European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00171.02V.0320.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder unheitlich ist (§ 14 Abs 1 AußStrG; "erhebliche Rechtsfrage"). Hat das Rekursgericht - wie hier - ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist, dann kann nur in den Fällen des § 14 Abs 5 AußStrG ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden. Obwohl die Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses durch den Obersten Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG (also mangels erheblicher Rechtsfrage) grundsätzlich keiner Begründung bedarf (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO), wird den Rechtsmittelausführungen hier in Kürze folgendes entgegengehalten:
Rechtliche Beurteilung
1.) zu Punkt 1. des sog. "Mantelbeschlusses" ON 572 (Annahme des Hauptinventars mit Aktiven von 32,023.995,97 S, das sind 2,327.274,55 EUR):
Der Rechtsmittelwerber bekämpft den den Aktiven zugrundegelegten Schätzwert der einem Gesellschaftsanteil von 49 % entsprechenden 98 Inhaberaktien einer Schweizer Aktiengesellschaft, die nicht an der Börse gehandelt werden.
Infolge Erbstatutes (die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige) richten sich zwar die materiellen Rechtsfragen grundsätzlich nach deutschem Recht (§ 28 IPRG). Da das Abhandlungsverfahren hinsichtlich des gesamten beweglichen und des in Österreich liegenden unbeweglichen Vermögens der Erblasserin gemäß § 21 AußStrG mangels abweichender Staatsverträge (zu Recht) in Österreich geführt wurde (9 Ob 371/97t = ZfRV 1998, 78), ist ausschließlich österreichischen Verfahrensrecht anzuwenden. Die österreichischen Verfahrensvorschriften enthalten keine Bestimmungen, die die Anwendung ausländischen Verfahrensrechtes ermöglichten (RIS‑Justiz RS0009195). Die Inventarisierung im Verlassenschaftsverfahren ist daher nach österreichischen (und nicht, wie der Rechtsmittelwerber meint, nach deutschen oder schweizerischen) Rechtsvorschriften vorzunehmen.
Darüber, wie der Schätzwert der in das Inventar aufzunehmenden Sachen zu ermitteln ist, enthält weder das Außerstreitgesetz noch das ABGB genauere Angaben. Bei Gesellschaftsanteilen ist dem Gesetz der Auftrag zur Vorlage des Rechnungsabschlusses zu entnehmen. Eine ordnungsgemäße Inventarisierung eines Gesellschaftsanteiles erfordert in aller Regel die Einsicht in die Bücher, die Schätzung des Gesellschaftsvermögens und die Kenntnis des Gesellschaftsvertrages (8 Ob 298/00g = EvBl 2002/38 [153] = JBl 2002, 317). Dem vom Gericht beigezogenen Buchsachverständigen standen die Bilanzen, Gewinn‑ und Verlustrechnungen und Rohgewinnermittlungen des Jahres 1987 und weiterer Geschäftsjahre zur Verfügung. Er hat diese Unterlagen auch dem Gerichtskommissärs vorgelegt. Die Schätzung des Vermögens der Gesellschaft, das in umfangreichem Liegenschaftsbesitz besteht, wurde von zwei Sachverständigen vorgenommen und im Gutachten des Buchsachverständigen berücksichtigt. Die Vorlage des Gesellschaftsvertrages hat der Rechtsmittelwerber, der schon jetzt die Aktienmehrheit an der Gesellschaft besitzt, nach den vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfenden Ausführungen der Vorinstanzen im Verfahren erster Instanz verweigert. Er hat die Statuten der Gesellschaft erst im Revisionsrekurs vorgelegt. Ein Vorgehen nach § 19 AußStrG zur Erzwingung der Ausfolgung dieser Urkunden (vgl 8 Ob 298/00g) gegen eine Gesellschaft mit dem Sitz im Ausland bzw gegen den die Gesellschaft vertretenden Verwaltungsrat wäre nicht in Frage gekommen. Abgesehen davon sind nach ständiger Rechtsprechung angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die - wie hier - vom Rekursgericht bereits verneint wurden, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufzugreifen (RIS‑Justiz RS0042963). Die Aufnahme lediglich des Abfindungsanspruches in das Inventar kommt schon mangels einer Fortsetzungsklausel nicht in Betracht (8 Ob 298/00g).
