand der Privatstiftung ein festgelegtes Leitungsrecht. Dass auch eine tatsächliche einheitliche Leitung vorliege ergebe sich daraus, dass Dkfm. Gerhard R***** sowohl Stiftungsvorstand als auch Beiratsmitglied der B ***** Holding sei. Gleiches gelte für Dr. Wolfgang H*****. Aus dem Bescheid der Übernahmekommission GZ 2001/1/2-26 gehe hervor, dass die Übernahmekommission der Ansicht sei, dass es sich bei der Privatstiftung und dem ihr gehörigen Konzern um ein unabhängiges Unternehmen handle. In einem von der Privatstiftung vorgelegten Rechtsgutachten habe Univ. Prof. Dr. Susanne Kalss die Rechtsmeinung vertreten, dass es auf die tatsächliche konkrete Umsetzung einer einheitlichen Leitung ankomme. Dieser Ansicht sei nicht zu folgen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Privatstiftung nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Bestellung eines Aufsichtsrats für die Privatstiftung nicht eine tatsächlich ausgeübte einheitliche Leitung des Konzerns voraussetze, sondern schon bei der bloßen Möglichkeit der einheitlichen Leitung erfolgen müsse. Dies ergebe sich schon aus der wörtlichen Auslegung des Gesetzes. Aus dem Beherrschungstatbestand sei ein weites Verständnis des Begriffs der „einheitlichen Leitung" abzuleiten. Dafür sprächen auch telelogische Überlegungen. Der Verweis des § 22 Abs 1 Z 2 PSG auf § 15 Abs 1 AktG dürfe nicht isoliert gesehen werden. § 15 AktG enthalte nicht zwei verschiedene Tatbestände. § 15 Abs 2 AktG sei eine authentische Interpretation eines Anwendungsfalls der einheitlichen Leitung. Bei der Auslegung des § 15 Abs 1 AktG sei auf § 15 Abs 2 AktG Bedacht zu nehmen. In der Literatur zum Privatstiftungsrecht werde die Aufsichtsratspflicht der Stiftung nicht näher erörtert. Nach Arnold (PSG) definiere weder das PSG noch das AktG oder das GmbHG den Begriff der einheitlichen Leitung. Grundvoraussetzung sei es, dass die maßgeblichen Entscheidungen tatsächlich nach den geschäftlichen Vorstellungen der Muttergesellschaft getroffen werden. Nach Wessely (in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 22 Rz 6) genüge für die Aufsichtsratspflicht zwar nicht die bloße Möglichkeit einer einheitlichen Leitung. Die Autorin räume jedoch ein, dass das Mindesterfordernis an Koordination „unklar" sei. Doralt (in Doralt/Kalss/Nowotny) weise überzeugend darauf hin, dass die Diskussion im Schrifttum der Realität des modernen Konzernlebens nicht Rechnung trage. Das wesentliche Element für die Leitung sei nur die in wenigen Fällen umgesetzte Möglichkeit und Befugnis zur Entscheidung durch die Konzernleitung. Die faktisch bestehende Möglichkeit, Entscheidungen auch gegen den Willen eines Konzernmitgliedes durchzusetzen, sei für das Entstehen des Konzerns ausreichend. Die latent vorhandene Konzernleitungsmacht werde die Manager der Konzernmitgliedsgesellschaften ganz ohne tatsächlich ausgeübte Leitungsmacht zu einem Verhalten veranlassen, wie es die Konzernleitung wünsche. Dies relativiere den Unterschied zwischen beherrschendem Einfluss und tatsächlicher Leitung. Im Hinblick auf die festgestellte enge Personenverflechtung zwischen dem Vorstand der Stiftung und den Beiräten der von der Stiftung beherrschten Gesellschaften liege eine unmittelbare einheitliche Leitung und nicht bloß eine Leitungsmöglichkeit durch den Stiftungsvorstand vor. Personelle Verflechtungen seien ein Mittel der einheitlichen Leitung. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgte, so ergäbe sich eine Aufsichtsratspflicht hier aber schon aus der bloßen Möglichkeit der einheitlichen Leitung. Dafür spreche schon der enge Zusammenhang zwischen § 15 Abs 1 und 2 AktG. Zweck der Aufsichtsratspflicht sei die Wahrung der Arbeitnehmermitbestimmung. Die maßgeblichen Entscheidungen werden im Konzern schon im „Vorfeld", also auf der Ebene der Konzernleitung, getroffen und von den beherrschten Unternehmen dann nur faktisch umgesetzt. Schon deshalb müsse die Aufsichtsratspflicht „tendenziell eher weit verstanden werden". Für das gefundene Ergebnis sprächen auch verfahrensrechtliche Erwägungen. Ob eine Stiftung aufsichtsratspflichtig sei müsse schon im Zeitpunkt der Firmenbucheintragung beurteilbar sein. Die Frage müsse normaler Weise nach Urkunden beurteilt werden. Eine Überprüfung, welche Leitungstätigkeit die Stiftung tatsächlich ausübe, würde das Firmenbuchverfahren „regelmäßig überfrachten". Eine Aufsichtsratsbestellung käme in vielen Fällen zu spät. Die Frage der Aufsichtsratspflicht müsse im - üblicher Weise auf Urkundenbeweise beschränkten - Eintragungsverfahren zu klären sein. Auch aus dem Umfang der Prüfungsbefugnis eines Aufsichtsrats nach § 25 Abs 2 PSG sei nichts anderes abzuleiten. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sei der Aufgabenbereich des Stiftungsaufsichtsrats weiter gezogen als bei Kapitalgesellschaften.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage der Aufsichtsratspflicht einer Privatstiftung liege noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Privatstiftung die Abänderung dahin, dass festgestellt werde, dass die Privatstiftung nicht aufsichtsratspflichtig sei sowie die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der vier Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig. Das Rechtsmittel ist im Sinne seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.
