OGH 6Ob157/66

OGH6Ob157/6618.5.1966

SZ 39/92

Normen

ABGB §484
ABGB §492
ZPO §228
ABGB §484
ABGB §492
ZPO §228

 

Spruch:

Auch in einem nur vorübergehenden Transport von Baumaterial zur Erbauung eines Hauses auf einem bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstück ist eine unzulässige Mehrbelastung des Fahrweges zu erblicken

Entscheidung vom 18. Mai 1966, 6 Ob 157/66

I. Instanz: Bezirksgericht Gleisdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz

Text

Die Erstklägerin ist Miteigentümerin zu einem Halbanteil, die Zweit- und Drittkläger sind Miteigentümer zu je einem Viertelanteil der Liegenschaften EZ. 18 KG. U. in L. 18. Die Beklagten haben das Eigentumsrecht an den ebenfalls landwirtschaftlichen Liegenschaften EZ. 20 und 262 KG. U. mit dem Haus in L. 20 erworben. Schon ihre Voreigentümer haben vom Gemeindeweg 1352/2 abzweigend mit Fuhrwerken über das Grundstück der Kläger 319/2 und 319/1 ihre Wirtschaftsfuhren mit Kuh- und Pferdegespannen durchgeführt. Am Ende des Gründes der Kläger biegt dieser Servitutsweg fast rechtwinkelig zum Haus. L. 20 ab. Einer der Voreigentümer der Beklagten, Georg H., hat auf diesem Wege auch das gesamte Baumaterial für die von ihm vorgenommenen Um- und Neubauten, insbesondere für das Kellerstöckl, befördert. Auch Brennholz ist auf diesem Weg zugeführt worden. Ein anderer Zufahrtsweg zum Haus L. 20 hat gar nicht bestanden. Nach dem Erwerb der Liegenschaften durch die Beklagten im Jahre 1959 haben auch sie die zur Bewirtschaftung notwendigen Fuhren über den gegenständlichen Weg besorgt und ihn mit viehbespannten Wagen oder Traktoren benutzt. Nunmehr haben die Beklagten das Haus L. 20 samt etwas Grund an die Ehegatten G., das Kellerstöckl aber an Maria B. veräußert. Auf den von ihnen zurückbehaltenen Parzellen, wo früher Wald bzw. Acker und Wiese waren, haben die Beklagten begonnen, ein Wohnhaus zu erbauen. Die dazu notwendigen Materialien befördern sie über den gegenständlichen Weg mit LKW und Traktoren. Während dieser Transporte sei die Breite der Einfahrt (vom Gemeindeweg 1352/2) auf 8 m erweitert worden. Die durchschnittliche Breite des Weges habe 2 1/2 bis 3 m betragen. Die von den Klägern - zur Einengung der Einfahrt - in einer Breite von zirka 3 m eingeschlagenen Pflöcke habe der Erstbeklagte wieder entfernt. Der Bürgermeister der Gemeinde habe die Schotterung des Gemeindeweges 1352/2 angeordnet. Versehentlich habe ein Arbeiter aber auch die Schotterung des gegenständlichen Servitutsweges vorgenommen. Als der Bürgermeister davon Kenntnis erlangte, habe er diese Arbeiten sofort eingestellt.

Die Kläger beantragen festzustellen, daß den Beklagten kein Recht zustehe, die ersessene Dienstbarkeit dadurch zu erweitern, daß sie

a) den Dienstbarkeitsweg an der Einmundung in den Gemeindeweg 1352/2 auf der Parzelle 319/2 von bisher 3 m auf 6 m verbreitern, b) nunmehr den Weg auch für die Zwecke der Erbauung eines Wohnhauses auf der Parzelle 301 mit LKW oder sonstigen Fahrzeugen, beladen mit Baumaterialien, befahren, sowie sie zu verpflichten, in Zukunft jede Handlung zu unterlassen, die sich als Erweiterung der bestehenden Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über die beiden Parzellen 319/1 und 319/2 der Kläger darstellt, insbesondere jede Benützung mit LKW oder sonstigen Fahrzeugen zum Zwecke der Zu- und Abfuhr vom Baumaterial für die Erbauung eines Wohnhauses auf der Parzelle 301.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Geh- und Fahrrecht sei nur für die Bewirtschaftung der früheren Liegenschaften der Beklagten L. Nr. 20 ersessen worden. Es bestehe daher auch nur für die Zwecke dieser Wirtschaftsführung, berechtigte aber die Beklagten nicht zur Beförderung von Baumaterial für den Neubau eines Wohnhauses auf einer ehemaligen Waldparzelle, noch dazu unter Inanspruchnahme einer größeren Wegbreite als bisher.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. Rechtlich führte es aus, die Feststellungsklage neben der Leistungsklage sei im gegebenen Fall zulässig. Der Umfang der Dienstbarkeit bestimme sich durch den 30jährigen Besitz. Über diese Grenze dürfe sie nicht ausgeübt werden und durch Teilung des herrschenden Gutes, indem die Beklagten Liegenschaften an die Ehegatten G. und an Maria B. veräußerten und auf den restlichen Grundstücken selbst ein Wohnhaus errichten wollen, dürfe die Belastung nicht beschwerlicher werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung sind, was das Feststellungsbegehren der Kläger betrifft, gegen dessen Zulässigkeit neben dem Leistungsbegehren sich die Beklagten in der Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil wandten, nach herrschender Lehre (Klang[2] II 603 und das dort zitierte Schrifttum) und Rechtsprechung (Z. XIII 54, JBl. 1936 S. 190, EvBl. 1960 Nr. 19) die aus dem Recht der Dienstbarkeit fließenden Klagen von den Voraussetzungen der Feststellungsklage nach § 228 ZPO. unabhängig. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Dienstbarkeit sind auch dann zulässig, wenn aus dem Rechtsverhältnis auch ein klagbarer Leistungsanspruch entstanden ist. Ungeachtet des von den Klägern erhobenen Leistungsbegehrens ist daher auch ihr Feststellungsbegehren, das darauf abzielt, den für beide Teile nachteiligen Zustand der Unsicherheit zu beenden, zulässig (SZ. XXVI 116, 6 Ob 50/65).

