Normen
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
Spruch:
Besteht Auskunftspflicht, so muß die Auskunft auch beeidet werden
Entscheidung vom 2. September 1965, 6 Ob 193/65
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz
Text
Der Kläger (und Widerbeklagte) begehrt von der Beklagten (und Widerklägerin) den eingeschränkten Betrag von 26.040.20 S samt Anhang für gelieferte Kühlschränke. Die Beklagte begehrt in ihrer Widerklage zunächst den Zuspruch von 9846.80 S samt Anhang sowie Verurteilung des Klägers, ein Verzeichnis aller von ihm seit 7. Juli 1961 in Oberösterreich verkauften Kühl- und Tiefkühlmaschinen, soweit es sich um D.-Erzeugnisse handelt, vorzulegen und die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben zu beeiden.
Das Erstgericht verband beide Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und verurteilte den Kläger mit Teilurteil, das in der Widerklage begehrte Verzeichnis vorzulegen und dessen Richtigkeit und Vollständigkeit zu beeiden. Es nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Kläger sei mit der Beklagten in Geschäftsverbindung gestanden und habe sie mit D.-Kühlmaschinen beliefert. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 7. Juli 1961 habe der Kläger der Beklagten den alleinigen Verkauf von D.-Geräten für den Bezirk W. zugesichert. Für jedes von ihr oder auch vom Kläger direkt in diesem Bezirk verkaufte Gerät sollte sie 5% des Bruttopreises erhalten. Außerdem habe der Kläger der Beklagten "vorläufig" für das Land Oberösterreich den Garantie- und Kundendienst übertragen. Auf Grund dessen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, innerhalb der Garantiefrist, die für das Möbel ein Jahr, für das Aggregat fünf Jahre betrug, auf ihre Kosten sich ergebende Reparaturen durchzuführen und zu diesem Zweck einen auf Kühlmaschinen geschulten Monteur zu beschäftigen. Notwendige Ersatzteile sollten gegen Rückgabe der schadhaften Teile vom Kläger kostenlos beigestellt werden. Hiefür sollte die Beklagte bei allen von ihr verkauften Geräten 5% des Nettoverkaufspreises erhalten und von allen vom Kläger im Lande Oberösterreich direkt verkauften Geräten 2.5% des Nettoerlöses, letzteres unabhängig davon, ob ihr Reparaturdienst innerhalb der Garantiefrist in Anspruch genommen würde oder nicht. Diese Vereinbarung sei noch wirksam. Die 2.5% des Nettopreises stellten das Entgelt für das eingegangene Risiko der Garantieverpflichtung dar und sollten monatlich auf der Basis des Geldeingangs von den Kunden abgerechnet werden. Die Beklagte sei auch in der Lage gewesen, die übernommenen Reparaturarbeiten durchzuführen.
Die Beklagte habe somit ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse, zu erfahren, wieviele und welche Geräte der Kläger in Oberösterreich verkauft hat, da erst dann eine Abrechnung mit ihm möglich sei. Der Kläger lehne es ab, eine solche Auskunft zu erteilen. Er sei aber gemäß Art. XLII EGZPO. hiezu und zu deren Beeidigung verpflichtet, da die Erlöse und Ansprüche aus seinen Verkäufen in Oberösterreich zu seinem Vermögen gehören. Da dies eine Voraussetzung für die Abrechnung zwischen den Parteien sei, müsse zuerst der Kläger mit Teilurteil hiezu verhalten werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Verurteilung des Klägers zur Auskunftserteilung und änderte es im übrigen dahin ab, daß es das Begehren auf Verurteilung zur Eidesleistung abwies. Es billigte die erstrichterliche Beweiswürdigung, übernahm auch die darauf gegrundeten Feststellungen und stellte aus der schriftlichen Vereinbarung vom 7. Juli 1961 ergänzend fest, daß die Vereinbarung vorläufig bis Ende 1962 gelten und sich automatisch immer um ein Jahr verlängern sollte, wenn sie nicht sechs Monate vor Ablauf der Frist aufgekundigt würde. Es bejahte demnach auch die Ansprüche der Beklagten und in weiterer Folge deren Recht vom Kläger Auskunft zu begehren.