I. Die Auslegung des Konzernbegriffs im Sinne der Verweisungsbestimmung des § 22 Abs 1 Z 2 PSG ist entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die Privatstiftung als Konzernspitze angesehen werden kann und sie deshalb einen Aufsichtsrat haben muss. Zu fragen ist, ob durch den Verweis im § 22 PSG auf § 15 Abs 1 AktG schon klargestellt ist, dass (nur) vom gesellschaftsrechtlichen Begriff des Aktienrechts auszugehen ist. Die Frage ist zu verneinen:
1. § 15 Abs 1 AktG (gleichlautend § 115 Abs 1 GmbHG) definiert den Konzern als Zusammenfassung von rechtlich selbständigen Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Für das Vorliegen eines Konzerns reicht nach § 15 Abs 2 AktG aber schon ein beherrschender Einfluss: Steht ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf Grund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens, so gelten das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen. Auf diesen Tatbestand verweist § 22 Abs 1 PSG aber gerade nicht und normiert die Aufsichtsratspflicht der Privatstiftung als Konzernspitze für den Fall, dass die Privatstiftung inländische Kapitalgesellschaften „aufgrund einer unmittelbaren Beteiligung von mehr als 50 % beherrscht und in beiden Fällen die Anzahl der Arbeitnehmer dieser Gesellschaften im Durchschnitt 300 übersteigt und sich die Tätigkeit der Privatstiftung nicht nur auf die Verwaltung von Unternehmensanteilen der beherrschten Unternehmen beschränkt". Der in § 15 Abs 2 AktG erwähnte mittelbar beherrschende Einfluss ist in der Formulierung des Beherrschungstatbestands des § 22 PSG nicht enthalten. Es wird noch zu erörtern sein, ob diesem Umstand bei der Auslegung des im Gesetz nicht definierten Begriffs der „einheitlichen Leitung" Bedeutung zukommt.
2. Der Konzernbegriff und seine Auslegung im Zusammenhang mit einer Gesetzesbestimmung, die ebenfalls auf § 15 AktG verweist, war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht vom 10. 3. 2003, 16 Ok 20/02 = GesRZ 2003, 170. Gemäß § 41 Abs 3 KartG liegt ein der Fusionskontrolle unterliegender Unternehmenszusammenschluss vor, wenn alle beteiligten Unternehmen einem Konzern (§ 15 AktG, § 115 GmbHG) angehören. § 41 KartG verweist also auch auf die Beherrschungstatbestände des Gesellschaftsrechts, die eine bloß mittelbare Beherrschung normieren. In der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht ging es um den geplanten Erwerb von 100 % der Aktien der österreichischen Postbus AG durch die ÖBB, der für sich allein den Zusammenschlusstatbestand des § 41 Abs 1 Z 3 KartG bildete. Auch dort war entscheidungswesentlich die Frage, ob ein Konzern schon bei bloßer Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme auf das Tochterunternehmen zu bejahen sei oder ob hiefür tatsächliche Einflussnahme nötig sei. Nach einer ausführlichen Darstellung der im österreichischen Schrifttum zum gesellschaftsrechtlichen Konzernbegriff vertretenen Ansichten gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass mit dem Konzernbegriff des § 15 AktG ein existentes wirtschaftliches Phänomen erfasst worden sei, das die Gefahr beinhaltet habe, dass gesellschaftsfremde Interessen verfolgt und schützenswerte Interessen (Minderheitsgesellschafter) beeinträchtigt werden. Historisch gesehen sei der Konzernbegriff des § 15 AktG der Älteste. Der gesellschaftsrechtliche Konzernbegriff schaffe keine Organisation, sondern erfasse nur das Phänomen des Konzerns und beschreibe die wesentlichen Erscheinungsformen dieses Phänomens. Der Begriff sei nach dem Zweck der jeweiligen inhaltlichen Regelungen zu gewichten und auszulegen. Markant sei auch, dass im Rahmen der neueren Gesetzgebung bei der Erfassung des Konzernproblems regelmäßig schon die bloße Beherrschungsmöglichkeit ausreiche (§ 244 HGB; § 22 Abs 2 ÜbernahmeG; § 92 Z 2 BörseG; § 30 BWG). In der Sache selbst stellte der Oberste Gerichtshof eine unterschiedliche Zielrichtung der gesellschaftsrechtlichen Konzernregelung (Schutz des beherrschten Unternehmens, der Aktionäre und der Gläubiger) und derjenigen nach Kartellrecht (präventive Wahrung des allgemeinen Interesses an der Aufrechterhaltung einer den Wettbewerb fördernden Marktstruktur) fest.