Mitgliedschaftsrechte an einer Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich nach ihrem Verkehrswert zum Todestag des Erblassers zu schätzen. Dies gilt auch für die im Familienbesitz befindlichen Aktien, die faktisch nicht am Markt gehandelt werden (SZ 25/133). Davon abgesehen ist sowohl die Bewertung des Vermögens der Gesellschaft als auch die darauf und auf den Rechenwerken der Gesellschaft beruhende Bewertung von Gesellschaftsanteilen von den besonderen Umständen des Einzelfalles geprägt, sodass der Bewertungsfrage grundsätzlich keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zukommt. Die Wirkungen eines Inventars gehen über das Verlassenschaftsverfahren nicht hinaus. Für einen allfälligen Rechtsstreit ist der Inventurwert ohne Belang (RIS‑Justiz RS0006465). Ebensowenig wie das Inventar für die Berechnung des Pflichtteils bindend ist, sind die im Pflichtteilsprozess (hier des Witwers gegen die Verlassenschaft) zugrunde gelegten Nachlasswerte (die dort nach deutschem Recht ermittelt wurden) für das im Verlassenschaftsverfahren nach österreichischem Recht aufzustellende Inventar bindend.
Ob der Beschluss des Erstgerichtes über die Errichtung des Teilinventars vom 6. 8. 1996 (ON 395) dem Rechtsmittelwerber wirksam zugestellt wurde, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil darin die Gesellschaftsanteile nicht enthalten sind. Durch die Bekanntgabe des Schätzwertes der zum Vermögen der Gesellschaft zählenden Realitäten wurde in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers nicht eingegriffen. Dass die (inhaltliche) Abweisung der im Nachhinein erstatteten "Einwendungen" des Rechtsmittelwerbers gegen das Schätzungsgutachten des Buchsachverständigen an dessen Rechtsmittellegitimation betreffend das Hauptinventar nichts änderte, hat das Rekursgericht, das inhaltlich über den Rekurs gegen die Annahme des Hauptinventars entschieden hat, ohnehin erkannt.
Soweit der Rechtsmittelwerber die Anmerkung bei einem in das Inventar als Aktivum aufgenommenen Inhabersparbuch vermisst, dass er nach seinen Behauptungen Eigentümer dieses Sparbuches sei, übersieht er, dass diese Anmerkung im Inventar entgegen seinen Ausführungen enthalten ist, womit den Vorschriften des § 104 Abs 1 und 2 AußStrG entsprochen wurde.
2.) Zur Einantwortung:
Die Frage, ob die im Testament enthaltene Verfügungen der Erblasserin betreffend ihre Villa und ihre Geschäftsanteile ("heute lege ich aber schon fest, dass das gesamte Grundstück .... meine Tochter .... bekommt, während mein Sohn .... meine Anteile von .... [Gesellschaftsanteile] erhalten soll"), als Vorausvermächtnisse im Sinn des § 2150 BGB oder als Teilungsanordnung im Sinn des § 2048 BGB zu qualifizieren sind, hat auf die Einantwortung keinen Einfluss. Der Eigentumserwerb richtet sich jedenfalls nach österreichischem Recht, wie in der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung 6 Ob 107/99z (ZfRV 2000, 188) bereits dargelegt wurde. Die Einantwortung stellt nur die Einweisung des (der) Erben in den Besitz des Nachlasses dar, ohne die damit verbundenen Lasten wie insbesondere Legatsansprüche irgendwie zu berühren, sodass sie auch für die Frage der Legatserfüllung in keiner Weise präjudiziell wirkt (SZ 25/112). Es obliegt den (volljährigen) Erben, sich diesbezüglich mangels gütlicher Einigung im Prozessweg auseinanderzusetzen. Auf die Erfüllung der Vermächtnisse kann das Abhandlungsgericht keinen Einfluss nehmen. Die Nichterfüllung der Vermächtnisse hindert die Einantwortung jedenfalls dann nicht, wenn die Vermächtnisnehmer nicht dem Personenkreis des § 160 AuStrG angehören (NZ 1969, 122; NZ 1977, 136 = JBl 1976, 367). Die Vorschriften über den Testamentserfüllungsausweis als Voraussetzung der Einantwortung (§§ 157 ff AußStrG) kommen bei volljährigen Beteiligten nicht zum Tragen (§ 161 AußStrG). Auch eine Erbteilung zwischen volljährigen und eigenberechtigten Erben ist vom Verlassenschaftsgericht nicht vorzunehmen (§§ 165 ff AußStrG). Um die gerichtliche Vornahme der Erbteilung, die bei volljährigen Erben überhaupt nur bei einer entsprechenden Einigung in Betracht käme, haben die Erben nicht angesucht (§ 171 AußStrG). An dieser Gesetzeslage vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass eine testamentarische Anordnung des Erblassers über die Erbteilung vom Gericht, falls es eine solche vorzunehmen hätte, mangels Vorliegens eines anderen Erbenübereinkommens zu berücksichtigen wäre (EvBl 1980/5 [15]).
Der Einantwortung steht daher weder die Beurteilung der zitierten besonderen Verfügungen der Erblasserin als Vorausvermächtnisse noch als Teilungsanordnung (mit allfälliger Verpflichtung zur Ausgleichsleistung an den anderen Erben) entgegen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG wird nicht aufgezeigt.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)