Nach den Feststellungen der Untergerichte steht den Beklagten das Fahrrecht für die Zwecke der Bewirtschaftung der Liegenschaften L. Nr. 20 auf Grund der Ersitzung zu. Veräußerten sie nunmehr das Haus mit einigen Grundstücken an die Ehegatten G. und das Kellerstöckl an Maria B. und behielten sie nur restliche Grundstücke zurück, so nahmen sie damit eine Teilung des herrschenden Gutes vor. In einem solchen Fall kommt § 844 ABGB. zur Anwendung (Klang[2] III 1135 f.). Darnach bestehen Grunddienstbarkeiten für alle Teile fort, die Last des dienenden Gründes darf dadurch aber nicht erweitert werden. Daraus folgt, daß jeder der Eigentümer das durch die Ersitzung erworbene Fahrrecht für die Zwecke der Bewirtschaftung der Liegenschaften ausüben kann, er darf aber die Grenzen, die bei der Ausübung der Dienstbarkeit selbst ohne Teilung des Gutes beachtet werden mußten, nicht überschreiten. Im Falle der Teilung des herrschenden Gutes ist jeder einzelne der Eigentümer nicht zu Handlungen berechtigt, die ihm auch ohne Teilung verwehrt gewesen wären. Über den Umfang der Berechtigung bestimmt nun § 484 ABGB., daß der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben kann, doch darf die Servitut nicht erweitert, sie muß vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Dies bedeutet, daß sich das Ausmaß der Dienstbarkeit nach dem Inhalt des Titels richtet, daß die Dienstbarkeit nicht über die durch den Erwerbstitel gezogenen Grenzen ausgeübt werden darf (Klang[2] II 564). Nach den Feststellungen der Untergerichte steht den Klägern das Geh- und Fahrrecht auf Grund der Ersitzung zu. Der Weg hatte eine durchschnittliche Breite von 2 1/2 bis 3 m. Es ist daher den Beklagten ein Recht, diesen Weg bei der Einfahrt vom Gemeindeweg 1352/2 darüber hinaus zu verbreitern, nicht zuzubilligen. In diesem Umfange ist daher das Klagebegehren schon aus diesem Gründe berechtigt.

Was das weitere Begehren betrifft, so ist auf die Frage, ob und inwieweit diese Dienstbarkeit auch Fahrten mit Baufahrzeugen umfaßt, etwa weil auch die Vorgänger der Beklagten den Weg für Transporte von Baumaterialien benützten, nicht einzugehen. Denn es handelt sich in diesem Verfahren nicht darum, daß die Beklagten die auf dem herrschenden Gut vorhandenen Bauwerke, nämlich das Haus L. Nr. 20 und das Kellerstöckl, instandsetzen oder wegen Baufälligkeit oder auch aus anderen Gründen neu aufführen, sondern sie wollen vielmehr neben diesen Bauwerken, die an die Ehegatten G. und an Maria B. veräußert wurden, auf einem bisherigen Waldgrundstück, das sie für sich zurückbehalten haben, ein neues Wohnhaus erbauen. Auch in einem nur vorübergehenden Transport von Baumaterial zur Erbauung eines Hauses auf einem bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstück ist aber eine unzulässige Mehrbelastung des Fahrweges zu erblicken (Klang[2] II 572). Demgegenüber sind die Ausführungen der Beklagten in der Revision, das dienende Gut werde durch diese Transporte nicht beeinträchtigt, es sei ihnen eine Baubewilligung erteilt worden und es handle sich nur um eine vorübergehende Belastung und überhaupt nur um einen Weg von 30 bis 40 m, den überdies die Kläger selbst benützen müssen, um zu ihrem Wald zu gelangen, unerheblich, da die Beklagten damit keine ihnen gegenüber den Klägern zustehenden Rechte aufzuzeigen vermögen. Solche Rechte entstehen ihnen auch nicht aus der Beschotterung des Weges, zumal sie die Gemeinde lediglich hinsichtlich des Gemeindeweges 1352/2 anordnete. Es ist für die Beklagten aber auch aus der Entscheidung SZ. XXV 304 nichts zu gewinnen. Damit wurde erkannt, daß ein Fahrrecht, der technischen Entwicklung Rechnung tragend, auch mit Motorfahrzeugen ausgeübt werden könne, welches Recht an sich den Beklagten aber gar nicht bestritten wird. Die Kläger wenden sich gegen die Transporte der Beklagten mit Kraftfahrzeugen nur aus Anlaß der, wie ausgeführt, tatsächlich unzulässigen Benützung des Weges für die Zwecke der Beförderung von Baumaterialien. Soweit die Beklagten schließlich vermeinen, sie seien berechtigt, eine Kahlschlägerung ihrer Waldparzelle vorzunehmen und dann das gesamte Holz über den gegenständlichen Weg abzutransportieren, ist darauf nicht einzugehen, da es sich in dem gegenständlichen Verfahren nicht darum, sondern um die, wie mehrfach ausgeführt, unzulässigen Transporte von Baumaterial handelt.

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