Den Ausführungen zum „methodischen Ansatz" bei der Interpretation des Konzernbegriffs und des diesem innewohnenden, gesetzlich nicht definierten Begriffs der „einheitlichen Leitung" schließt sich der erkennende Senat für die hier zu beurteilende Konzernbildung nach dem PSG an. Es genügt nicht die reine Wortinterpretation, die auf eine tatsächlich ausgeübte Leitung der Tochter- oder Enkelgesellschaften hinweisen mag. Der im Privatstiftungsrecht vom Gesetzgeber bei der Aufsichtsratspflicht verfolgte Zweck, also vornehmlich die Ermöglichung der Arbeitnehmermitbestimmung, ist bei der Auslegung ebenso einzubeziehen wie ganz allgemeine Erwägungen zur Zulässigkeit von Privatstiftungen als Konzernspitze.
II. Zu dem von der Privatstiftung vorgelegten Rechtsgutachten des Univ. Prof. Dr. H. Krejci:
Der Verfasser hält eine Prüfung des Beherrschungstatbestands des § 22 Abs 1 Z 2 zweiter Fall PSG für entbehrlich, weil die Privatstiftung an den Enkelgesellschaften nicht unmittelbar beteiligt sei und weder die Privatstiftung selbst noch die Holding Gesellschaft hier über die erforderliche Arbeitnehmerzahl verfüge. Dass eine bloß mittelbare Beteiligung eine Aufsichtsratspflicht der Privatstiftung begründen könne, werde von niemandem behauptet. Dieser Ansicht kann zwar bezogen auf den zweiten Fall des § 22 Abs 1 Z 2 PSG (den Beherrschungstatbestand) durchaus gefolgt werden, weil § 22 PSG anders als § 15 Abs 2 AktG einen mittelbar beherrschenden Einfluss nicht anführt. Die Gründe hiefür sind allerdings zu hinterfragen. Krejci lässt offen, warum nicht in der Zwischenschaltung einer gegenüber der Obergesellschaft (hier der Privatstiftung) weisungsgebundenen und völlig abhängigen Holding-Gesellschaft nicht eine einheitliche, wenn auch nur mittelbar ausgeübte Leitung der Enkelgesellschaften erblickt werden darf.
In den weiteren Ausführungen vertritt der Rechtsgutachter die Ansicht, dass bei der Auslegung des Konzernbegriffs nicht allein die „aktienrechtliche Diskussion" über einen engen oder weiten Konzernbegriff entscheidend sei. Beim stiftungsrechtlichen Konzern gehe es ebenfalls um eine wirtschaftliche Einheit, auch wenn in § 22 Abs 1 Z 2 PSG die Zusammenfassung zu „wirtschaftlichen Zwecken" nicht ausdrücklich erwähnt sei. Aus dem Verbot der gewerbsmäßigen Tätigkeit von Privatstiftungen und dem Verbot der Geschäftsführung in Handelsgesellschaften (§ 1 Abs 2 Z 1 und 2 PSG) ergäbe sich das Verständnis eines engen Konzernbegriffs. Eine straffe Konzernführung durch die Privatstiftung sei unzulässig. Im Folgenden untersucht Krejci die Mindestanforderungen des Tatbestands der einheitlichen Konzernleitung, die aus Planung, Durchführung (Organisation) und Kontrolle bestehe. Hauptentscheidungsbereiche seien Finanz-, Personal-, Investitions-, Produktions- und Absatzpolitik. Wer lediglich Organwalter von Tochterunternehmen bestelle und Gesellschafterrechte ausübe (Grundlagengeschäfte und Gewinnverteilungsbeschlüsse) leite das Tochterunternehmen noch nicht einheitlich. Die herrschende Meinung im Schrifttum folge dem Gesetzeswortlaut. Danach müsse für die Aufsichtsratspflicht einer Privatstiftung eine einheitliche Leitung tatsächlich vorliegen. Die bloße Leitungsmöglichkeit reiche nicht. Beim Beherrschungstatbestand des § 15 Abs 2 AktG handle es sich um eine gesetzliche Vermutung. Dieser Tatbestand sei im § 22 Abs 1 Z 2 erster Fall PSG aber gerade nicht angesprochen. Die Privatstiftung entwickle keine gesellschaftsübergreifenden Leitungs- und