OGH 6Ob192/98y

OGH6Ob192/98y16.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Erstantragstellers Markus H*****, und der Zweitantragstellerin Tatjana Carina H*****, vertreten durch Winkler-Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wegen Scheidung im Einvernehmen, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Zweitantragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 8.Mai 1998, GZ 1 R 248/98y-11, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508 a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Am 23.12.1996 begehrten Markus und Tatjana Carina H***** beim Erstgericht persönlich die Scheidung ihrer Ehe. Dabei behaupteten sie ua, daß sie sich über die Zuteilung der aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder und ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander geeinigt hätten.

Über diesen Antrag wurde am 29.1.1997 mit den unvertretenen Antragstellern mündlich verhandelt. In dieser Tagsatzung schlossen diese eine als Vergleich bezeichnete Vereinbarung iSd § 55a Abs 2 EheG. Weiters wurde der Beschluß auf Scheidung der Ehe verkündet. Die Antragsteller erklärten, auf ein Rechtsmittel dagegen zu verzichten. Der Beschluß samt Tagsatzungsprotokoll und Vergleichsausfertigung wurde den Antragstellern am 18.2.1997 zugestellt.

Am 3.4.1998 beantragte die nunmehr rechtsanwaltlich vertretene Zweitantragstellerin die Fortsetzung des Verfahrens, weil sie zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht geschäfts- und damit nicht prozeßfähig gewesen sei. Der am 29.1.1997 geschlossene Vergleich sei daher unwirksam.

Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück, weil dieser im Gesetz nicht vorgesehen sei.

In ihrem Rekurs behauptete die Zweitantragstellerin neuerlich, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Scheidungsvergleiches vom 29.1.1997 geschäftsunfähig und somit nicht prozeßfähig gewesen zu sein. Deshalb sei dieser Vergleich ex tunc unwirksam. Die prozessuale Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleiches werde durch einen Fortsetzungsantrag geltend gemacht, über den in einem Zwischenverfahren zu entscheiden sei. Dabei sei zu klären, ob der Prozeß als beendet anzusehen ist.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Rekurswerberin habe keinen vom Prozeßrecht eingeräumten Rechtsbehelf zur Beseitigung des in Rechtskraft erwachsenen Scheidungsbeschlusses erhoben. Ihr Hinweis auf eine allfällige prozessuale Unwirksamkeit des Scheidungsvergleiches gehe ins Leere, weil der behauptete Mangel ihrer Geschäftsfähigkeit materiellrechtlicher Natur sei. Der Vergleich müsse daher mit selbständiger Klage auf Feststellung seiner Unwirksamkeit angefochten werden, ein bloßer Antrag auf Fortsetzung des verglichenen Verfahrens sei unzulässig.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Es trifft zu, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein gerichtlicher Vergleich zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrages und einer Prozeßhandlung hat. Ob ein Vergleich einen Prozeß beendet, ist ausschließlich nach Prozeßrecht zu beurteilen, ob ein verpflichtender Vertrag zustande gekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht. Fehlen im gerichtlichen Vergleich materiellrechtliche Gültigkeitsvoraussetzungen, dann ist er als solcher ebenso unwirksam wie eine darin liegende materiellrechtliche Parteienübereinkunft. Die prozessualen Wirkungen des erfolgreich angefochtenen Vergleiches reduzieren sich letztlich auf seine prozeßbeendigende Wirkung (EvBl 1992/76 ua).

Im vorliegenden Fall wurde nicht ein prozeßbeendender Vergleich über den Prozeßgegenstand, sondern im Rahmen eines außerstreitigen Ehescheidungsverfahrens nach den § 220 ff AußStrG eine Vereinbarung für den Fall der Scheidung im Sinne des § 55 a Abs 2 EheG vor Gericht geschlossen, deren materiellrechtliche Ungültigkeit die Zweitantragstellerin behauptet. Ein solcher Vergleich über die Scheidungsfolgen ist wie jeder gerichtliche Vergleich auch ein Rechtsgeschäft, dessen materielle Gültigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen ist. Wenn auch die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen eine der Voraussetzungen für die Scheidung nach § 55 a Abs 1 EheG ist, nimmt das Gesetz in Kauf, daß das Pflegschaftsgericht die erforderliche Genehmigung der auf die Kinder bezogenen Teile der Vereinbarung nachträglich verweigert, ohne daß die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eine Durchbrechung erfährt. Selbst wenn die Ehe geschieden wird, obgleich keine Vereinbarung vorgelegt oder geschlossen wurde oder wenn eine Vereinbarung unvollständig oder nur zum Schein geschlossen ist, um die Scheidung im Einvernehmen zu erwirken, ist der rechtskräftige Scheidungsbeschluß dennoch wirksam (SZ 58/43 mwN).

Da im vorliegenden Fall die Zweitantragstellerin nach ihrem Vorbringen im Fortsetzungsantrag offensichtlich nur den für den Fall der Scheidung geschlossenen Vergleich, nicht aber den rechtskräftigen Ausspruch der Ehescheidung beseitigen will - daß sie im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsbeschlusses am 18.2.1997 geschäfts- und prozeßunfähig gewesen und damit diese Zustellung unwirksam gewesen wäre, wurde von der Zweitantragstellerin nicht behauptet - muß auf die Problematik der von der Rechtsprechung verneinten, von der Lehre mehrfach bejahten Möglichkeit einer Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage bzw solcher Anträge im außerstreitigen Eheverfahren nach den §§ 220 ff AußStrG nicht näher eingegangen werden, weil selbst die Lehre eine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage nur auf den die Scheidung aussprechenden Beschluß, nicht aber auf die Nichtig- oder Unwirksamerklärung oder Abänderung einer anläßlich der Scheidung geschlossenen Vereinbarung gemäß § 55 a Abs 2 EheG einschränkt (Pichler in Rummel2 Rz 9 zu § 55 a EheG mwN). Ein Antrag auf Fortsetzung des rechtskräftig abgeschlossenen Scheidungsverfahrens (anstelle einer selbständigen Klage) zur Beseitigung der Wirkungen eines Scheidungsfolgenvergleiches wegen behaupteter Geschäftsunfähigkeit kommt daher, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht in Betracht.

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