European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00160.14V.1009.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Der Kindesmutter kommt die alleinige Obsorge für die beiden minderjährigen Kinder Sarah und Raphael zu. Der Kindesvater beantragte am 15. 12. 2009 das Besuchsrecht. Mit Beschlüssen vom 24. 2. 2014 und 26. 5. 2014 wurde der Kindesmutter verboten, mit den beiden Kindern aus Österreich auszureisen. Seit 21. 7. 2014 steht fest, dass die Kindesmutter mit den Kindern ihren Aufenthalt nach Deutschland verlegt hat. Am 11. 8. 2014 beantragte der Kindesvater die Kindesrückführung nach dem HKÜ, weil sich die Kinder mit der Kindesmutter in Deutschland befänden. Über diesen Antrag ist derzeit ‑ soweit ersichtlich ‑ noch nicht entschieden.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 26. 5. 2014 zusätzlich zu dem bereits verhängten Ausreiseverbot aus, dass der Kindesmutter verboten werde, die Kinder „auf sonstige Weise“ aus Österreich ausreisen zu lassen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; hinsichtlich zweier weiterer Spruchpunkte wurde der Rekurs zurückgewiesen.
Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Kindesmutter ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Im Hinblick auf den klaren und unzweideutigen Wortlaut des § 107 Abs 3 AußStrG kann von der von der Revisionsrekurswerberin behaupteten „Diskriminierung“ durch ein Ausreiseverbot von minderjährigen nicht österreichischen Kindern keine Rede sein.
2. Im Übrigen ist die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Daher kommt ihr im Regelfall keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS‑Justiz RS0097114 [T14]). Dies gilt auch für Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG, die als besondere Verfahrensregelungen zur Sicherung des Rechts auf persönlichen Kontakt anzusehen sind.
3. Die Vorinstanzen haben mit ihren Entscheidungen den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG setzen (nur) die Erforderlichkeit ihrer Anordnung „zur Sicherung des Kindeswohls“, aber keine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 181 Abs 1 ABGB voraus ( Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 107 Rz 16). Das Gericht darf das Ausreiseverbot nur bei objektiven Anhaltspunkten für eine geplante Mitnahme des Kindes ins Ausland durch den Elternteil und nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme anordnen ( Beck aaO Rz 24). Der Eingriff in das Privatleben der betreffenden Person darf ‑ insbesondere im Hinblick auf Art 8 Abs 1 EMRK ‑ nicht unverhältnismäßig zu der damit beabsichtigten Förderung der Kindesinteressen sein ( Deixler‑Hübner , Neue verfahrensrechtliche Instrumentarien im KindNamRÄG 2013, Zak 2013, 9). Es kommt nicht darauf an, dass diese Maßnahme die ultima ratio darstellt, die erst nach Ausschöpfung anderer Maßnahmen zulässig wäre (LG Feldkirch EF‑Z 2013/114).
4.1. Im vorliegenden Fall gab es in mehrfacher Hinsicht konkrete Anhaltspunkte, die für einen geplanten Wohnsitzwechsel der Kindesmutter samt Kindern in das Ausland sprachen. Zum einen gab der minderjährige Raphael im Zuge eines Gesprächs mit zwei Sozialarbeiterinnen an, bald in die USA zu übersiedeln. Andererseits teilte die Kindesmutter selbst in der Schule mit, dass sie Sarah Anfang Juni 2014 aus der Schule nehmen möchte, weil sie einen Umzug ins Ausland plane. Bei dieser Sachlage ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass eine Ausreise unmittelbar bevorstehe. Die Richtigkeit dieser Annahme wird zudem ex post dadurch untermauert, dass die Kindesmutter zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits seit mindestens zwei Monaten im Ausland lebt.
4.2. Aus der Aktenlage ergibt sich auch, dass die Kindesmutter bereits mehrfach versuchte, Besuchskontakte zwischen dem Kindesvater und den Kindern zu verhindern. Die bisher nur eingeschränkt möglichen Besuchskontakte haben aber auch bereits zu einer Entfremdung der Kinder gegenüber ihrem Vater geführt. Bei dieser Sachlage ist ein Verbleib der Kinder in Österreich auch für das Kindesinteresse förderlich und ist der Eingriff in das Privatleben verhältnismäßig. Dass 2006 bzw 2008 geborene Kinder individuell ‑ und damit von den Wünschen der Kindesmutter unabhängig ‑ Wünsche nach einem Wohnsitzwechsel ins Ausland artikulieren, wäre lebensfremd. Die von der Kindesmutter vorgenommene Wohnsitzverlegung ins Ausland stellt sich daher als bloßer Ausdruck ihrer eigenen Interessen dar. Im Spannungsverhältnis zwischen Elternrechten und dem Kindeswohl haben erstere naturgemäß zurückzutreten (RIS‑Justiz RS0048632 [T7]).
5. Auf die weiteren Revisionsrekursausführungen zum Beschluss des Rekursgerichts vom 28. 5. 2014 ist nicht einzugehen, weil dieser im vorliegenden Verfahren nicht verfahrensgegenständlich ist.
6. Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass dieser spruchgemäß zurückzuweisen war.
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