Koordinationstätigkeiten. Es gebe keinerlei Beherrschungsverträge. Der Stiftungszweck bestehe ua in der Sicherung des wirtschaftlichen Fortbestands und des Wachstums jener Unternehmen, an denen die Privatstiftung unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen halte oder erwerbe. Die Privatstiftung halte unmittelbar aber keine Beteiligungen, dies treffe nur bei der Holding Gesellschaft mbH zu. Die Stiftungsurkunde lege dem Stiftungsvorstand hinsichtlich der Enkelgesellschaften lediglich die Überwachung und Aufsicht auf und sorge lediglich dafür vor, dass die Privatstiftung über die Einrichtung von Beiräten bzw Aufsichtsräten in Tochter- und Enkelgesellschaften auf die Tätigkeit der entsprechenden Gesellschaft Einfluss nehmen könne. Es würden lediglich Zustimmungsrechte und keine Weisungsrechte festgelegt. Der Stifterwille bestehe nur in der beschriebenen Aufsicht nicht aber dahin, eine mehr oder weniger umfassende Konzernleitung zu etablieren. Zu diesen Ansichten ist Folgendes auszuführen:
III. 1. Die bloße Möglichkeit zur einheitlichen Leitung verwirklicht den Tatbestand des § 15 Abs 1 AktG noch nicht:
Der herrschenden Auffassung im Schrifttum (Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 31; Koppensteiner, GmbHG2 Rz 15 zu § 115; Doralt in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG Rz 12 zu § 15; Feichtinger-Burgstaller in Hasch, Kurzkommentar 112) ist zuzustimmen. Die Auffassung kann nicht nur den Wortlaut des Gesetzes bei der Formulierung des Tatbestands (Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung; noch deutlicher das PSG: ... wenn ... die Privatstiftung ... einheitlich leitet) für sich ins Treffen führen. Der in den Gesetzen jeweils unmittelbar anschließend normierte Beherrschungstatbestand wäre überflüssig, wenn generell schon die Beherrschungsmöglichkeit aufgrund von Anteilsmehrheit allein ausschlaggebend sein sollte und lediglich eine bloße Anteilsverwaltung einen Konzern und damit Aufsichtsratspflicht ausschlösse.
2. Dass eine tatsächlich ausgeübte Leitungstätigkeit vorliegen muss, ergibt sich grundsätzlich schon aus dem Zweck der Aufsichtsratsbestellung. Der Aufsichtsrat hat Überwachungsfunktion (§ 25 PSG). Wenn keine Leitungstätigkeit entfaltet wird (das erforderliche Ausmaß wird noch zu erörtern sein), besteht kein Überwachungsbedarf. Eine präventive Aufsichtsratsbestellung sieht das Gesetz nicht vor. Darin liegt schon der wesentliche Unterschied zu dem zitierten Fall nach dem Kartellrecht, in dem es um die wettbewerbsrechtliche Beurteilung vor einem Zusammenschluss ging. Aus dem PSG ist ein solcher präventiver Gesetzeszweck aber nicht ableitbar. Die gegenteilige Ansicht müsste denklogisch dann auch dazu führen, dass ein Aufsichtsrat schon bestellt werden müsste, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass die Anzahl der Arbeitnehmer der Privatstiftung bzw eines Tochterunternehmens 300 übersteigt bzw in Zukunft übersteigen wird.
3. Das rein verfahrensrechtliche Argument, dass im Eintragungsverfahren der Sachverhalt einer tatsächlich ausgeübten Leitung von Tochter- bzw Enkelunternehmen schwer überprüfbar sei, ist kein tragfähiges Argument dafür, schon die bloße Möglichkeit einer einheitlichen Leitung für ausreichend zu erachten, einen Aufsichtsrat zu bestellen. Das Firmenbuchverfahren ist nicht generell ein reines Urkundenverfahren (vgl die weitgehende Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts im Tatsachenbereich in den Umgründungsfällen).
