OGH 6Ob21/20m

OGH6Ob21/20m25.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* Gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ing. E*, vertreten durch Dr. Rudolf Denzel und Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, wegen 67.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. November 2019, GZ 2 R 111/19i‑30, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Mai 2019, GZ 50 Cg 80/17p‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128897

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat wie folgt:

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 67.000 EUR samt 4 % Zinsen aus 131.447,47 EUR seit 9. Dezember 2008 zu bezahlen.

Der Beklagte ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 20.374,30 EUR (darin 3.102,55 EUR USt und 1.759 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 5.312,02 EUR (darin 527,67 EUR USt und 2.146 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 5.141,60 EUR (darin 1.900,50 EUR USt und 2.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Im Dezember 2008 war der Beklagte (wirtschaftlich gesehen) Alleingesellschafter der B*gesellschaft mbH (in der Folge kurz: E* GmbH) und deren Geschäftsführer, wie auch Geschäftsführer der T* Gesellschaft mbH (in der Folge kurz: T* GmbH), deren alleinige Gesellschafterin die E* GmbH war. Die T* GmbH war Komplementärin der jetzigen Klägerin, Kommanditistin war die E* GmbH.

Für das Bauvorhaben Mehrzweckhalle in B* übernahm die E* GmbH eine Erfüllungsgarantie gegenüber dem Bauherrn; dazu stellte die R* eG eine Bankgarantie über 150.000 EUR aus, für welche neben anderen Sicherheiten der Beklagte persönlich die Haftung als Bürge und Zahler übernahm. Der Bauherr rief diese Garantie am 23. Mai 2008 mit 125.419,11 EUR ab. Daraufhin überwies die R* eG am 3. Juni 2008 vom Konto der E* GmbH den geforderten Betrag an den Bauherrn. Die E* GmbH war zur Rückzahlung der von der R* eG geleisteten Zahlung nicht in der Lage. Der Beklagte ließ in seiner Funktion als Geschäftsführer der T* GmbH, also der Komplementärin der Klägerin, am 9. Dezember 2008 zur Abdeckung der Verbindlichkeiten der E* GmbH gegenüber der R* eG 131.477,47 EUR von der Klägerin auf das Konto der E* GmbH bei der R* eG überweisen, ohne dass die Klägerin zur Leistung dieser Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Ohne diese Abdeckung durch die Klägerin wäre die Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler bzw die anderen Sicherheiten, mit welchen die Bankgarantie abgesichert war, schlagend geworden.

