OGH 6Ob194/58

OGH6Ob194/5824.9.1958

SZ 31/115

Normen

ABGB §1118
ABGB §1118

 

Spruch:

Ein Rückstand von einer oder mehreren Zinsraten allein genügt nicht zur Auflösung des Bestandvertrages nach § 1118 ABGB.

Entscheidung vom 24. September 1958, 6 Ob 194/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Melk; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Das Erstgericht hat die Beklagte schuldig erkannt, die im Hause M., R.-Straße 7, rechts vom Stiegenabgang gelegene und aus einem Zimmer bestehende Wohnung samt Nebenräumlichkeiten den Klägern geräumt zu übergeben und den Klägern den rückständigen Mietzins im Betrage von 442 S 70 g samt 4% Zinsen seit 1. März 1958 zu zahlen. Es ist auf Grund des feststehenden Sachverhaltes, daß die Beklagte trotz der ihr Mitte Februar 1958, zugekommenen Mahnung des Klagevertreters zur Zahlung des für die Monate Jänner und Februar 1958 noch rückständigen Mietzinses in der Höhe von 280 S bis zum Verhandlungsschluß weder diesen Rückstand noch den in der Klage gleichfalls eingemahnten Märzzins bezahlt habe, zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Räumungsbegehren zufolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 1118 ABGB. stattzugeben sei. Desgleichen ergebe sich die Zinsschuldigkeit aus dem gerichtlichen Tatsachengeständnis der Beklagten.

