OGH 6Ob16/66

OGH6Ob16/662.2.1966

SZ 39/20

Normen

ABGB §565
ABGB §579
ABGB §565
ABGB §579

 

Spruch:

Die im § 579 ABGB. geforderte ausdrückliche Erklärung kann auch durch Zeichen abgegeben werden

Wenn der Erblasser den von ihm selbst herrührenden Willen bejaht, wird das Testament nicht aus dem Gründe des § 565 ABGB. ungültig

Entscheidung vom 2. Februar 1966, 6 Ob 16/66

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Am 6. April 1963 wurde Pfarrer Wilhelm V. durch die Beklagte zum Erblasser gerufen. Sie ließ ihm sagen, daß Dechant R. ein Testament verfassen wolle. Als Pfarrer V. das Zimmer betrat, waren in diesem nur die Beklagte und der Erblasser anwesend. V. erklärte, er benötige zur Abfassung des Testamentes Papier und einen "Faulenzer", worauf Dechant R. noch angab, wo Papier und Faulenzer zu finden seien. Die Beklagte hatte von R. die Kassaschlüssel erhalten und holte aus der Kassa ein früheres, von R. verfaßtes Testament. Pfarrer V. verfaßte an Hand des früheren Testamentes des Erblassers das neue Testament und setzte die Beklagte als Erbin in dieses Testament ein. Nach der Niederschrift des Testamentes unterschrieb V. dieses mit dem Beisatz "Zeuge" und las es dann den inzwischen über seinen Auftrag von der Beklagten herbeigeholten Zeugen Franz M. und Ludwig H. in Gegenwart des Dechant R. mindestens einmal laut vor. Dabei ist V. gestanden. Dechant R. hörte aufmerksam zu. Aus seinem Mienenspiel war zu erkennen, daß er sich darüber freute; er nickte zum Zeichen seines Einverständnisses zustimmend. Gesprochen hat er dabei nichts. Nachher ließ Pfarrer V. das Testament von den beiden Zeugen, und zwar gleichfalls mit dem Beisatz "Zeuge", und zuletzt von Dechant R. unterschreiben. Nach dieser Unterfertigung durch Dechant R. verabschiedeten sich die beiden Zeugen von ihm mit einem Händedruck. Pfarrer V. plauderte mit dem Erblasser noch einige Zeit.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß am 6. April 1963 ein dem Willen des im Zustand der vollen Besonnenheit befindlichen Erblasser und den Formschriften des § 579 ABGB. entsprechendes gültiges Testament errichtet worden sei, und gelangte sohin zur Abweisung der Erbrechtsklage der gesetzlichen Erben.

Das Berufungsgericht gab der von einem Teil der Kläger erhobenen Berufung nicht Folge.

