Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben wie folgt:
1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 49.691,95 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2004 zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 17.550,72 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2004 zu bezahlen sowie das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 38.596,60 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 2004 nach Leistung einer Sicherheit durch die klagende Partei gemäß den § 1379 f ABGB bzw durch eine Bankgarantie in der Höhe von 65.095,56 EUR zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 14.783,60 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.683,06 EUR (darin 934 EUR Barauslagen und 291,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.493,64 EUR (darin 1.234 EUR Barauslagen und 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erblasserin war Eigentümerin mehrerer Liegenschaften, darunter der bebauten EZ *****, KG *****. Dieses Haus vermietete die Erblasserin am 1. 5. 1991 an M***** D***** zu Wohnzwecken.
Die Erblasserin verstarb am 29. 1. 2001 unter Hinterlassung eines Testaments. Dessen Punkt 1) lautet: „Ich T***** W***** ... möchte mein Haus in R*****, meinem Mieter Herrn M***** D***** ... vererben bis zu seinem Tode. Nach seinem Ableben soll das Haus W*****verein nehmen und für die Tiere verwenden samt Einrichtung." Weiters vermachte die Erblasserin weitere Legate. Der Wert aller Legate beträgt ungekürzt in Summe 1.387.281,35 EUR.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 8. 5. 2002 wurde die bedingte Erbserklärung des M***** D***** zu Gericht angenommen. Mit Beschluss vom 19. 1. 2008 übertrug das Bezirksgericht Döbling M***** D***** die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses. D***** bewohnt auch seit dem Tod der Erblasserin nach wie vor das Haus in R*****.
Bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz ist im Verlassenschaftsverfahren noch keine Einantwortung des Nachlasses der Erblasserin erfolgt.
Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Aktiva der Verlassenschaft betragen - vorbehaltlich der strittigen Aktivposten (= Mietzins/Benützungsentgelt von 122.400 EUR und Schadenersatzanspruch von 23.409,47 EUR) - in Summe 1.440.862 EUR; die zugrunde zu legenden Nachlassverbindlichkeiten betragen - vorbehaltlich der nur dem Grunde nach strittigen Position einer Verbindlichkeit der beklagten Partei zur Rückzahlung der Mietkaution von 5.995,51 EUR - in Summe 252.833,17 EUR.
Die klagende Partei, ein gemeinnütziger Verein, begehrte von der beklagten Verlassenschaft zunächst 317.242,67 EUR. Die Erblasserin habe ihr mit Testament vom 4. 1. 2001 ein Barvermögen von 4.500.000 ATS (327.027,75 EUR) vermacht. Der Nachlass reiche nicht zur Deckung der Legate aus. In Anwendung der Vorschrift des § 692 ABGB ergebe sich ein Anspruch von 317.242,67 EUR. Dabei sei in die Nachlassaktiven ein Benützungsentgelt in Höhe von 122.400 EUR einzurechnen. Dabei handle es sich um das Entgelt für die Benützung der Liegenschaft seit dem Tod der Erblasserin.
Das Erstgericht gab nach einem Teilvergleich, in welchem sich die beklagte Partei zur Zahlung von 250.000 EUR verpflichtete, dem Klagebegehren mit 28.646,06 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.
Das Benützungsentgelt für den Zeitraum von sieben Jahren nach dem Tod der Erblasserin in Höhe von 122.400 EUR stelle kein Nachlassaktivum dar, weil es im maßgeblichen Zeitpunkt des Todes der Erblasserin einen erst zukünftigen Zeitraum betroffen habe. Für die Berechnung des „reinen Nachlasses" seien diese behaupteten Forderungen nicht relevant. M***** D***** sei Legatar hinsichtlich der von ihm gemieteten Liegenschaft. In einem solchen Falle gebühre jeder Nutzen des Verlassenschaftsstücks ab dem Tod des Erblassers sofort dem Legatar. Daher sei dem Legatar bereits ab dem Tod der Erblasserin das Recht zugekommen, die Liegenschaft unentgeltlich zu gebrauchen und zu benützen.