Über das Vermögen der E* GmbH wurde im August 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 67.000 EUR sA und brachte zusammengefasst vor: Die E* GmbH habe hohe Schulden und keine finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt, um die Bankgarantie gegenüber der Bank auszugleichen, weshalb die Haftung des Beklagten als Bürge und Zahler schlagend geworden wäre. Der Beklagte habe Gelder der Klägerin rechtsgrundlos verwendet, um Verbindlichkeiten der E* GmbH zu erfüllen; damit habe sich der Beklagte seiner eigenen Haftung als Bürge und Zahler entledigt und sich als Geschäftsführer der Klägerin dieser gegenüber untreu verhalten. Die Zahlung der Klägerin sei daher nicht nur rechtsgrundlos erfolgt und könne deshalb zurückgefordert werden, sondern der Beklagte habe auch seine Befugnisse missbräuchlich mit Schadensvorsatz zu Lasten der Klägerin missbraucht. Der Vorgang sei strafgesetzwidrig. Auch aus bereicherungsrechtlichen Gründen könne die Klägerin den geltend gemachten Teilbetrag von 67.000 EUR zurückfordern; im Übrigen stütze sie sich auch auf alle sonstigen erdenklichen Rechtsgründe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete zusammengefasst ein: Er sei im Jahr 2008 wirtschaftlich alleiniger Eigentümer der E* Bau GmbH, der T* GmbH und der Klägerin gewesen. Die E* GmbH sei damals nicht überschuldet gewesen. Nach Leistung der Forderungen der E* GmbH aus dem Bauvorhaben B* durch den dortigen Bauherrn wäre die vom Beklagten abgegebene Haftung als Bürge und Zahler nicht zum Tragen gekommen. Die Klägerin habe mit der E* GmbH betrieblich zu tun gehabt und die beiden Gesellschaften seien ständig in laufendem Geschäftskontakt gestanden. Es seien daher wechselseitige Leistungen erbracht und verrechnet sowie auch gegenverrechnet worden. Die Klägerin habe auch teilweise Leistungen für das Bauvorhaben in B* erbracht. Aufgrund der Stellung des Beklagten als alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer sei es unmöglich, dass er gegenüber seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen untreu gehandelt habe. Als alleiniger Geschäftsführer sei er auch zu derartigen finanziellen Transaktionen ausdrücklich berechtigt gewesen. Die Vorgänge seien in beiden Gesellschaften jeweils verbucht und klar dargestellt gewesen. Die E* GmbH sei im Verhältnis zur Klägerin kein fremder Dritter, sondern ein verbundenes Unternehmen mit Alleingesellschafteridentität. Ein Bereicherungsanspruch komme als Begründung für das Klagebegehren nicht in Frage, weil eine Verschiebung von Vermögenswerten zwischen Ein-Mann-Gesellschaften mit identen wirtschaftlichen Eigentümern nicht zu einer Bereicherung führen könne. Bei der Übernahme der Geschäftsanteile des Beklagten an der E* GmbH habe der Beklagte D* auch über den klagsgegenständlichen Zahlungsablauf informiert, weshalb der Anspruch der Klägerin verjährt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da dem Beklagten der ihm obliegende Beweis, dass vertretungsbefugte Organe der Klägerin bereits vor dem Jahr 2016 Kenntnis von der Überweisung der Klägerin an die E* GmbH gehabt hätten, nicht gelungen sei, sei die Klage nicht verjährt; dies unabhängig davon ob die dreijährige oder die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1489 Abs 1 ABGB zur Anwendung komme. Allerdings habe der Beklagte den Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB nicht verwirklicht. Sei der Täter nämlich einziger Gesellschafter und damit wirtschaftlich gesehen nach Maßgabe der Haftungsbeschränkung faktisch mit der Gesellschaft ident, werde durch eine Schädigung der Gesellschaft nicht wirklich einem „anderen“ ein Vermögensnachteil zugefügt. Die Klägerin habe im Jahr 2008 wissentlich eine Nichtschuld gegenüber der E* GmbH beglichen. Zahlungen, die jemand im Wissen, diese nicht zu schulden, leiste, könnten gemäß § 1432 ABGB nicht im Wege einer Leistungskondiktion zurückgefordert werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da der Beklagte Alleingesellschafter der E* GmbH gewesen sei, sei er im Jahr 2008 aus wirtschaftlicher Sicht alleiniger Träger der Geschäftsanteile aller drei Gesellschaften gewesen. Insofern liege der Sonderfall der „Ein‑Mann‑GmbH“ vor. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht bestehe, sei nicht zu beanstanden.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

1.1. Ist bei einer Kommanditgesellschaft kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so sind die Vorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 82 Abs 1 und § 83 Abs 1 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft im Verhältnis zu ihren Kommanditisten analog anzuwenden. Der Rückersatzanspruch gemäß § 83 Abs 1 GmbHG steht dabei der Kommanditgesellschaft zu (RS0123863).

1.2. Die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 82 ff GmbHG sind dann, wenn an einer Kommanditgesellschaft keine natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt ist, auf Zuwendungen an die Gesellschafter der Komplementär‑GmbH, aber auch auf solche an „nur‑Kommanditisten“ analog anzuwenden (6 Ob 171/15t).

1.3. Die analoge Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften ist auch auf Zuwendungen der Kommanditgesellschaft an Gesellschafter der Komplementär‑GmbH zu bejahen, die gleichzeitig Kommanditisten der Kommanditgesellschaft sind (6 Ob 198/15h).