Hinsichtlich des im § 579 ABGB. aufgestellten Erfordernisses, daß der Erblasser "ausdrücklich" erklären müsse ....., verwies das Berufungsgericht darauf, daß nach herrschender Ansicht die "ausdrückliche" Erklärung im Sinne des § 579 ABGB. auch sinnfällig durch Zeichen zum Ausdruck gebracht werden könne. Dies sei im vorliegenden Fall dadurch geschehen, daß Dechant R. bei der Verlesung der vom Zeugen V. verfaßten Erklärung des letzten Willens durch sein Mienenspiel seine Zufriedenheit mit dem Inhalt derselben zum Ausdruck gebracht, bei der Verlesung auch zustimmend genickt und sodann die Urkunde vor den drei Zeugen unterfertigt hat. Damit habe er vor drei fähigen Zeugen "ausdrücklich" zum Ausdruck gebracht, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte. Hinsichtlich der Ausführungen in der Berufung, daß es sich im vorliegenden Fall um eine in Testamentsangelegenheiten unzulässige indirekte Beweisführung gehandelt habe, weil nicht von allen drei Testamentszeugen bei ihrer gerichtlichen Vernehmung bestätigt worden sei, daß der Testator vor ihnen eigenhändig unterschrieben habe, nehme die Berufung offenbar auf die Bestimmung des § 586 ABGB. Bezug, die aber nur von "mündlichen letztwilligen Anordnungen" handle, während es sich im vorliegenden Fall um ein schriftliches Testament im Sinne der Bestimmungen des § 579 ABGB. gehandelt habe. Da dieses Testament entsprechend der letztgenannten Bestimmung errichtet worden sei und der Erblasser sich dabei im Zustand der vollen Besonnenheit (§ 565 ABGB.) befunden habe, sei das Klagebegehren vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden. Der Oberste Gerichtshof gab der von einem Teil der Kläger erhobenen Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge wird dahin ausgeführt, daß das angefochtene Testament keineswegs den Bestimmungen des § 579 ABGB. entspreche. Nach dieser Gesetzesstelle müsse der Erblasser das Testament von einer anderen Person niederschreiben lassen. Davon könne aber im vorliegenden Fall deshalb keine Rede sein, weil der verstorbene Dechant Anton R. dem Testamentsverfasser Pfarrer V. keinen Auftrag erteilt habe, ein Testament zu schreiben. Bei diesen Ausführungen wird die Feststellung außer acht gelassen, derzufolge Pfarrer V., als er am 6. April 1963 über Aufforderung der Beklagten zu Dechant R. kam, sagte, er benötige zur Abfassung des Testamentes Papier und einen "Faulenzer", daß daraufhin Dechant R. erklärte, wo diese Sachen zu finden seien, daß in seiner Anwesenheit das frühere Testament aus der Kasse geholt und Pfarrer V. übergeben worden ist. Es darf ferner die Feststellung nicht unbeachtet bleiben, daß die Beklagte am 6. April 1963 deshalb den Pfarrer V. geholt hat, weil ihr dies von Dechant R. mit der Begründung aufgetragen worden ist, daß er ein neues Testament machen wolle. Aus all dem ergibt sich eindeutig, daß Pfarrer V. am 6. April 1963 das Testament über Auftrag des Dechant R. verfaßt hat.

Hinsichtlich der im § 579 ABGB. für eine von einer anderen Person niedergeschriebene letztwillige Verfügung geforderten "ausdrücklichen" Erklärung des Erblassers, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte, wird in der Rechtsrüge unter Zitierung von Weiß im Klang-Komm.[2] die Auffassung vertreten, daß im Gesetz das Wort "ausdrücklich" im Gegensatz von "stillschweigend" gemeint sei und daß unter dem erstgenannten Ausdruck nur die wörtliche Erklärung zu verstehen sei.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß, wie bereits in SZ. XIII 9 im Gegensatz zu SZ. IV 17 ausgesprochen wurde, die ausdrückliche Erklärung im Sinne des § 579 ABGB. auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden kann (s. auch die in SZ. XIII 9 für diese Auffassung zitierte Lehre, ferner Entscheidung vom 24. November 1898, GlUNF. 386 und Ehrenzweig, System[2] II/2. Band S. 433, insbesondere auch Anm. 52). Dieser Rechtsansicht folgt die jüngere Rechtsprechung (7 Ob 10/58). Der Oberste Gerichtshof sieht sich trotz der gegenteiligen Ausführungen von Weiß im Klang-Komm.[2] III 312 zu § 579 ABGB. nicht veranlaßt, von dieser jüngeren Rechtsprechung abzugehen.

Die weiteren Ausführungen in der Rechtsrüge gehen dahin, daß auch dann, wenn der Auffassung gefolgt werde, es könne die im § 579 ABGB. geforderte ausdrückliche Erklärung nicht nur wörtlich, sondern auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden, in dem Verhalten des Erblassers kein allgemein als ausdrückliche Erklärung des letzten Willens anzunehmendes Zeichen erblickt werden könne.

Nach dieser Richtung steht fest, daß der Erblasser bei der von dem Testamentsverfasser Pfarrer V. in Anwesenheit der beiden Zeugen M. und H. stehend vorgenommenen Verlesung des Testamentes aufmerksam zugehört hat, durch sein Mienenspiel zu erkennen gegeben hat, daß er sich über den Inhalt des Testamentes freue, daß er zum Zeichen seines Einverständnisses genickt und schließlich nach Unterfertigung des Testamentes durch die Zeugen dieses selbst unterschrieben hat.