IV. Der Begriff „einheitliche Leitung" ist jedoch entgegen der Ansicht Krejcis nicht dahin auszulegen, als ob der Gesetzgeber formuliert hätte: „... unmittelbar einheitlich leitet". Zu untersuchen ist die aufgezeigte Diskrepanz (geradezu Antinomie) der §§ 1 f und 22 PSG, also die Frage nach der Zulässigkeit einer unternehmerisch tätig werdenden Privatstiftung als Konzernspitze:
1. Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 und 2 PSG darf eine Privatstiftung keine gewerbsmäßige Tätigkeit, die über eine bloße Nebentätigkeit hinausgeht, ausüben oder die Geschäftsführung einer Handelsgesellschaft übernehmen. Die einheitliche Leitung eines Konzerns mit den schon angeführten Tätigkeitsbereichen (Konzernplanung, Finanzkoordination uva) kann als eine auf Gewinn ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit ausgestaltet sein und damit dem Verbot des § 1 unterliegen (Doralt/Nowotny/Kalss PSG Rz 6 zu § 1). Andererseits ist aus § 22 PSG ja gerade zu folgern, dass eine Privatstiftung als Konzernspitze von Kapitalgesellschaften unter vom Gesetzgeber völlig offengelassenen und schwer abgrenzbaren Voraussetzungen offenbar doch für zulässig erachtet wird. Im Schrifttum vertritt Kalss (in Doralt/Nowotny/Kalss PSG Rz 73 zu § 1) die Auffassung, dass die Konzernleitung gegenüber der Geschäftsführung kein aliud darstelle. Eine sinnvolle Abgrenzung zwischen verbotener Geschäftsführung einerseits und zulässiger Konzernleitung anderereits sei nicht möglich. Die Ausübung unternehmerischer Leitungsfunktion als Konzernmutter sei gegenüber unternehmerischer Tätigkeit in der eigenen Gesellschaft kein „rechtsqualitatives aliud". Bei - potentieller - Leitung der Aktivitäten der Tochtergesellschaften beteilige sich die Privatstiftung praktisch selbst am Markt; gerade diesem Umstand stehe aber das PSG ablehnend gegenüber. Wenn eine Privatstiftung Allein- oder Mehrheitseignerin einer Gesellschaft sei, empfehle sich zum klaren Ausschluss der Konzernleitung eine Entherrschungsklausel oder eine Klarstellung der beteiligungshaltenden Holdingfunktion. Die Aufsichtsratspflicht könne zwar durch Einschaltung einer Holdinggesellschaft vermieden werden, weil § 22 PSG die Beherrschung durch unmittelbare Beteiligung verlange, § 1 Abs 2 PSG verbiete aber auch die mittelbare Einflussnahme und Geschäftsführung (Kalss aaO Rz 74). Eine bloß beteiligungsverwaltende Tätigkeit sei der Privatstiftung aber gestattet (aaO Rz 75). Auch Czoklich (in Czoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz 26) steht wegen des Widerspruchs des Verbots des § 1 PSG zu den §§ 22 und 25 PSG auf dem Standpunkt, dass eine Privatstiftung eine Konzernspitze nicht übernehmen dürfe. Die Bestimmungen über den Aufsichtsrat seien nur über Drängen der Arbeiterkammer im Interesse der Arbeitnehmermitbestimmung in das PSG aufgenommen worden, um Vorsorge für den Fall zu treffen, dass eine Privatstiftung tatsächlich Handelsgesellschaften beherrsche.
2. Der radikalen Ansicht, dass die Konzernleitung oder Konzernbeherrschung durch eine Privatstiftung in jedem Fall die Unzulässigkeit der Privatstiftung bedeute, schließt sich der Senat nicht an, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden soll, er hätte bei der Normierung der Bestimmungen über die Aufsichtsratspflicht und den Aufgabenbereich der Aufsichtsräte (§§ 22 und 25 PSG) seine eigenen Vorgaben in § 1 PSG übersehen. Aus dem Verbot gewerbsmäßiger Tätigkeit ist aber immerhin zu folgern, dass die Konzernleitung nicht den alle oder doch die wichtigsten Sparten der Konzernführung erfassenden Umfang haben muss und darf, wie dies bei einer Kapitalgesellschaft als Konzernspitze der Fall wäre. Dass nach Stiftungsrecht nur eine sehr eingeschränkte Leitungsausübung zulässig ist, legt § 1 Abs 2 Z 1 PSG mit seiner Erlaubnis bloß einer Nebentätigkeit nahe. In diese Richtung argumentiert schließlich auch Krejci, wenn er eine „straffe Konzernführung" als gesetzlich unzulässig erachtet. Dass er andererseits und gleichzeitig die Mindestanforderungen zur Erfüllung des Tatbestands der einheitlichen Leitung aber besonders hoch ansetzt, erscheint dann inkonsequent.
