OGH 6Ob175/06p

OGH6Ob175/06p14.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN ***** eingetragenen L***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Kufstein, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den Revisionsrekurs des Antragstellers Peter H*****, vertreten durch Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Mai 2006, GZ 3 R 14/06t-5, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Innsbruck vom 30. Jänner 2006,GZ 62 Fr 126/06a-2, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. 10. 2004 hatte das Firmenbuchgericht über Antrag des nunmehrigen Rechsmittelwerbers die Gesellschaft zur Gestattung der Bucheinsicht und Erteilung der damit zusammenhängenden Auskünfte verpflichtet.

Mit ihrer beim Erstgericht am 7. 9. 2005 eingelangten Klage begehrt die Gesellschaft die Wiederaufnahme des Rechnungslegungsverfahrens, die urteilsmäßige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Abweisung der Anträge auf Bucheinsicht und Informationserteilung. Es seien zwischenzeitig neue Umstände eingetreten, die die begehrte Bucheinsicht und Informationserteilung als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließen.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Gesellschaft Folge, hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf und sprach aus, dass das Firmenbuchgericht über die als Antrag auf Wiederaufnahme aufzufassende Wiederaufnahmsklage im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Firmenbuchgericht den Wiederaufnahmeantrag ohne Prüfung der geltend gemachten Gründe zurück. Die Wiederaufnahme eines außerstreitigen Verfahrens sei nach den im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen des Außerstreitgesetzes in der alten Fassung unzulässig. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auf. Das Gericht erster Instanz habe vor dem 1. 1. 2005 entschieden, sodass die Bestimmungen der §§ 72 ff des neuen Außerstreitgesetzes über das Abänderungsverfahren noch nicht angewendet werden könnten. Der Oberste Gerichtshof habe in einer Vielzahl von Entscheidungen die Möglichkeit einer Wiederaufnahme im Außerstreitverfahren verneint, schließlich jedoch die Auffassung vertreten, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen seien die Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahmsklage zumindest in „echten Streitsachen" des außerstreitigen Verfahrens analog anzuwenden. Diese Auffassung trage dem Umstand Rechnung, dass sich die Bedeutung des Verfahrens außer Streitsachen im Lauf der Zeit gewandelt habe. Im vorliegenden Fall diene das wiederaufzunehmende Verfahren der Klärung, ob der die Bucheinsicht Begehrende in seinem Informationsrecht ohne gerechtfertigte Gründe beschnitten wurde. Im Hinblick auf das von der Gesellschaft behauptete rechtsmissbräuchliche Verhalten seien zahlreiche streitige Tatfragen zu klären, sodass eine echte Streitsache des außerstreitigen Verfahrens vorliege. Der Revisionsrekurs des im wiederaufzunehmenden Verfahren obsiegenden Gesellschafters ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens sind Ansprüche eines

Gesellschafters auf Bucheinsicht nach § 22 Abs 2 GmbHG. Sie sind gem

§ 102 GmbHG im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen.

§ 15 Abs 1 FBG schließt die Anwendung der §§ 71 - 77 AußStrG neu über

das Abänderungsverfahren ausdrücklich (225 BlgNR 22. GP 39), aber nur insoweit aus, als das FBG anzuwenden ist. Sonstige gesellschaftsrechtlichen Außerstreitverfahren (wie etwa das Verfahren über Informations- und Prüfungsansprüche von Gesellschaftern) unterliegen den allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes (G. Kodek in Kodek/Nowotny/ Umfahrer, Firmenbuchgesetz § 15 Rz 7 und Rz 232).

Die Bestimmungen der §§ 72 ff des neuen Außerstreitgesetzes über das Abänderungsverfahren sind hier noch nicht anzuwenden, weil das Gericht erster Instanz vor dem 1. 1. 2005 entschieden hat (§ 203 Abs 8 AußStrG neu).

Das Rekursgericht hat die analoge Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahme bejaht. Seine Entscheidung steht in Einklang mit der in sogenannten „echten Streitsachen" des außerstreitigen Verfahrens ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 104/02h; 5 Ob 7/04x; RKV 1/98, RKV 1/01; RIS-Justiz RS0110301). Ob § 530 ZPO (ganz generell) auf die Wiederaufnahme außerstreitiger Verfahren analog anzuwenden ist, war hier nicht zu prüfen und verwirklicht auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, weil das neue Außerstreitgesetzes nunmehr ohnehin ein der Wiederaufnahme nachgebildetes Abänderungsverfahren vorsieht und eine analoge Anwendung der ZPO in Hinkunft nicht mehr in Betracht kommt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte