Spruch:
1. Das unterbrochene Rechtsmittelverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.
2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Revisionsrekurswerber ist ehelicher Vater der am 27. 2. 1986 geborenen Julia und der am 22. 8. 1987 geborene Nicola. Die Kinder werden im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut. In einem anlässlich der Ehescheidung am 22. 7. 1999 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von je 8.500 S ab 1. 8. 1999, zahlbar bis spätestens 5. eines jeden Monats. Dem Vergleich lag ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 60.270 S (14 x pro Jahr) zugrunde. Im Vergleich wurde festgehalten, dass der Unterhaltsbetrag bei einer Änderung der Verhältnisse neu festgesetzt werden könne.
Die Kinder begehren nun eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages auf monatlich je 10.000 S ab 1. 4. 2001. Sowohl das Einkommen des Vaters als auch ihre Bedürfnisse hätten sich erhöht.
Der Vater sprach sich gegen den Antrag aus. Er beziehe kein wesentlich höheres Einkommen als zum Zeitpunkt des Vergleichs und habe in der Vergangenheit jeglichen Sonderbedarf der Kinder bezahlt. Die begehrten Unterhaltsbeiträge bedeuteten eine Überalimentierung. Im Übrigen verwende die Mutter einen Teil der Unterhaltsbeiträge für Kreditrückzahlungen und somit widmungswidrig; er begehre den monatlich zu leistenden Unterhalt auf je 7.000 S herabzusetzen. Das Erstgericht erhöhte den Unterhaltsbeitrag ab 1. 4. 2001 für Julia auf 10.000 S und für Nicola auf 9.500 S. Das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren Nicolas wies es ebenso ab wie den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters. Es stellte fest, dass der Vater im Jahr 2000 über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 76.890 S einschließlich anteiliger Sonderzahlungen verfügte und für die Mutter der Kinder sorgepflichtig sei; er habe an diese monatliche Unterhaltszahlungen von 5.000 S geleistet. Rechtlich bejahte das Erstgericht eine Änderung der Verhältnisse seit der vergleichsweisen Regelung; vom durchschnittlichen Nettoeinkommen des Vaters ausgehend und unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für die Mutter der Kinder ergebe sich unter gleichzeitiger Herabsetzung der nach der Prozentsatzmethode errechneten Beträge auf das Zweieinhalbfache des Durchschnittsbedarfs (damit werde eine pädagogisch schädliche Überalimentierung vermieden) die dem Vater auferlegte Unterhaltsleistung.
Das Rekursgericht gab dem gegen die Unterhaltserhöhung und die Abweisung seines Herabsetzungsantrages gerichteten Rekurs des Vaters nicht Folge. Es bejahte eine wesentliche Änderung des der Unterhaltsvereinbarung im Jahr 1999 zugrunde gelegten Nettoeinkommens des Vaters wie auch der Bedürfnisse der Kinder; die Neufestsetzung der Unterhaltsverpflichtung sei durch die nicht bloß unbedeutende Änderung der beiderseitigen Verhältnisse gerechtfertigt. Vom Vater erbrachte freiwillige Leistungen an Sonderbedarf könnten den Unterhaltsanspruch der Kinder nicht schmälern. Vom Alter der Kinder ausgehend sei der mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs bemessene Unterhaltsanspruch den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen und trage auch dem Grundsatz Rechnung, dass eine pädagogisch schädliche Überalimentierung vermieden werden solle. Die vom Vater behauptete vereinbarungswidrige Verwendung der Unterhaltszahlungen könne lediglich zur Ergreifung pflegschaftsbehördlicher Maßnahmen führen, den Unterhaltsanspruch der Kinder jedoch nicht mindern. Dem vom Vater unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001, B 1285/00, erhobenen Einwand, die Hälfte der Kinderbeihilfe und des Kinderzuschlags seien von den Unterhaltszahlungen in Abzug zu bringen, komme keine Berechtigung zu. Die vom Vater gewünschte Minderung der Unterhaltsverpflichtung stehe in Widerspruch zu § 12a FamilienlastenausgleichsG, wonach die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes gilt und dessen Unterhaltsanspruch nicht mindert. Sollte eine Senkung der Steuerbelastung im Fall getrennter Haushaltsführung für den geldunterhaltspflichtigen Elternteil aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sein, müsste dem durch entsprechende (gesetzliche) Regelungen Rechnung getragen werden. Der vom Vater angestrebte Ausgleich einer überhöhten Steuerbelastung durch die Kürzung des Unterhaltsbeitrages zu Lasten des unterhaltsberechtigten Kindes widerspräche § 12a FLAG. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob durch Auslegung des § 12a FLAG im Sinn des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001, wonach bei getrennter Haushaltsführung die Unterhaltspflicht durch eine teilweise Anrechnung der Transferleistung zu kürzen wäre, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und im Sinn seines Aufhebungsantrages berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die Vorinstanzen hätten die Umstandsklausel zu Unrecht angewendet. Es sei nicht richtig, dass sich sein Einkommen nach Vergleichsabschluss von 70.315 S auf 76.890 S erhöht habe. Vielmehr habe er 1999 insgesamt 907.019 S und im Jahr 2000 922.648 S verdient. Dem ist zu entgegnen, dass das vom Vater für 2000 angegebene Einkommen genau dem der Erhöhung zugrunde gelegten durchschnittlichen Monatsbezug von 76.890 S im Jahr 2000 entspricht. Die im Vergleich zur Bemessungsgrundlage des Unterhaltsvergleichs eingetretene Einkommenserhöhung rechtfertigt auch unter Zugrundelegung der Angaben des Vaters die Anwendung der Umstandsklausel. Der Revisionsrekurswerber bringt nämlich in seinem Rechtsmittel selbst vor, Bemessungsgrundlage des Vergleichs sei der Monatsbezug Februar 1999 gewesen. Dieser Bezug entspricht (berücksichtigt man die anteiligen Sonderzahlungen) einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von rund 72.250 S, sodass - abgesehen davon, dass Julia im Zeitpunkt des Erhöhungsantrages die Altersgrenze von 15 Jahren überschritten hatte, eine Unterhaltserhöhung nach den Grundsätzen der Umstandsklausel jedenfalls gerechtfertigt ist.
Der Revisionsrekurswerber macht ferner geltend, eine Unterhaltserhöhung auf das 2,5-fache des Durchschnittsbedarfs sei nicht angemessen, gehe doch der Unterhaltsvergleich vom Zweifachen des Regelbedarfs aus. Er übersieht dabei, dass der Regelbedarf für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren ab 1. 7. 1999 3.760 S betrug. Die im Vergleich vereinbarten Unterhaltszahlungen von je 8.500 S ab 1. 8. 1999 entsprachen somit dem 2,26-fachen (und nicht wie der Vater meint dem Zweifachen) dieses Regelbedarfs. Im Erhöhungszeitpunkt (1. 4. 2001) betrug der Durchschnittsbedarf für Juli (sie war damals über 15 Jahre) 4.510 S und für Nicola (in der Altersgruppe der 10- bis 15-Jährigen) 3.830 S, sodass auch die festgesetzte Unterhaltserhöhung weniger als das 2,5-fache des Regelbedarfs ausmacht. Die Unterhaltserhöhung schöpft auch die Leistungsfähigkeit des Vaters nach der Prozentsatzmethode nicht aus. Unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten für das jeweils andere Kind über 10 Jahren und die geschiedene Ehegattin könnten auf Julia maximal 17 % und auf Nicola maximal 15 % entfallen. Der für Julia erhöhte Unterhaltsbetrag entspricht 13 %, jener für Nicola 12,35 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die Berechnung der Unterhaltserhöhung durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden ist.
Der Revisionsrekurswerber macht schließlich noch geltend, der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, folgen müssten - in verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG - die dem Haushalt der Mutter zufließenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) bei Bemessung des Unterhalts berücksichtigt werden. Dies führe zu einer Herabsetzung seiner Unterhaltsleistung. Dieser Argumentation ist grundsätzlich zuzustimmen.
Der Oberste Gerichtshof hat gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass des vorliegenden Revisionsrekurses beim Verfassungsgerichtshof beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G 7/02 ua hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe. Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % - wenn die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Absenkung proportional fortgeschrieben wird - zu einem Steuersatz von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Steuersatz von 25 %. Für ein proportionales Fortschreiben der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Absenkung spricht, dass die Berechnung damit nachvollziehbar wird und für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen.
Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der zu entlastende Unterhaltsbetrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetz- betrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird. (Zu Berechnungsbeispielen siehe 4 Ob 52/02d und 1 Ob 79/02b.)
Im vorliegenden Fall bezieht der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von 76.890 S, sein Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt. Vom zu versteuernden Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Bezug - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommensteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Liegt daher das Bruttojahreseinkommen über 50.870 EUR, so ist der auf 40 % abgesenkte Grenzsteuersatz um 50 % anzuwenden, im darunter liegenden Bereich zwischen 21.800 EUR und 50.870 EUR ist der auf 33 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 41 % maßgeblich. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss - wie schon ausgeführt - bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der zu entlastende Unterhaltsbetrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist. Das Erstgericht wird das Verfahren daher durch Feststellung des zu versteuernden Jahresbruttoeinkommens des Vaters (ohne 13. und 14. Bezug) zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können. Die jeweils im Einzelfall vorzunehmende konkrete Berechnung des Geldunterhalts, die hier für zwei Kinder über längere Zeiträume und nach allenfalls unterschiedlichen Steuersätzen vorzunehmen ist, berührt nicht grundsätzliche Rechtsfragen, die nach Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 12a FLAG durch den Verfassungsgerichtshof zu beantworten waren. Sie kann daher gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO, der nach § 16 Abs 4 AußStrG auch für das Verfahren über einen Revisionsrekurs im außerstreitigen Verfahren gilt, den Vorinstanzen überlassen werden.
Dem Revisionsrekurs wird daher Folge gegeben.
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