3. Die Ansicht, dass schon relativ geringfügige Eingriffe der Privatstiftung in die unternehmerische Tätigkeit der Tochter- und Enkelgesellschaften ausreicht, um sie dennoch als Konzernspitze qualifizieren zu können, erfährt eine weitere Stütze aus der Normierung des Beherrschungstatbestands. Für den Fall des Vorliegens einer unmittelbaren Mehrheitsbeteiligung der Muttergesellschaft (Privatstiftung) sieht das Gesetz die Aufsichtsratspflicht vor, außer es liegt nur bloße Verwaltung von Unternehmensanteilen der beherrschten Unternehmen vor. Die Mehrheitsbeteiligung an Tochterunternehmen lässt zunächst eine Leitungstätigkeit der Privatstiftung auch hinsichtlich der Enkelgesellschaften vermuten. Schon daraus ist abzuleiten, dass zumindest beim Beherrschungstatbestand nur die reine Verwaltung der Unternehmensanteile die Qualifizierung der Privatstiftung als Konzernspitze ausschließt, jede darüber hinausgehende leitende Tätigkeit für die Bejahung einer Konzernspitze aber schon ausreicht, andernfalls verlöre der Beherrschungstatbestand seinen Sinn, wenn auch für diesen das Erfordernis der einheitlichen Leitung verlangt würde. Wer bloß Unternehmensanteile verwaltet übt keine Leitungstätigkeit aus. Jede, wenn auch nur geringfügige Einflussnahme auf die Untergesellschaften ist aber bereits mehr als Anteilsverwaltung und erfüllt den Beherrschungstatbestand.
V. Die einheitliche Leitung kann auch eine mittelbare sein (die Konzernspitze leitet die Enkelgesellschaften mittelbar über ihre Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft):
§ 22 PSG übernimmt den Tatbestand des § 15 Abs 1 AktG über die einheitliche Leitung, nicht aber den Beherrschungstatbestand des § 15 Abs 2 AktG. Dieser wird eigenständig und abweichend dahin formuliert, dass nur auf die unmittelbare Beteiligung am Tochterunternehmen abgestellt wird, während im Aktienrecht- und GmbH-Recht auch der nur mittelbar beherrschende Einfluss maßgeblich ist. Ein solcher kann aber auch von der Obergesellschaft über Anteilsmehrheit am Tochterunternehmen auf die Enkelgesellschaften ausgeübt werden. Zu fragen ist daher, warum der Gesetzgeber im Stiftungsrecht eine abweichende Formulierung gewählt hat (die Gesetzesmaterialien geben dazu keine Auskunft):
§ 15 Abs 2 AktG ist eine Gesetzesvermutung (arg.: ... gelten ...als Konzern), die im § 22 PSG nicht übernommen wurde. Daraus allein kann aber noch nicht abgeleitet werden, dass mit der Regelung des PSG die einheitliche Leitung von Enkelgesellschaften durch eine Privatstiftung schon generell ausgeschlossen wäre und die Aufsichtsratspflicht durch Einschreitung einer Zwischengesellschaft generell vermieden werden könnte. Dies wäre ein Wertungswiderspruch zu den nach dem Aktienrecht zu beurteilenden Konzernen, weil der Gesetzeszweck der Aufsichtsratspflicht im Punkt der zu wahrenden Arbeitnehmermitbestimmung jedenfalls gleich ist und sachliche Gründe für eine Verschiedenbehandlung nicht erkennbar sind. In beiden Fällen geht es jedenfalls auch um Arbeitnehmermitbestimmung, wie dies § 22 Abs 4 PSG mit seinem Verweis auf § 110 ArbVG klarstellt (C. Nowotny in Czoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch 165, 173). Wenn in der Konzernspitze die die Enkelgesellschaften betreffenden unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, sollen die Arbeitnehmer ein Mitspracherecht haben. Mit dem Schutzzweck wäre es aber unvereinbar, wenn nach Stiftungsrecht die mittelbare Beherrschung von Enkelgesellschaften durch eine Privatstiftung aufgrund deren Leitung der Tochtergesellschaft keine Aufsichtsratspflicht auslöste. Dies führt zur Auslegung des Begriffs der „einheitlichen Leitung" dahin, dass davon auch die mittelbare Leitung von Enkelgesellschaften erfasst wird, sofern die Leitung der Tochtergesellschaft durch die Privatstiftung tatsächlich auch ausgeübt wird. Dieser Auffassung über eine mittelbare einheitliche Leitung steht die im § 25 PSG normierte Einschränkung der Aufgaben des bestellten Aufsichtsrats nicht entgegen, weil auch hier der Begriff „einheitliche Leitung" nicht näher definiert wird.
