OGH 6Ob202/24k

OGH6Ob202/24k11.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden (und widerbeklagten) Partei R*, vertreten durch Dr. Manfred Wiener und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte (und widerklagende) Partei R* GmbH, *, vertreten durch Mag. Leopold Kianek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Austausch (AZ 4 C 122/23d) und 6.950 EUR (AZ 4 C 229/23i), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 3. September 2024, GZ 18 R 126/24v‑39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 22. April 2024, GZ 4 C 122/23d, 4 C 229/23i‑30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00202.24K.1211.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger bestellte nach Besichtigung im Küchenstudio der Beklagten am 12. 8. 2022 eine Küche mit steinweißen Fronten sowie einer Arbeitsplatte aus Naturstein mit der Bezeichnung „Atlantic Stone Leather“ samt Elektrogeräten. Der Preis für die Steinplatte inklusive Schablone und Montage betrug 6.950 EUR. In weiterer Folge wurde die Küche von der Beklagten geliefert und aufgebaut. Der Kläger reklamierte die Lieferung einer falschen Küchenplatte, weil diese gegenüber dem Ausstellungsstück eine erheblich abweichende Optik aufweise. Die Beklagte tauschte die Platte nicht aus, der Kläger bezahlte den Kaufpreis nicht.

[2] Der Kläger begehrt den Austausch der Küchenplatte.

[3] Die Beklagte beantragt Klageabweisung und begehrte mit ihrer Widerklage Zahlung von 6.950 EUR.

[4] Das Erstgericht wies das Austauschbegehren ab, gab dem Zahlungsbegehren der Beklagten in Höhe von 3.475 EUR statt und wies das Zahlungsmehrbegehren ab.

[5] Das Berufungsgerichtgab den Berufungen beider Parteien nicht Folge und ließ die Revision mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur „über den Einzelfall hinausgehend erheblichen Frage der rechtlichen Qualifikation farblicher Abweichungen einer einheitlichen Natursteinplatte als Mangel“ (sic!).

Rechtliche Beurteilung

[6] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[7] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[8] 2.1. Das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) gilt gemäß dessen § 1 Abs 1 Z 1 für zwischen Unternehmern und Verbrauchern (§ 1 KSchG) geschlossene Verträge über den Kauf beweglicher körperlicher Sachen (Waren) – einschließlich solcher, die noch herzustellen sind –, die nach dem 31. 12. 2021 geschlossen wurden (§ 29 VGG), und ist daher auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

[9] 2.2. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Leistung der Beklagten im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war und der Mangel innerhalb von zwei Jahren nach diesem Zeitpunkt hervorkam (vgl § 10 Abs 1 VGG). Strittig ist hingegen der dem Kläger zustehende Gewährleistungsbehelf:

[10] 2.3. Der Kläger macht den primären Gewährleistungsbehelf des Austauschs der Leistung im Sinn von § 12 Abs 2 VGG geltend; eine Verbesserung ist unstrittig unmöglich (vgl allgemein dazu Koch/Kronthaler in Flume/Kronthaler/Laimer, VGG § 12 Rz 3 ff; Faber in KBB7 § 12 VGG Rz 4 ff). Gemäß § 12 Abs 3 VGG kann allerdings der Unternehmer die Herstellung des mangelfreien Zustands verweigern, wenn ihm sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für ihn mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären. Die Rechtsansicht, dass die Beklagte die Herstellung des mangelfreien Zustands berechtigt verweigert habe, ist angesichts des Umstands, dass es sich bei der Natursteinplatte nach den Feststellungen um ein Unikat handelt, vertretbar. Die von der Revision zitierten Entscheidungen sind schon auf Sachverhaltsebene nicht vergleichbar.

[11] 2.4. Damit hat der Kläger Anspruch auf Preisminderung (vgl § 12 Abs 4 Z 2 VGG). Die Vorinstanzen haben diesen Anspruch gemäß § 273 Abs 1 ZPO mit 50 % des Kaufpreises bemessen. Gegen die Anwendung des § 273 ZPO wendet sich die Revision nicht (vgl im Übrigen RS0018735), sondern nur gegen das Ausmaß der Minderung. Dem Gericht kommt bei Anwendung des § 273 ZPO die Befugnis zu, die Höhe des Anspruchs nach freier Überzeugung festzusetzen (RS0040459 [T1]). Für die Ausübung des richterlichen Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (vgl RS0040494). Es können daher nur gravierende, an die Grenzen des Missbrauchs gehende Fehler der Ermessensentscheidung auch noch in dritter Instanz aufgegriffen und korrigiert werden (RS0007104). Wenn die Vorinstanzen den Preisminderungsanspruch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Arbeitsplatte in einem technisch einwandfreien Zustand befindet, mängelfrei verlegt wurde und sich der Mangel nur im optischen Erscheinungsbild zeigt, mit 50 % bemessen haben, bedarf dies keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

[12] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Kostenersatz gebührt auf Basis des Austauschbegehrens.

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