OGH 6Ob189/12f

OGH6Ob189/12f27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** C*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei Dr. E***** V*****, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 20. Juni 2012, GZ 1 R 130/12v‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00189.12F.0227.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0031183). Fehlt es dabei an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, ist maßgeblich, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0020521). Die Frage, ob aufgrund der näheren Umstände des Einzelfalls das eine oder das andere anzunehmen ist, übersteigt an Bedeutung regelmäßig nicht das konkrete Verfahren (§ 502 Abs 1 ZPO).

2. Der Kläger beruft sich für seinen Standpunkt, bei dem vom Beklagten betriebenen Massagebetrieb handle es sich um einen Nebenbetrieb der Wellness-Oase, weshalb das Bestandverhältnis insgesamt als Unternehmenspacht zu werten sei, auf die so genannte Nebenbetriebsjudikatur. Danach ist Unternehmenspacht bei Bestandverträgen über Einrichtungen anzunehmen, die ohne den durch den Hauptbetrieb gesicherten Kundenkreis gar nicht bestehen könnten und bei denen der Erfolg ganz entscheidend von diesem Hauptbetrieb und dessen Umfang abhängig ist, wogegen der Tüchtigkeit des Unternehmers des Nebenbetriebs für den Unternehmenserfolg nur ein geringer Stellenwert beizumessen ist und bei denen schließlich auch die Betriebspflicht von ausschlaggebender Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0020334). Gerade das Vorliegen einer Betriebspflicht auf Seiten des Beklagten haben aber die Vorinstanzen im vorliegenden Fall auf Tatsachenebene verneint; im Übrigen ist die Wellness-Oase seit Mai 2007 geschlossen, während der Beklagte ‑ wenn auch nur stundenweise ‑ noch immer seine Massagetätigkeit ausübt. Damit ist aber der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht mit dem der Entscheidung 8 Ob 659/89 zugrundeliegenden vergleichbar.

Auch der Hinweis der außerordentlichen Revision auf die Entscheidung 2 Ob 157/56 (MietSlg 4987, 4997) ist verfehlt, ist diese doch zu § 1103 ABGB ergangen (vgl Riss in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 [2010] § 1103 Rz 1). Das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen den Parteien behauptet der Kläger aber gar nicht; im Übrigen setzt auch § 1103 ABGB ausdrücklich eine vereinbarte Betriebspflicht voraus.

Auf die Ausführungen der außerordentlichen Revision zur (angeblichen) „Verkennung des Kundenstocks“, zur „Eingliederung in den Betrieb der Wellness-Oase“ und zur „Verkennung der Betriebspflicht“ ist nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist.

3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war den Vermietern bei Vertragsabschluss klar, dass der Beklagte die Massagetätigkeit nur nebenbei ausüben werde, was er auch nach wie vor tut. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG ist daher ‑ entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ‑ nicht erfüllt.

4. Unleidliches Verhalten des Mieters iSd § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG beziehungsweise § 1118 1. Fall ABGB kann zwar auch in laufend unternommenen Versuchen des Mieters erblickt werden, seine Benützungsrechte auf nicht in Bestand genommene Räume auszudehnen (1 Ob 674/85; 8 Ob 120/07s; 2 Ob 181/10x). Dies setzt aber eine Störung des friedlichen Zusammenlebens von Vermieter und Mieter beziehungsweise von mehreren Mietern voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RIS‑Justiz RS0070303). Die Auffassung, dass das Abstellen von zwei Liegen im Solarienraum der seit Mai 2007 geschlossenen Wellness-Oase diese von der Rechtsprechung geforderten Kriterien nicht erfüllt, ist dabei durchaus vertretbar.

5. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 576/86; 3 Ob 20/09a SZ 2009/70 = immolex 2009/82 [Böhm 198, 224] = Zak 2009/468 [Pletzer 363] = RdW 2009/637 [Prader 563]; 1 Ob 176/12g; ebenso Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 [2010] §§ 934 Rz 1) finden die Bestimmungen über die Anfechtung eines Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte (§§ 934 f ABGB) auch auf Bestandverträge Anwendung. Da die Missrelation der Werte bereits im Vertragszeitpunkt bestanden haben muss (RIS‑Justiz RS0018871), die außerordentliche Revision eine solche aber gerade nicht behauptet, kann aus dieser Rechtsprechung für den Kläger jedoch nichts gewonnen werden. Auch die von ihm zitierte Entscheidung 8 Ob 576/86 stellt lediglich klar, dass der Erwerber des Bestandgegenstands Ansprüche nach §§ 934 f ABGB geltend machen kann, nicht aber, dass dann der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt nicht jener des ursprünglichen Vertragsabschlusses gewesen wäre.

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