OGH 6Ob205/21x

OGH6Ob205/21x22.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen S* Z*, geboren am *, verstorben am * 2019, zuletzt wohnhaft in *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin D* P*, vertreten durch Dr. Barbara Rogl, Rechtsanwältin in St. Veit an der Glan, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Oktober 2021, GZ 2 R 137/21f‑78, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00205.21X.1222.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Die Aktiva des überschuldeten Nachlasses des am 22. 1. 2019 verstorbenen Betroffenen wurden im Verlassenschaftsverfahren dessen Gläubigern an Zahlungs statt überlassen. Erbantrittserkärungen wurden nicht abgegeben.

[2] Die Antragstellerin ist die Schwester des Betroffenen und war gemeinsam mit einer weiteren Person in einem Testament des Betroffenen als Erbin eingesetzt worden. Sie begehrt die Gewährung von Akteneinsicht in den Pflegschaftsakt, erkennbar betreffend die Einkommens- und Vermögensangelegenheiten, und brachte dazu vor, sie habe ein rechtliches Interesse, in die Verwaltung des Vermögens des Betroffenen Einsicht zu nehmen.

[3] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Potentiellen Erben, die keine Erbantrittserklärung abgegeben haben, komme kein Recht auf Akteneinsicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[5] 1. Schon nach der zu § 141 AußStrG in der Fassung vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz ergangenen Rechtsprechung (vgl RS0125886; 3 Ob 257/15p; 9 Ob 66/17x) hatten – unabhängig vom Erbrechtstitel – nur Erben oder erbantrittserklärte potentielle Erben die Möglichkeit der Akteneinsicht in Bezug auf die Einkommens‑ und Vermögensangelegenheiten des Betroffenen. Das wurde damit begründet, dass der Erbe Universalsukzessor aller Vermögensrechte des Betroffenen ist (5 Ob 187/16k; 3 Ob 257/15p) bzw dem erbantrittserklärten potentiellen Erben grundsätzlich die Verwaltung der Verlassenschaft zukommt (vgl 9 Ob 66/17x; 9 Ob 34/18t). Ansonsten gilt der Grundsatz, dass auch nach dem Tod des Betroffenen niemand einen Vorteil aus dem Pflegschaftsverfahren ziehen soll (1 Ob 98/12m).

[6] 2. Im Hinblick auf diese Judikatur wurde die Möglichkeit der Akteneinsicht für Erben und erbantrittserklärte Personen mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz (ausdrücklich) in § 141 Abs 1 AußStrG eingefügt (vgl 2 Ob 197/19p). Vor diesem Hintergrund kommt eine Auslegung dieser Bestimmung, die entgegen der Rechtsprechung zum „alten“ Recht eine Akteneinsicht vor Abgabe einer Erbantrittserklärung ermöglichen soll, nicht in Betracht (2 Ob 197/19p).

[7] 3. Diese Grundsätze gelten auch im Falle der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens durch Überlassung an Zahlungs statt (3 Ob 257/15b). Das Begehren auf Akteneinsicht, um die Entscheidung treffen zu können, ob der potentielle Erbe eine Erbantrittserklärung abgeben soll, dient grundsätzlich seinen eigenen Interessen und nicht jenen des verstorbenen Betroffenen (9 Ob 66/17x).

[8] 4. Dritten iSd § 141 AußStrG, selbst wenn sie nahe Angehörige sind, kommt – auch nach § 219 Abs 2 ZPO iVm § 22 AußStrG – die Akteneinsicht zwecks Überprüfung der finanziellen Gebarung des Erwachsenenvertreters nicht zu (vgl 3 Ob 257/15b; 1 Ob 98/12m). Dessen Tätigkeit hat das Gericht in geeigneter Form zu überwachen, die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der von ihm vorgenommenen oder beabsichtigten Rechtshandlungen zu prüfen und ihm erforderlichenfalls Aufträge zu erteilen (§§ 132 ff AußStrG; vgl 5 Ob 121/15b). Auch allfällige Überlegungen zu unter Umständen gegenüber dem ehemaligen Erwachsenenvertreter des Betroffenen bestehenden Schadenersatzansprüchen wegen allfälliger Versäumnisse und Pflichtwidrigkeiten im Rahmen der Vermögensverwaltung des Betroffenen sind nicht geeignet, den Ausschluss Dritter von der Akteneinsicht zu durchbrechen (9 Ob 34/18t).

[9] 5. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Antragstellerin sei mangels Abgabe einer Erbantrittserklärung weder Rechtsnachfolgerin noch Vertreterin des Nachlasses, weshalb die begehrte Akteneinsicht nicht in Betracht komme, findet Deckung in der erörterten Judikatur. Im Übrigen ist die Antragstellerin darauf hinzuweisen, dass es ihr grundsätzlich unbenommen gewesen wäre, auch ohne Aufforderung durch den Gerichtskommissär eine bedingte Erbantrittserklärung abzugeben; eine solche hätte für die gewünschte Akteneinsicht genügt (vgl 2 Ob 194/14i).

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