OGH 6Ob1632/95

OGH6Ob1632/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Doris G*****; 2.) Klaus G*****; 3.) Peter Anton F*****,

4.) Brigitte F*****; 5.) Klaus W*****; 6.) Ingeborg W*****; 7.) Harald F*****; 8.) Eva C*****; 9.) Dr. Helmut A.R*****, Rechtsanwalt, ***** 10.) Gertraude K*****; 11.) Ing.Gerhard L*****; 12.) Maria K*****; 13.) Dipl.-Ing.Pius L*****, erste bis achte und zehnte bis dreizehnte klagende Partei vertreten durch den neunten Kläger, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Werner B*****, 2.) Karl E*****, 3.) Paula W*****, alle vertreten durch Dr.Werner Beck, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert S 75.000,-), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9.Mai 1995, AZ 3 R 49/95(ON 46), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Kläger begehren als Liegenschaftseigentümer die Unterlassung des Betretens eines Hofraumes. Durch diesen führt ein schon vor 1945 bestandener Gehweg, der sich ehemals im Freiland befand und erst durch die später errichtete Wohnhausanlage (Reihenhäuser) zu einem "Durchgang" wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben die Ersitzung des Gehrechtes durch die Beklagten (über 30 Jahre) angenommen. Die Kläger haben sich zur Begründung einer 40-jährigen Ersitzungszeit auf irreguläre Verhältnisse im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg bis ins Jahr 1972 berufen (S 8 in ON 35). Nach § 1496 ABGB besteht eine Hemmung der Ersitzung für die Zeit des Stillstands der Rechtspflege, worunter auch die Verhinderung des zuständigen Gerichts verstanden wird (Schubert in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 1496; 7 Ob 554/92). Ein solcher Stillstand wurde konkret nicht behauptet, es fehlt an jeglichem Sachvorbringen, wodurch die Eigentümer der Liegenschaft (Rechtsvorgänger der Kläger) bei der Verfolgung ihres Eigentumsrechtes konkret behindert gewesen sein sollten.

Die weiteren Revisionsausführungen gegen die Annahme einer dinglichen Felddienstbarkeit (in Tirol ist die Eintragung im Grundbuch nicht zwingend vorgeschrieben, jedoch zulässig: SZ 53/139) gehen nicht von der festgestellten Benützung eines in der Natur ersichtlichen Weges über mehr als 30 Jahre (und der Redlichkeit der Benützer) aus. Die allfällige mangelnde Offenkundigkeit der Servitut beim Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger im Jahr 1977 kann nicht entscheidungswesentlich sein, weil die Ersitzung damals bereits abgeschlossen war.

Hinsichtlich des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten vertreten die Kläger die Auffassung, daß diese Beklagten den Unterlassungsanspruch der Kläger anerkannt hätten. Das Berufungsgericht habe aktenwidrigerweise angenommen, die Kläger hätten sich nicht auf ein Anerkenntnis gestützt. Zwar ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes zu diesen Punkt insofern nicht beizupflichten, als die Kläger sich auf eine Vereinbarung vom 21.4.1994 stützten, wonach der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte "Schlüssel erhielten und unter anderem sich verpfichteten, im gegenständlichen Verfahren den Klagsanspruch anzuerkennen und gegen sich ein Anerkenntnisurteil ergehen zu lassen" (Kläger S 37 zu ON 18; Beil A und B). Die Geltendmachung des Anerkenntnisses im Berufungsverfahren durch die Kläger war daher keine unzulässige Neuerung. Damit ist aber für die Kläger nichts gewonnen, weil ihr Vorbringen über ein Anerkenntnis im Zusammenhalt mit den vorgelegten Urkunden als unschlüssig zu werten ist. Mit der Vereinbarung vom 21.4.1994 wurde den beiden Beklagten ein Gehrecht eingeräumt, andererseits sollen sie aber im Prozeß das Klagebegehren, das auf die Unterlassung der Ausübung eines solchen Gehrechts gerichtet ist, anerkennen. Eine Klagsstattgebung ohne formelles Anerkenntnis muß nach dem Parteivorbringen der Kläger wegen des im Vergleichsweg den Beklagten eingeräumten Gehrechtes scheitern. Die Kläger haben nach dem Vertrag nur einen Anspruch auf ein prozessuales Anerkenntnis. Eine solche Prozeßerklärung erfolgte aber nicht und auf eine solche ist das Klagebegehren auch nicht gestützt.

Die Kläger machen eine mangelnde Vollmachtserteilung der Drittbeklagten an den Erstbeklagten geltend und verweisen auf den Umstand, daß im bezirksgerichtlichen Verfahren das Erlöschen der Vollmacht ohne Verpflichtung zur Bekanntgabe eines anderen Rechtsanwalts nur angezeigt werden müsse. Diese Ansicht trifft zwar sicher für das bezirksgerichtliche Verfahren, in welchem keine Anwaltspflicht herrscht, zu. Bei einem S 30.000,- übersteigenden Streitwert besteht aber auch vor dem Bezirksgericht absolute Anwaltspflicht (§ 27 Abs 1 ZPO). Nach dem klaren Wortlaut des § 36 Abs 1 ZPO hat die Aufhebung der Vollmacht in Verfahren, in welchen die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist, durch Anzeige des Erlöschens der Vollmacht und der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts angezeigt zu werden. Der Erstbeklagte (ein Rechtsanwalt) hat sich gemäß § 30 Abs 1 ZPO auf eine Bevollmächtigung der Drittbeklagten berufen. Wohl entstanden durch die Erklärung der Drittbeklagten über eine mangelnde Vollmachtserteilung Zweifel, sodaß das Erstgericht zu einer Prüfung der Frage veranlaßt war (Fasching ZPR2 428; SZ 57/131; 9 ObA 89/83). Nach dieser Prüfung hat das Erstgericht aber eine Vollmachtserteilung bejaht. Der im Laufe des Prozesses erfolgte Widerruf der Vollmacht blieb mangels Bestellung und Anzeige eines anderen Rechtsanwalts wirkungslos. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß dem Erstbeklagten Prozeßvollmacht und nicht nur - wie die Revisionswerber meinen - eine Spezialvollmacht zur Erhebung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil erteilt worden sei, ist schon durch § 32 ZPO gedeckt. Diese Rechtsfrage ist keinesfalls erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil es auf die Umstände des Einzelfalls bei der Erteilung der Vollmacht ankommt (hier steht die Absicht der Drittbeklagten, sich in den Prozeß einlassen zu wollen, weil sie auf ihr Gehrecht nicht verzichten wollte, fest).

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