2. Dass die Tragung von Verbindlichkeiten eines Gesellschafters durch die Gesellschaft den Tatbestand der verbotenen Einlagenrückgewähr erfüllt, bedarf keiner weiteren Ausführungen (vgl 6 Ob 13/20k mwN).

3. Nach § 25 Abs 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Nach § 21 Abs 3 Z 1 GmbHG sind sie insbesondere zum Ersatz verpflichtet, wenn gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrags Gesellschaftsvermögen verteilt wird, namentlich Stammeinlagen oder Nachschüsse an Gesellschafter gänzlich oder teilweise zurückgegeben werden. Diese Grundsätze gelten auch bei einer den Kapitalerhaltungsvorschriften unterliegenden Kommanditgesellschaft.

4. Am Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften vermag die Zustimmung des Beklagten als seinerzeitiger (mittelbarer und teilweise unmittelbarer) Gesellschafter nichts zu ändern, lassen doch rechtswidrige Weisungsbeschlüsse die Haftung des Geschäftsführers unberührt, weil derartige Weisungen niemals verbindlich sind. Dazu gehören vor allem Verstöße gegen Gläubigerschutzbestimmungen und Kapitalerhaltungsvorschriften (6 Ob 171/15p). Die Kapitalerhaltungsvorschriften verbieten gerade die Rückgewähr von Vermögen der Gesellschaft an einen Gesellschafter; dass der Gesellschafter einer derartigen unzulässigen Auszahlung zustimmt oder – wie im vorliegenden Fall – diese sogar aktiv betreibt, vermag an der Unzulässigkeit des Vorgangs nichts zu ändern.

5. Der Beklagte hat daher durch Anordnung der gegenständlichen rechtsgrundlosen Zahlung, die wirtschaftlich ausschließlich ihm selbst zugute kam, eklatant seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt. Außerdem handelt es sich dabei um eine unzulässige Einlagenrückgewähr, sodass gegen den Beklagten zusätzlich ein Anspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG besteht, wobei dieser Anspruch mit einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, der grundsätzlich in 30 Jahren verjährt, konkurrieren kann (RS0128167).

6.1. Auf die Frage der Strafbarkeit des Beklagten wegen Untreue gemäß § 153 StGB in der vorliegenden Situation ist im vorliegenden Fall nicht abschließend einzugehen, weil sich die Haftung des Beklagten nach dem Gesagten schon ohne Rückgriff auf einen Verstoß gegen die als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB zu qualifizierende Bestimmung des § 153 StGB (dazu Schauer, Zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats, in Kalss/Kunz [Hrsg], Handbuch des Aufsichtsrats [2010] 1041 [1092 Rz 869]; Kodek, Zivilrechtliche Grundlagen, in Kodek, Untreue NEU [2017] 23) ergibt.

6.2. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat die klagende Partei ihren Anspruch auch niemals ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 153 StGB gestützt, sondern schon in der Klage ausdrücklich klargestellt, dass sie sich auf jeglichen erdenklichen Rechtsgrund stütze. Ausdrücklich machte die Klägerin auch bereits in der Klage geltend, dass der Beklagte zu einer derartigen Überweisung bzw Umbuchung nicht berechtigt war und bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche bestünden.

6.3. Aus der hier ausschließlich maßgebenden zivilrechtlichen Sicht ändert das Vorliegen eines Konzernverhältnisses nichts an den Grundsätzen der Kapitalerhaltung. Vielmehr besteht der Konzern aus rechtlich selbständigen Gesellschaften, sodass eine präzise Zuordnung des jeweiligen Haftungsvermögens erforderlich ist.

7. In Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen daher spruchgemäß im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

8. Aufgrund der Abänderung waren auch die Kostenentscheidungen betreffend das Verfahren in erster und zweiter Instanz neu zu fassen. Diese Entscheidung sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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