§ 25 Abs 2 PSG beschränkt den Aufgabenbereich des Konzernaufsichtsrats auf Angelegenheiten der einheitlichen Leitung oder unmittelbaren Beherrschung inländischer Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften. Die Einschränkung auf die unmittelbare Beherrschung korrespondiert mit dem Tatbild des § 22 Abs 1 Z 2 zweiter Fall PSG („unmittelbare Beteiligung"). Die Gesetzesbestimmung schließt Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats hinsichtlich der übrigen Tätigkeiten der Stiftung aus. Aus dieser Aufgabenverteilung ist also kein zusätzliches Argument für die Auslegung des Begriffs „einheitliche Leitung" zu gewinnen.
VI. Das Vorliegen einer einheitlichen Konzernleitung iSd § 22 Abs 1 Z 2 PSG ist schon bei einem wesentlich geringeren Ausmaß der Ausübung von unternehmerischen Leitungsfunktionen zu bejahen, als dies bei einer Beurteilung nach § 15 Abs 1 AktG der Fall wäre:
1. Der erste Grund liegt in dem schon behandelten Umstand, dass der Privatstiftung eine - wie es das zitierte Rechtsgutachten formuliert - „straffe Konzernleitung" aus dem Grund des § 1 PSG verwehrt ist.
2. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es für den Beherrschungstatbestand nach Stiftungsrecht aus, dass die Privatstiftung aufgrund von Anteilsmehrheit eine über die Verwaltung von Unternehmensanteilen des beherrschten Unternehmens hinausgehende „Tätigkeit" entfaltet. Worin diese Tätigkeit bestehen sollte und welchen Umfang sie haben muss lässt der Gesetzgeber offen. Klar ist, dass es sich um eine Einflussnahme in konzernrelevanten Unternehmensbereichen handeln muss. Arnold (PSG Rz 13 zu § 22) verweist darauf, dass bei der Privatstiftung im Gegensatz zu § 15 AktG, § 115 GmbHG und § 244 HGB die Unterscheidung zwischen einheitlicher Leitung und Beherrschung „stark verwischt" sei. Unter Verwaltung von Unternehmensanteilen iSd § 22 Abs 1 Z 2 PSG sei eine Innehaltung (gemeint: Innehabung) von Anteilen ohne systematische, länger dauernde Einflussnahme auf wesentliche Unternehmensbereiche zu verstehen. Die bloße Bestellung der Organe der Beteiligungsgesellschaften reiche für die Annahme, dass es sich um keine Verwaltung, sondern um eine Beherrschung handelt, schon insoweit nicht aus, als die Ausübung des Stimmrechts, soweit es nicht für beherrschenden Einfluss benützt werde, Teil der Anteilsverwaltung sei. Personenidentität im Stiftungsvorstand und dem zur gesetzlichen Vertretung der Beteiligungsgesellschaft berufenen Organen indiziere allerdings die Beherrschung (Arnold aaO Rz 14).
3. Für die Ansicht, dass das PSG an die einheitliche Leitung einen geringeren Maßstab anlegt, kann wiederum der auslegungsbedürftige Begriff der „Tätigkeit" im Beherrschungstatbestand im Vergleich zum Begriff der „einheitlichen Leitung" ins Treffen geführt werden. Bei den Begriffen kann es sich nicht um identische handeln. Beherrschung und einheitliche Leitung müssen einen verschiedenen Inhalt haben, ansonsten bedürfte der gesamte zweite Fall keiner speziellen Regelung. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch schon punktuelle und nur in einzelnen Unternehmensbereichen - vor allem im entscheidenden Finanzmanagementsbereich - entfaltete Aktivitäten der Privatstiftung ausreichen können, um bei gegebener Anteilsmehrheit von einer Beherrschung sprechen zu können. Wenn bei einer solchen ein geringerer Maßstab an den Leitungsumfang anzulegen ist, muss dies auch für die einheitliche Leitung gelten, wenn diese kraft Anteilsmehrheit ausgeübt werden kann. Anderes mag im Fall gelten, dass die Leitungsmacht ohne rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit nur tatsächlich ausgeübt wird (faktischer Konzern), sodass dort ein höheres Mindestmaß an Leitung in den unternehmerischen Entscheidungsbereichen verlangt werden könnte.