Einen Eid über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft müsse aber nur derjenige leisten, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, also nach einem Gesetz, verpflichtet sei, ein Vermögen anzugeben. Die Kundendienstvereinbarung sei ein gemischter Vertrag: einerseits sei die Beklagte beauftragt worden, den Kundendienst zu übernehmen, andererseits habe sie die Erfüllung der Garantie- und Kundendienstverpflichtungen übernommen, die den Kläger hinsichtlich der im Bundesland Oberösterreich verkauften Geräte trafen. Während aber die gesetzlichen Bestimmungen über die Erfüllungs- und Schuldübernahme eine Rechnungslegungspflicht überhaupt nicht vorsähen, sei nach § 1012 ABGB. nur der Beauftragte, nicht aber der Auftraggeber (hier der Kläger), zur Rechnungslegung verpflichtet. Da der Kläger somit nur auf Grund der Vereinbarung der monatlichen Kundendienstabrechnung zur Rechnungslegung verpflichtet sei, nicht aber nach dem Gesetz, könne von ihm keine Eidesleistung verlangt werden. Dies auch deshalb nicht, weil nach der Natur des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Geschäftes die Angabe des Vermögens durch den Kläger nicht vorgesehen sei und die Beklagte auch keinen Anspruch auf ein Vermögen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers keine Folge, der Revision der Beklagten hingegen Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dafür, daß die zwischen den Parteien am 7. Juli 1961 geschlossene Vereinbarung ausdrücklich widerrufen wurde, fehlt in den untergerichtlichen Feststellungen jeglicher Anhaltspunkt. Aber auch die Argumente, mit denen der Kläger einen konkludenten Widerruf begrunden will, sind nicht überzeugend. Nachdem in der schriftlichen Vereinbarung die sich aus der Geschäftsverbindung ergebende Rechtslage nach allen Richtungen hin geregelt wurde, heißt es in deren vorletztem Absatz:
"Diese Vereinbarung gilt vorläufig bis Ende 1962 und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn nicht 6 Monate vor Ablauf der Frist die Vereinbarung schriftlich aufgekundigt wird.
Dieser Passus ist vollkommen eindeutig und gibt keinerlei Möglichkeit, einen jederzeitigen formlosen Rücktritt des Klägers anzunehmen. Insbesondere kann derartiges nicht aus dem Wort "vorläufig" abgeleitet werden, da es in diesem Zusammenhang nur bedeutet, daß die ganze vorstehend getroffene Vereinbarung auf jeden Fall zunächst bis Ende 1962 gelte und daß sich ihre Wirkungsdauer nach diesem Zeitpunkt und auch weiterhin immer wieder um ein Jahr verlängere, wenn sie nicht jeweils sechs Monate vor Ablauf dieser Termine schriftlich aufgekundigt werde.
Dem Kläger stand es selbstverständlich frei, die der Beklagten aus dieser Vereinbarung erwachsenden Verpflichtungen aus was immer für Gründen nicht in Anspruch zu nehmen und den Kundendienst in Oberösterreich durch andere Unternehmer durchführen zu lassen. Es mag auch sein, daß der Kläger damit von der Vereinbarung mit der Beklagten abgehen wollte, doch konnte er diese Absicht angesichts der ihr entgegenstehenden eindeutigen Vertragsbestimmung, an die er mangels Zustimmung der Beklagten bis zur gehörigen Aufkündigung gebunden bleibt, nicht realisieren.
Eine Zustimmung der Beklagten zur Vertragsauflösung liegt weder darin, daß sie die Übertragung von Serviceaufträgen nicht urgierte, noch darin, daß sie durch längere Zeit die monatliche Abrechnung sowie die Auszahlung der 2.5%igen Abfindung von den Nettoerlösen nicht verlangte, da sie in beiden Richtungen im Vertrauen auf ihre vertraglichen Rechte zuwarten konnte.
Dem erstmals in der Revision erhobenen Einwand, daß zumindest das Prozeßvorbringen des Klägers als schriftliche Aufkündigung der Vereinbarung zum nächstmöglichen Termin angesehen werden müsse, kann deswegen nicht zugestimmt werden, weil der Kläger zwar in seinem Schriftsatz ON. 10 und ebenso in der zur Widerklage erstatteten Klagebeantwortung den Standpunkt vertreten hat, die Kundendienstregelung sei de facto abgeändert bzw. von ihm widerrufen worden, er aber in seinem Prozeßvorbringen nirgends die Erklärung abgegeben hat, daß er, falls dieser Rechtsstandpunkt nicht anerkannt werde, die Vereinbarung hiemit zum nächstmöglichen Termin aufkundige.