Die Nachlassaktiven betrügen 1.440.862 EUR. Die Nachlassverbindlichkeiten betrügen zusätzlich zu dem außer Streit gestellten Betrag von 252.833,17 EUR noch 5.995,51 EUR, insgesamt sohin 258.828,68 EUR. Der reine Nachlass betrage daher 1.182.033,32 EUR. Die Summe aller ungekürzten Legate betrage 1.387.271,35 EUR und finde daher im reinen Nachlass keine vollständige Deckung. Gemäß § 692 ABGB sei daher eine verhältnismäßige Kürzung des klägerischen Geldlegats vorzunehmen. Dies ergebe unter Berücksichtigung des Teilvergleichs über 250.000 EUR einen weiteren Betrag von 28.646,06 EUR.
Die klagende Partei bekämpfte dieses Urteil nur hinsichtlich der Abweisung von 21.045,91 EUR sA. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Die Besonderheit des vorliegenden Falls bestehe darin, dass der Mieter in die Rechtstellung des Vermieters durch das Legat der Erblasserin eintrete. Nach § 1445 ABGB hebe die Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung (Konfusion) die Verbindlichkeit auf.
Die Einsetzung des Erben als Legatar sei zulässig und habe zu Folge, dass der bedachte Erbe hinsichtlich des Vermächtnisgegenstands in seinen Rechtsverhältnissen zu anderen Personen wie ein Legatar zu behandeln sei.
Erwerbe der Bestandnehmer an der Bestandsache Alleineigentum im Wege der Einzelrechtsnachfolge, so ende das Bestandverhältnis zu jenem Zeitpunkt, an dem dem Mieter anstelle des Rechtsbesitzes der Sachbesitz gebühre, durch Konfusion. Im Hinblick auf § 666 ABGB habe M***** D***** als Legatar keinen Mietzins an die Verlassenschaft zu zahlen. Aus diesem Grund sei für die Position der klagenden Partei auch aus § 693 ABGB nichts zu gewinnen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Entscheidung über den bei Legatskürzung maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses bei Nachfolge des Mieters als Legatar in die Rechtsstellung des Vermieters fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Nach § 684 ABGB erwirbt der Legatar in der Regel (§ 699 ABGB) gleich nach dem Tod des Erblassers für sich und seine Nachfolger ein Recht auf das Vermächtnis. Der Anfall (Erwerb) der Vermächtnisforderung vollzieht sich wie beim Erben, mangels anderer Anordnung des Erblassers mit dem Erbfall, bei suspensiv bedingter Zuwendung erst mit dem Bedingungseintritt (Welser in Rummel, ABGB³ § 684 Rz 1). Das Vermächtnis einzelner Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte kann der Legatar nach § 685 1. HS ABGB sogleich fordern. Diese privilegierten Vermächtnisse werden mit dem Anfall fällig (Welser aaO § 685 Rz 3). Der Eintritt der Fälligkeit erfolgt von selbst, setzt also keine Einmahnung voraus (Welser aaO § 685 Rz 4; SZ 49/118; NZ 1979, 143; NZ 1992, 69).
1.2. Bei dem Vermächtnis eines einzelnen Verlassenschaftsstückes kommen nach § 686 ABGB dem Legatar auch die seit dem Tod des Erblassers laufenden Zinsen, entstandenen Nutzungen und jeder andere Zuwachs zustatten. Der Beschwerte muss die angefallenen Zinsen und sonstige Nutzungen, also die natürlichen und zivilen Früchte, herausgeben und, soweit er sie verbraucht hat, Wertersatz leisten (Weiß in Klang ABGB² III 614; Welser aaO § 686 Rz 2). Mit „Zinsen" meint das Gesetz aus der Sache erlöste Benützungsentgelte (Welser aaO § 686 Rz 3).
2. Reicht - wie im vorliegenden Fall - die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtgemäßen Auslagen und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht aus, so sind die Legate nach § 692 ABGB verhältnismäßig zu kürzen. Nach dieser Bestimmung ist der Erbe, solange eine solche Gefahr obwaltet, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu berichtigen nicht schuldig. Dabei sind Sachvermächtnisse möglichst naturaliter, aber unter Bedachtnahme auf die Interessen des Erben und der Legatare, zu kürzen; soweit dies nicht möglich ist, tritt Geld an ihre Stelle (Welser aaO § 692 Rz 8). Sofern es vernünftig und den Beteiligten zumutbar ist, kann dem Sachlegatar eine Zahlung an den Nachlass auferlegt werden (JBl 1967, 371; Welser aaO). Für die Beurteilung der Frage, ob die Verlassenschaft zur Deckung der Legate ausreicht oder diese zu kürzen sind, ist auf den Zeitpunkt der Einantwortung abzustellen (Welser aaO § 692 Rz 7).
