Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Firmenbuchsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund zurückverwiesen. Der Kostenersatzantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung
Mit dem am 18. 5. 2004 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz meldeten der polnische Staatsbürger Piotr G***** und Jacek S***** eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft mit dem Sitz in Wien, die am 15. 4. 2004 gegründet worden sei, zur Eintragung in das Firmenbuch an. Geschäftszweig der Gesellschaft sei „Bau- und Baunebengewerbe"; Piotr G***** sei persönlich haftender „Geschäftsführer", der selbständig vertrete; der andere Einschreiter sei Kommanditist mit einer Vermögenseinlage von EUR 1.000,--. Der Umfang der Unternehmung werde nicht über den eines Kleingewerbes hinaus gehen. Angestellte würden nicht beschäftigt.
Piotr G***** gab mit Schriftsatz vom 28. 5. 2004 das Datum des Gesellschaftsvertrages mit 17. 5. 2004 bekannt.
Mit dem am 17. 12. 2004 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte Piotr G***** als einzelzeichnungsberechtigter Komplementär, die Gesellschaft mit der geänderten Firma Piotr G***** KEG mit 15. 4. 04 als Datum des Gesellschaftsvertrages, mit der nunmehrigen Geschäftsanschrift H*****straße 97, ***** H***** und mit der Kommanditistin Agata G***** mit einer Kommanditeinlage von EUR 100,-- anstelle des Kommanditisten S***** einzutragen. Die Eingabe war vom Einschreiter und den Kommanditisten beglaubigt unterfertigt. Das Erstgericht forderte Piotr G***** wiederholt auf, für seine Person eine Beschäftigungsbewilligung, einen Befreiungsschein oder einen Feststellungsbescheid nach § 2 Abs 4 AuslBG vorzulegen. Piotr G***** lehnte dies ab, weil er als selbständiger EU-Bürger Niederlassungsfreiheit genieße und die Gründung einer Firma in Österreich weder einer Beschäftigungsbewilligung noch eines Befreiungsscheines noch eines Feststellungsbescheides bedürfe. Das Erstgericht wies den Eintragungsantrag ab. Das Firmenbuchgericht habe im Verdachtsfall zu überprüfen, ob die Anmeldung der Eintragung einer Erwerbsgesellschaft zur Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erfolge und daher unwirksam sei. Das Arbeitsmarktservice Wien habe dargelegt, dass im konkreten Fall ein Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice unbedingt erforderlich sei. Die in § 2 Abs 4 AuslBG verankerte gesetzliche Vermutung könne ausschließlich mit einer Bestätigung oder einem Befreiungsschein des Arbeitsmarktservice widerlegt werden. Da die Einschreiter weder eine Beschäftigungsbewilligung noch einen Befreiungsschein noch einen Feststellungsbescheid vorgelegt hätten, sei der Antrag abzuweisen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Österreich habe entsprechend der in der Beitrittsakte von Athen unter anderem mit Polen vereinbarten Möglichkeit Gebrauch gemacht, während der Übergangsfrist von zwei (fünf) Jahren nach dem Beitritt für den Arbeitsmarktzugang von polnischen Staatsangehörigen weiterhin die nationalen und die sich aus bilateralen Abkommen ergebenden Regeln anzuwenden. Die Materialien zum EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz legten dar, dass dieses auch der Klarstellung diene, dass neue EU-Bürger für die Dauer der Anwendung des Übergangsarrangements nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen seien und deren Neuzulassung weiterhin nach den Regeln dieses Gesetzes erfolge. Daher käme in Österreich auch § 2 Abs 4 AuslGB und damit verbunden die ausschließliche Möglichkeit, die dort verankerte gesetzliche Vermutung mit einer Bestätigung oder einem Befreiungsschein des Arbeitsmarktservice zu widerlegen, weiter zur Anwendung. Daher sei die Eintragung in das Firmenbuch zu Recht abgelehnt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Judikatur zur „entscheidungsrelevanten Rechtsfrage" nicht vorliege. Der Revisionsrekurs des persönlich haftenden Gesellschafters ist zulässig und im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Polnische Staatsbürger sind auch nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. 5. 2004 nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen und können grundsätzlich nur nach den Regeln dieses Gesetzes zu einer Beschäftigung in Österreich zugelassen werden (§ 32a AuslBG). Mit der durch das EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBl I 2004/28, eingeführten und am 1. 5. 2004 in Kraft getretenen Bestimmung des § 32a AuslBG machte Österreich von der im Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl 2003 L 236, 17 ff) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, während einer Übergangsfrist für den Zugang polnischer Arbeitnehmer zum österreichischen Arbeitsmarkt Übergangsregelungen zu treffen, die eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 39 ff EG) und der Dienstleistungsfreiheit (Art 49 ff EG) erlauben (Art 24 des Beitrittsvertrages; Anh XII Polen 2. Freizügigkeit). Die erste Phase dieser Übergangsregelungen endete am 1. 