Nach der Vereinbarung vom 7. Juli 1961 war der Kläger jederzeit berechtigt, das bei der Beklagten unterhaltene Kommissionslager zu kontrollieren, aus diesem Lager Ware zu entnehmen, oder es, falls der Umsatz nicht befriedigend sei, aufzulösen. Für das Kommissionslager bestand also eine Sonderregelung. Wenn der Kläger davon Gebrauch gemacht und das Lager aufgelöst hat, so hat dies auf die Gültigkeit und Lösbarkeit der übrigen Teile der Vereinbarung keinen Einfluß.
Entgegen den Revisionsausführungen sind somit die Untergerichte mit Recht davon ausgegangen, daß die Vereinbarung der Streitteile vom 7. Juli 1961 noch aufrecht und daher der Entscheidung zugrundezulegen ist.
Was die Verpflichtung zur Auskunfterteilung anlangt, so kommt vorliegend nur der erste Fall des Art. XLII EGZPO. in Betracht, ob also der Kläger nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes verpflichtet ist, ein Vermögen oder Schulden anzugeben. "Bürgerliches Recht" ist hiebei im weiteren Sinne zu verstehen (Fasching, Komm. II 90). Die Verpflichtung zur Vermögensangabe kann sich demnach unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechtes oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ableiten. Wird er auf eine privatrechtliche Vereinbarung gestützt, so muß diese keineswegs ausdrücklich die Verpflichtung zur Auskunftserteilung enthalten. Der Anspruch kann sich vielmehr aus der Art der privatrechtlichen Vereinbarung ergeben (Fasching, a. a. O., S. 90/91, SZ. XXXV 108, XXXII 128), wenn nämlich das Wesen des Rechtsverhältnisses es mit sich bringt, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen und diese Auskunft ihm nach den Gesetzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden kann.
Genau dieser Fall ist aber hier gegeben. Der Beklagten steht nach den Feststellungen der Untergerichte für die Übernahme des Garantie- und Kundendienstes im Lande Oberösterreich ein Anspruch auf 2.5% des Nettoerlöses aller vom Kläger "in diesem Bereich" verkauften Geräte zu, deren Abrechnung "auf Basis Geldeingänge von Kunden" geschehen sollte. Da der Kläger diese Auskunft verweigert, hat die Beklagte keine andere Möglichkeit, als ihn durch Klage nach Art. XLII EGZPO. hiezu zu zwingen, da sie nur so ermitteln kann, ob, allenfalls welche Ansprüche ihr gegen den Kläger zustehen. Dem Kläger ist eine solche Auskunftserteilung, die ja seiner vertraglichen Abrechnungspflicht entspricht, auch unschwer möglich.
Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
Eine Beschränkung der Eidesleistung auf jene Fälle, in denen die Pflicht zur Auskunftserteilung unmittelbar auf dem Gesetz beruht - wie das Berufungsgericht meint -, ist im Gesetz nicht begrundet. Dieses sieht vielmehr in allen Fällen der Auskunftserteilungspflicht "nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes", gleichgültig, ob sie unmittelbar aus gesetzlicher Vorschrift oder aus privatrechtlicher Vereinbarung abgeleitet werden, die Eidesleistung vor.
Die Beklagte ist bei der Ermittlung ihrer allfälligen Gegenforderung davon abhängig, daß der Kläger ihr bekanntgibt, welche D.-Kühl- und Tiefkühlmaschinen er seit 7. Juli 1961 in Oberösterreich verkauft hat. Diese Auskunft kann der Kläger auf Grund seiner Geschäftsunterlagen einwandfrei ermitteln und die Verpflichtung des Klägers zur Beeidigung seiner Auskunft stellt die einzige Sicherung der Beklagten dafür dar, daß diese Auskunft richtig und vollständig ist.
Es war daher der Revision der Beklagten Folge zu geben und das Ersturteil zur Gänze wieder herzustellen.
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