3.1. Sofern die Legatare die Vermächtnisse bereits empfangen haben, gewährt § 693 ABGB dem Vermächtnisschuldner, der das Legat ohne Abzug oder (ausreichende) Sicherstellung erfüllt hat, einen Kondiktionsanspruch (Eccher in Schwimann, ABGB³ § 693 Rz 1). Dabei wird der Abzug nach dem Wert, den das Vermächtnis zur Zeit des Empfangs hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Der Beitragsanspruch des Erben geht auf verhältnismäßige Rückerstattung in Geld, wobei der Wert der Sache nach dem Zeitpunkt des Empfangs zu bestimmen ist. Es ist so viel zu zahlen, als der Erbe ursprünglich abzuziehen berechtigt gewesen wäre (7 Ob 512/90 NZ 1990, 300). Darüber hinaus sind die bisher bezogenen Nutzungen verhältnismäßig zu vergüten (Welser aaO § 693 Rz 1).
3.2. § 693 ABGB betrifft zwar nur den Ersatzanspruch der Verlassenschaft gegen den Legatar. Allerdings setzt diese Bestimmung denknotwendig voraus, dass die Verlassenschaft bzw der Erbe einem entsprechenden, also auch die seit dem Erbanfall getätigten Nutzungen umfassenden Anspruch ausgesetzt ist, soll doch § 693 ABGB sicherstellen, dass es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob das Legat sofort oder später erfüllt wurde. Die Einbeziehung der Nutzungen in § 693 ABGB erklärt sich daraus, dass zwischen dem Anfall des Legats und dem für die allfällige Legatskürzung nach § 692 ABGB maßgeblichen Zeitpunkt der Einantwortung (vgl Welser aaO § 692 Rz 7) erhebliche Zeit vergehen kann. Aus dieser Überlegung bezieht § 693 ABGB die seit dem Anfall des Legats gezogenen Nutzungen in den Ersatzanspruch mit ein; im Ergebnis soll daher die Verlassenschaft bzw der Erbe so gestellt werden, wie diese stünden, wenn das Legat nicht sofort erfüllt worden wäre, sondern die Befriedigung des Legats im Hinblick auf die Unzulänglichkeit des Nachlasses aufgeschoben worden wäre.
3.3. Dabei kann es für die Legatskürzung keinen Unterschied machen, ob der Legatar - wie im Regelfall - eine vom Erben verschiedene Person ist oder - wie im vorliegenden Fall - der Erbe gleichzeitig auch Legatar ist. Im Hinblick auf den Zweck des § 693 ABGB ist hier auch die Eigennutzung durch den Vermächtnisnehmer in Anschlag zu bringen. Es macht unter diesem Gesichtspunkt keinen Unterschied, ob der Legatar das Objekt vermietet oder selbst bewohnt hat. Hätte der Erbe die Erfüllung des Legats (Übergabe der Liegenschaft) aufgeschoben, so würde sich das Objekt weiter im Nachlass befinden und müsste der Legatar Mietzins an den Nachlass zahlen. Der Umstand, dass dies im vorliegenden Fall unterblieben ist, weil der Legatar bereits im ihm vermachten Haus wohnte, kann keinen Unterschied machen.
4.1. Die Bestimmung des § 686 ABGB, wonach dem Vermächtnisnehmer ab dem Fälligkeitszeitpunkt sämtliche Erträgnisse zukommen, ist im Zusammenhalt mit den Bestimmungen über die Legatskürzung (§§ 692 ff ABGB) zu sehen: Soweit nach diesen Bestimmungen die Befriedigung des Legatars aufgeschoben werden kann, gebühren dem Legatar auch keine Erträgnisse. Andernfalls bestünde ein Wertungswiderspruch zu § 693 ABGB, der für den Fall, dass das Legat vor der Legatskürzung erfüllt wurde, die Rückgabe nicht nur der vermachten Sache, sondern auch der daraus gezogenen Nutzungen explizit anordnet.