5. 2006. Österreich teilte der Europäischen Kommission am 24. 4. 2006 - fristgerecht - mit, dass es seine Einschränkungen nicht vor dem 30. 4. 2009 aufheben wird (Memo/06/176 der Europäischen Kommission vom 28. 4. 2006). Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat (6 Ob 19/93; 6 Ob 7/94; 6 Ob 122/99f), sind Gesellschaftsverträge oder Gesellschafterbeschlüsse zur Geschäftsführerbestellung, durch die das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung umgangen werden soll und die Parteien die behördliche Genehmigung absichtlich nicht beantragen, weil sie wissen, dass diese nicht erteilt wird, nichtig, wenn alle Beteiligten gemeinsam zu dem Zweck zusammenwirken, einem oder mehreren von ihnen eine Position zu verschaffen, deren Auswirkung einem gesetzlichen Verbot zuwiderläuft. Ein solches „Verbotsgesetz" ist - wie in diesen Entscheidungen ausgeführt - auch das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regelt. § 2 Abs 2 dieses Gesetzes umschreibt den Begriff der Beschäftigung durch eine Aufzählung der darunter fallenden (Rechts-)Verhältnisse (Arbeitsverhältnis, arbeitnehmerähnliche Verhältnisse, die Überlassung von Arbeitskräften ua). Gemäß § 2 Abs 4 Satz 1 dieses Gesetzes ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Sodann bestimmt Abs 4, dass eine Beschäftigung im Sinne des Abs 2 insbesondere auch dann vorliegt, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Mit Bundesgesetz vom 16. 8. 2005, BGBl I 2005/101 wurde Abs 4 dahin ergänzt, dass die Entscheidungsfrist der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit drei Monaten festgelegt und weiters bestimmt wurde, dass nach Ablauf dieser Frist die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden kann. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden.
Den Entscheidungen 6 Ob 19/93 (Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung auf Abweisung der Eintragung von neuen Geschäftsführern zur weiteren Prüfung des Zweckes der betreffenden Gesellschafterbeschlüsse) und 6 Ob 7/94 (Versagung der Eintragung einer GmbH & Co OEG wegen Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages) lagen wesentlich anders gelagerte Sachverhalte als hier zugrunde, sodass das Ergebnis der Entscheidungen für die hier anstehende Entscheidung nicht maßgebend sein kann. In dem der Entscheidung 6 Ob 7/94 zugrundeliegenden Fall war vom Erstgericht festgestellt worden, dass sämtliche Arbeitsgesellschafter Ausländer waren und als Arbeitnehmer eingesetzt wurden, ohne dass ihnen ein Beteiligungsverhältnis bewusst war und der Gesellschaftsvertrag nur abgeschlossen wurde, um die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu umgehen. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht keine Feststellungen zu einer Umgehungsabsicht in Bezug auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz getroffen. Der polnische Staatsangehörige Piotr G***** ist alleiniger Komplementär der Kommanditerwerbsgesellschaft. Gemäß § 164 HGB iVm § 4 Abs 1 EGG sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie können einer Handlung des Komplementärs, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft nicht hinausgeht, nicht widersprechen. Damit kommt Piotr G***** schon von Gesetzes wegen ein maßgebender Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu, worin ein wesentliches Abgrenzungskriterium zur unselbständigen bewilligungspflichtigen Tätigkeit erblickt wird (6 Ob 122/99f mwN). Personengesellschafter sind grundsätzlich als selbständig erwerbstätig anzusehen (Deutsch/Neurath/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsrecht 123). Eine Umgehungsabsicht im Bezug auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz kann hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages im vorliegenden Fall weder unterstellt noch als erwiesen angenommen werden (vgl 6 Ob 122/99f).
Einer Bewilligung der begehrten Eintragung durch den Obersten Gerichtshof steht aber schon entgegen, dass der Einschreiter unterschiedliche Angaben in Bezug auf den Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages machte. Eine Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und Rückverweisung der Firmenbuchsache an das Erstgericht ist daher unumgänglich. Dieses wird zu prüfen haben, ob es überhaupt noch örtlich zuständig ist, liegt doch nach den Behauptungen der Einschreiter der Sitz der Gesellschaft nicht mehr im Sprengel des Erstgerichtes (§ 120 Abs 2 und 4 JN).
Kostenersatz kann es in einem Verfahren ohne Verfahrensgegner nicht geben.
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