Wird aber von diesen Feststellungen ausgegangen, so ist das festgestellte Verhalten des Erblassers zwecks Lösung der Frage, ob darin allgemein angenommene Zeichen erblickt werden können, welche als ausdrückliche Erklärung im Sinne des § 579 ABGB. zu beurteilen sind, nicht hinsichtlich jeder einzelnen Phase für sich allein, sondern in seiner Gesamtheit der Prüfung zugrunde zu legen. Nach den Feststellungen ist das gesamte Verhalten des Erblassers dahin zu beurteilen, daß er ein Zeichen gegeben hat, das allgemein als ausdrückliche Erklärung, daß der Aufsatz den letzten Willen enthalte, aufgefaßt wurde. Hinsichtlich des Kopfnickens spricht trotz des Alters des Erblassers von 83 Jahren nichts dafür, daß dieses, wie in der Revision ausgeführt wird, ein unbegrundetes, bei alten Leuten übliches, rein zufälliges Kopfnicken gewesen sei. Die Untergerichte haben ausdrücklich festgestellt, daß der Erblasser als Zeichen seines Einverständnisses zustimmend genickt hat.

In der Rechtsrüge wird auch die Auffassung vertreten, daß das Testament deshalb ungültig sei, weil der dritte Zeuge, nämlich der Zeuge M., nach dem Inhalt seiner Aussage nichts von all den Zeichen, welche teils von dem einen, teils von dem anderen der beiden Zeugen V. und H. bestätigt wurden, gesehen hat. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach dem Gesetz zwar die Erklärung des Erblassers vor den Zeugen, daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthält, erforderlich ist, daß aber diese Erklärung allein das Formerfordernis und daher für die Gültigkeit des Testamentes wesentlich ist. Der Beweis für die Einhaltung dieser Formvorschrift ist in der Regel durch die Testamentszeugen zu erbringen, doch kann dies auch durch andere Beweismittel geschehen, weshalb, wie in SZ. XXX 66 dargelegt wurde, dann, wenn dieser Beweis erbracht wurde, der Umstand, daß ein oder mehrere Testamentszeugen die Erklärung nicht gehört oder die entsprechenden Zeichen nicht gesehen haben, von keiner rechtlichen Bedeutung ist.

Im vorliegenden Fall wurde nun durch die beiden anderen Testamentszeugen der Beweis erbracht, daß die festgestellten Zeichen vom Erblasser in Anwesenheit aller drei Zeugen abgegeben worden sind. Damit ist die Erfüllung des Formerfordernisses des § 579 ABGB. dargetan.

Wenn schließlich in der Revision auf die Aussage des Zeugen V. verwiesen wird, derzufolge ihm gegenüber der Erblasser nichts gesagt hat, daß die Beklagte die Liegenschaften erben solle, diese vielmehr vom Schreiber des Testamentes deshalb eingesetzt worden sei, damit sie für ihre Tätigkeit belohnt werde, so lassen sich diese Ausführungen dahin verstehen, daß damit auf die Bestimmung des § 565 ABGB. hingewiesen werden soll, derzufolge die bloße Bejahung eines dem Erblasser gemachten Vorschlages nicht für den für eine letztwillige Verfügung geforderten bestimmten Testierwillen des Erblassers ausreicht.