4.2. Jedenfalls dann, wenn die Befriedigung der Legatare gemäß §§ 692 ff ABGB aufgeschoben wird, kann es auch nicht zu einer Konfusion iSd § 1445 ABGB zwischen dem Legatar und dem Mieter (vgl dazu Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1445 Rz 2; Weiß in Klang² III 639) kommen. Selbst wenn jedoch aufgrund vorzeitiger Erfüllung des Legats eine Konfusion eintreten sollte, zeigt § 693 ABGB, dass der Wert der Nutzungsmöglichkeit bei der Legatskürzung zu berücksichtigen ist.
4.3. Zwar hat die Einrede der Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses grundsätzlich nur insoweit aufschiebende Wirkung, als der geltend gemachte Legatsanspruch voraussichtlich von der Kürzung betroffen ist (RIS-Justiz RS0012633). Im vorliegenden Fall ist das vermachte Haus jedoch unteilbar, sodass die Erfüllung des Legats zunächst zur Gänze hätte verweigert werden können. Selbst wenn das Legat jedoch ungekürzt erfüllt wurde, könnte der Legatar nach § 693 ABGB dieses nur insoweit behalten, als sein Legat nicht einer entsprechenden Kürzung unterworfen ist.
5. Aus dieser Erwägung bedurfte es keines Eingehens auf die Frage, ob das faktische Verhalten des Legatars, der einfach im bereits zuvor gemieteten Bestandobjekt verblieb, als sofortige Erfüllung des Legats durch die Verlassenschaft anzusehen ist oder nicht. Auf die Ansprüche anderer Vermächtnisnehmer gegen die Verlassenschaft hat dies jedenfalls keinen Einfluss.
6. Dies bedeutet im Ergebnis, dass zu den Nachlassaktiven von (insoweit unstrittig) 1.440.862 EUR noch ein Nutzungsentgelt für die mehr als siebenjährige Nutzung des Bestandobjekts hinzuzurechnen ist. Die klagende Partei geht dabei im Berufungs- und Revisionsverfahren selbst nicht mehr von einem Betrag von insgesamt 120.000 EUR, sondern nur mehr - entsprechend der Höhe des früher bezahlten Mietzinses - von insgesamt 89.277,93 EUR aus. Unter Berücksichtigung der Nachlassverbindlichkeiten von (unstrittig) 258.828,68 EUR ergibt sich ein reiner Nachlass von 1.271.311,25 EUR. Setzt man diesen Betrag in Relation zur Summe der Legate von 1.387.271,35 EUR, so ergibt sich ein Kürzungsfaktor von 0,916411378. Damit hat die klagende Partei, der ein Barvermächtnis in Höhe von 327.027,75 EUR vermacht wurde, Anspruch auf 299.691,95 EUR. Von diesem Betrag wurden bereits 250.000 EUR im Wege eines Teilvergleichs anerkannt; weitere 28.646,06 EUR hat das Erstgericht zugesprochen. Die Klägerin hat daher Anspruch auf weitere 21.045,89 EUR.
In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abzuändern.
7. Im Hinblick auf die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Dabei waren Verfahrensabschnitte zu bilden. Bis zum Abschluss des Teilvergleichs hat die klagende Partei zu 94 % obsiegt, sodass sie Anspruch auf Ersatz von 88 % ihrer Kosten und 94 % ihrer Barauslagen hat.
Im zweiten Verfahrensabschnitt waren nur mehr 67.242,67 EUR streitgegenständlich; hier hat die klagende Partei mit 44 % obsiegt, sodass die beklagte Partei Anspruch auf Ersatz von 12 % ihrer Kosten hat. Zieht man diesen Betrag vom Kostenersatzanspruch der klagenden Partei ab, so ergibt sich der zugesprochene Kostenbetrag.
Im Berufungs- und Revisionsverfahren ist die klagende Partei dem gegenüber zur Gänze durchgedrungen.
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