Der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung, mit welcher die Abänderung des Ersturteiles lediglich dahin beantragt wurde, daß das klagsgegenständliche Räumungsbegehren kostenpflichtig abgewiesen werde, wurde Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, daß sowohl das Räumungsbegehren als auch das Begehren auf Zahlung des rückständigen Bestandzinses von 442 S 70 g samt Anhang abgewiesen wurden. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, die Aufhebung des Bestandvertrages gemäß § 1118 ABGB. setze voraus, daß der Bestandgeber den rückständigen Mietzins eingemahnt habe. Die Mahnung müsse aber bezüglich der ersten Rate vor Verfall der zweiten ergehen. Die klagenden Parteien hätten sich bereits in der Klage auf den Inhalt des Aktes Msch 4/57 des Bezirksgerichtes Melk berufen, so daß auch das Berufungsgericht denselben zur Lösung der Rechtsfrage verwerten könne. Auf Grund des beigeschafften Aktes stehe fest, daß die Rekursentscheidung des Kreisgerichtes St. Pölten, mit dem die endgültige Festsetzung des Mietzinses bestätigt wurde, dem Vertreter der beklagten Partei Willibald P. laut Rückschein erst am 18. Februar 1958 zugestellt worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte noch nicht gewußt, daß der Mietzins für ihre Wohnung auf 150 S im Monat erhöht worden sei, weil die Entscheidung des Bezirksgerichtes Melk vom 17. Jänner 1958, Msch 4/57-14, noch nicht in Rechtskraft erwachsen war. Erst ab diesem Zeitpunkt sei für sie die Mietzinserhöhung auf 150 S, wenn auch rückwirkend ab 1. Jänner 1958, wirksam geworden. Der erhöhte Zins sei also erst am 18. Februar 1958 von der Beklagten, wenn auch rückwirkend ab 1. Jänner 1958, zu zahlen gewesen. Die vom Vertreter der Kläger am 13. Februar 1958 zur Post gegebene Mahnung sei demnach verfrüht. Sie sei aber auch inhaltsleer, weil damals die eingemahnte Forderung noch nicht fällig gewesen sei; der erhöhte Mietzins sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig festgesetzt gewesen, der frühere niedrigere Mietzins aber bereits gezahlt worden. Daß nach eingetretener Fälligkeit, also nach dem 18. Februar 1958, eingemahnt worden sei, habe die klagende Partei selbst nicht behauptet. Da die Kläger nicht die ihnen nach § 19 Abs. 2 Z. 1 MietG. offenstehende Kündigung gewählt, sondern die sofortige Aufhebung des Vertrages im Sinne des § 1118 ABGB. begehrt hätten, sei in Stattgebung der Berufung das Klagebegehren, das ein einheitliches darstelle, zur Gänze abzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nur zum Teil Folge und bestätigte die Abweisung des Räumungsbegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Gesetz verlangt, daß der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt im Rückstand ist, daß er mit Ablauf des Termines den rückständigen Zins nicht vollständig entrichtet hat (§ 1118 ABGB.). Durch Versäumung einer oder mehrerer Fristzahlungen verwirkt daher der Bestandnehmer sein Recht noch nicht, wohl aber, wenn er nach geschehener Einmahnung bis zum nächsten Termin, also bis zum Ablauf der Zinsperiode, den rückständigen Zins nicht vollständig entrichtet hat. Nun kann zwar sowohl vor als auch nach Fälligkeit der Forderung eingemahnt werden, doch darf in ersterem Falle die Aufforderung des Gläubigers nur dahin gehen, daß der Schuldner nach eingetretener Fälligkeit zahlen solle. Eine Mahnung, welche die Zahlung vor Fälligkeit beansprucht, bewirkt daher nicht den Eintritt des Verzuges. Da im vorliegenden Fall die Rechtswirksamkeit der Rekursentscheidung vom 11. Februar 1958 der beklagten Partei gegenüber erst mit Zustellung dieses Beschlusses an den Beklagtenvertreter am 18. Februar 1958 eingetreten ist, womit in weiterer Folge erst die Voraussetzung der Fälligkeit des u. a. für die Monate Jänner und Februar 1958 festgesetzten Mietzinses gegeben war, konnte die am 13. Februar 1958, somit vor Fälligkeit, ergangene Einmahnung bei sonstiger Unwirksamkeit nur darauf gerichtet sein, den rückständigen Zins nach dessen rechtskräftiger Bestimmung innerhalb angemessener Frist ab Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses zu zahlen. Da der Inhalt des Mahnschreibens vom 13. Februar 1958, womit die damals noch nicht fälligen Zinsbeträge für Jänner und Februar 1958 eingemahnt wurden, diesem Erfordernis nicht entspricht, kann die mit diesem Schreiben erfolgte Mahnung nicht als wirksam angesehen werden. Wird aber davon ausgegangen, daß die Auflösungswirkung nach § 1118 ABGB. voraussetzt, daß der Mieter nach geschehener Einmahnung bis zum nächsten Zinstermin im Rückstand bleibt, so kann im Hinblick darauf, daß der rückständige Mietzins für Jänner und Februar 1958 vor Eintritt der nächstfolgenden Zinsfälligkeit (1. März 1958) nicht zum Anlaß einer rechtswirksamen Mahnung genommen wurde, den Klägern nicht das Recht zugebilligt werden, die frühere Aufhebung des Vertrages im Sinne des § 1118 ABGB. zu begehren. Wenngleich der von den Klägern in ihren Rechtsausführungen vertretenen Auffassung beizupflichten ist, daß sowohl durch die Räumungs- als auch durch die Zinsklage die Mahnung ersetzt wird, so erscheint damit für den Rechtsstandpunkt der Kläger nichts gewonnen, da die Einmahnung des für die Monate Jänner bis einschließlich März rückständigen Zinses zur früheren Auflösung, des Vertrages nur dann führen könnte, wenn die Beklagte bis zum nächstfolgenden Termin (1. April 1958) im Rückstand geblieben wäre (vgl. SZ. XI 160; ZBl. 1984 Nr. 360). Da die Verhandlung erster Instanz bereits am 27. März 1958 geschlossen wurde, fällt jedoch die Prüfung dieser Frage nicht mehr in den Rahmen des gegenständlichen Verfahrens. Das Räumungsbegehren wurde daher mangels der Voraussetzungen des § 1118 ABGB. mit Recht abgewiesen.

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