Die umstrittene Frage, ob die Bestimmungen des § 565 ABGB. nur für mündliche letztwillige Verfügungen gelten - in diesem Sinne Stubenrauch I. Band S. 771 Anm. 6 zu § 565 ABGB., Krainz, System[5] II/2. Band S. 358, Ehrenzweig[2] II/2. Band S. 425 - oder für letztwillige Erklärungen jeder Art und Form - so Pfaff - Hofmann S. 99, Weiß im Klang-Komm.[2] III 258 zu §§ 564, 565 ABGB. -, kann dahingestellt bleiben. Auszugehen ist vielmehr davon, daß der allgemeine Sinn der Bestimmungen der §§ 564, 565 ABGB. dahin geht, daß letztwillige Erklärungen nur dann gelten sollen, wenn sie auf den eigenen Entschluß des persönlich den Testierakt vornehmenden Testators zurückgehen. Es muß die Festigkeit des Entschlusses unzweifelhaft, der Inhalt wenigstens durch Auslegung bestimmbar sein (Weiß a. a. O. S. 253, Handl a. a. O. S. 144). Das Gesetz hebt hervor, daß die bloße Bejahung eines dem Erblasser gemachten Vorschlages nicht genüge. Nach dieser Richtung hat bereits das Westgalizische Gesetzbuch II § 359 ausgesprochen, "wer die an ihn gestellte Frage, ob er diese oder jene Person zum Erben einsetzen wolle, lediglich bejaht, ist deswegen allein noch kein ernstlicher Testator". Der Grund dafür ist die Gefahr suggestiver Willensbeeinflussung und die Wahrscheinlichkeit von Mißverständnissen. Der Erklärungsinhalt darf nicht von einem anderen ausgehen und so an den Erblasser herangetragen werden, der sich auf die bloße Annahme beschränkt. Nur bei dieser Sachlage ist die letztwillige Erklärung ungültig. Etwas anderes ist es aber, wenn der Erblasser seinen eigenen, im Sinne eines seiner Entstehung nach von ihm selbst herrührenden Willen bejaht (Weiß a. a. O. S. 258, 259, Handl, Klang[1] II/1 145, Ehrenzweig a. a. O. S. 425). Handl a. a. O. weist mit Recht darauf hin, daß es im allgemeinen genügen muß, wenn über den Sinn der Erklärung des Erblassers kein Zweifel besteht, da die Bestimmungen des 9. Hauptstückes von der Erklärung des letzten Willens gegeben sind, um die Erfüllung des wahren Willens des Erblassers zu sichern und nicht, um Anhaltspunkte zu dessen Vereitlung zu geben.

Wird unter diesen Gesichtspunkten der festgestellte Sachverhalt des vorliegenden Falles geprüft, so ist davon auszugehen, daß der Erblasser die Beklagte beauftragt hat, den Pfarrer V. zwecks Errichtung eines neuen Testamentes zu holen, daß er, als letzterer bei ihm erschienen ist und sagte, er benötige zur Verfassung des Testamentes Papier und einen "Faulenzer", angegeben hat, wo sich diese Sachen befänden, daß er der von Pfarrer V. stehend vor zwei weiteren Zeugen vorgenommenen Verlesung des Testamentes aufmerksam gefolgt ist, dabei durch sein Mienenspiel zu erkennen gegeben hat, daß er sich darüber freue, ferner daß er zum Zeichen seines Einverständnisses zustimmend genickt hat und daß er schließlich in Anwesenheit der Zeugen dieses von Pfarrer V. geschriebene Testament unterschrieben hat.

Dazu kommt, daß der Erblasser damals zur Beklagten gesagt hat, sie solle die Kassa aufsperren und ein dort liegendes Testament herausnehmen, welches dann Pfarrer V. im wesentlichen abgeschrieben hat, wobei er jedoch statt des Namens der im früheren Testament bedachten Person den Namen der Beklagten eingesetzt hat. Dies erschien ihm selbstverständlich. Er war der Meinung, daß die Beklagte für ihre opfervollen, dem Erblasser erwiesenen Dienste belohnt werden müßte.

Werden alle diese Umstände in ihrer Gesamtheit beurteilt, dann kann nicht gesagt werden, daß es sich bei dem vom Pfarrer V. verfaßten Aufsatz einer letztwilligen Verfügung um einen an den Erblasser herangetragenen Vorschlag gehandelt hat, welcher von diesem bloß bejaht worden ist. Der Erblasser hat vielmehr durch allgemeine, über eine bloße Bejahung hinausgehende, als ausdrückliche Bekräftigung, daß der Aufsatz seinem Willen entspreche, zu beurteilende Zeichen unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß der Aufsatz seinem bereits vorhanden gewesenen bestimmten Testierwillen entspreche, worauf er dann diesen Aufsatz unterschrieben hat. Die nunmehrigen Ausführungen in der Revision vermögen diese rechtliche Beurteilung nicht zu erschüttern.

Da sämtliche Voraussetzungen des § 579 (§ 581 letzter Satz) ABGB. erfüllt sind, haben die Untergerichte zutreffend das Testament vom 6. April 1963 als eine rechtswirksame letztwillige Verfügung beurteilt und das Begehren der dieses Testament anfechtenden gesetzlichen Erben zu Recht abgewiesen.

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