VII. Ausgehend von der nicht geteilten Rechtsansicht, dass schon die Möglichkeit der einheitlichen Leitung die Bestellung eines Aufsichtsrats der Privatstiftung rechtfertigt, haben die Vorinstanzen die Frage der tatsächlichen Ausübung einer Konzernleitung durch die Privatstiftung bzw die Nichtausübung nach deren Behauptungen nicht näher geprüft. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist aus den festgestellten Satzungsbestimmungen allein noch nicht auf eine ausgeübte Konzernleitung zu schließen. Ihnen kommt nur Indizwirkung zu, die die Privatstiftung entkräften kann. Es ist aber auch nicht den Ausführungen im zweiten von der Privatstiftung vorgelegten Rechtsgutachten der Univ. Prof. Dr. S. Kalss zu folgen, dass kein Aufsichtsrat zu bestellen sei, weil die Privatstiftung aus rechtlichen Gründen eine Leitungstätigkeit gar nicht entfalten könnte. Dem steht schon entgegen, dass es im Konzernrecht ganz wesentlich nicht auf die rechtlich abgesicherte Leitungsbefugnis, sondern auf die latent vorhandene Konzernmacht (Beherrschung) ankommt (Doralt in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG5 Rz 12; dazu auch die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichts), sodass es genügte, wenn die Enkelgesellschaften tatsächlich einen nachgewiesenen Willen der Konzernspitze in einem wesentlichen Unternehmungsbereich Folge leisten. In der hier aufgrund der Stiftungserklärung und der Satzung der Holding Gesellschaft mbH installierten Konstruktion mit der Weiterreichung der Bindung der Geschäftsführung im verankerten Geschäftekatalog des Finanzbereichs ist im Verein mit der personellen Verflechtung zwischen Stiftungsvorstand und Beirat der Gesellschaft mbH die latente Konzernmacht zu erblicken, die es ermöglichte, auf die Enkelgesellschaften Einfluss zu nehmen. Entgegen der im Rechtsgutachten geäußerten Ansicht kann diese Auffassung nicht dadurch entkräftet werden, dass in den Enkelgesellschaften (soweit sie Aktiengesellschaften sind) ein Aufsichtsrat zwingend installiert ist, dem die Bestellung und Überwachung der Vorstände obliegt. Diese Argumentation übersieht, dass der Aufsichtsrat kein von den Obergesellschaften völlig unabhängiges Organ ist, kann er doch mit entsprechender Mehrheit von den Aktionären (der Hauptversammlung) abberufen werden (§ 87 Abs 3 AktG). Ein Aufsichtsrat der Enkelgesellschaften, der den Intentionen der Geschäftsführer der Holdinggesellschaft folgt, die ihrerseits vom Stiftungsvorstand geleitet wird, wäre dann das für die Bejahung eines Konzerns maßgebliche Mittel der Konzernleitung. Ob ein solcher, einer Kette von Erfüllungsgehilfen vergleichbarer, Sachverhalt vorliegt, ist allerdings in jedem Einzelfall im Tatsachenbereich zu prüfen.
VIII. Der Senat gelangt zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen:
1. Der Begriff der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft durch eine Privatstiftung im § 22 Abs 1 Z 2 PSG als Voraussetzung für die Aufsichtsratspflicht ist nach dem gesetzlichen Schutzzweck der Arbeitnehmermitbestimmung dahin auszulegen, dass schon eine wenig intensive Einflussnahme in einem wichtigen Leitungsbereich (etwa im Finanzbereich) ausreicht, um eine einheitliche Leitung bejahen zu können.
2. Die einheitliche Leitung von Enkelgesellschaften durch eine Privatstiftung als Konzernmutter kann auch mittelbar über die Tochtergesellschaft der Privatstiftung erfolgen.
3. Eine Privatstiftung kann Konzernspitze sein, wenn nicht eine unzulässige, alle wesentlichen Leitungsbereiche umfassende straffe Konzernleitung vorliegt, die dem Verbot des § 1 Abs 2 Z 1 und 2 PSG widerspricht.
4. Die Aufsichtsratspflicht des § 22 Abs 1 Z 2 erster Fall PSG setzt voraus, dass die Privatstiftung eine Leitungsfunktion tatsächlich ausübt, die bloße Möglichkeit dazu reicht nicht aus.
5. Bestimmungen in der Stiftungserklärung einer Privatstiftung und in der Satzung ihrer Tochtergesellschaft (einer Holdinggesellschaft) können eine Konzernleitung der Privatstiftung indizieren. Die Indizwirkung kann von der Privatstiftung entkräftet werden.
IX. Das Firmenbuchgericht wird im fortgesetzten Verfahren die tatsächlichen Verhältnisse im aufgezeigten Sinn zu prüfen haben. Es werden Feststellungen zum Thema der Einflussnahme der in den Hauptversammlungen der Enkelgesellschaften vertretenen Holding Gesellschaft mbH auf die Geschäftsführung der Enkelgesellschaften zu treffen sein, um beurteilen zu können, ob letztere unabhängig oder unter Leitung operieren. Zum Verhältnis der Privatstiftung zur Holding Gesellschaft mbH wird festzustellen sein, ob sich die Privatstiftung auf die Verwaltung von Unternehmensanteilen beschränkt und ausschließlich Eigentümerinteressen ohne unternehmerische Leitungstätigkeit wahrnimmt. In letzterem Fall wird die Aufsichtsratspflicht der Holding Gesellschaft als Konzernspitze zu untersuchen sein.
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