European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00149.18G.0831.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach herrschender Auffassung (vgl 10 Ob 34/10p) werden herkömmlicherweise drei Grundtypen von Krankenhausaufnahmeverträgen unterschieden: Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet sich der Krankenhausträger, alle für die stationäre Behandlung erforderlichen Leistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung zu erbringen. Er begründet ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen Patienten und Krankenhausträger. Der Arzt tritt nur als Erfüllungsgehilfe der Krankenanstalt auf. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag beschränkt sich der Vertrag mit dem Krankenhausträger auf die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Versorgung, während die ärztlichen Leistungen aufgrund eines besonderen Vertrags mit dem Arzt erbracht werden. Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag verpflichtet sich das Krankenhaus ebenfalls zur umfassenden Leistungserbringung einschließlich der ärztlichen. Daneben schließt der Patient einen weiteren Vertrag über die ärztlichen Leistungen mit dem behandelnden Arzt.
1.2. Das Belegarztsystem ist ein typisches Beispiel eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags (10 Ob 34/10p). Belegarztsystem bedeutet, dass sich der Patient von einem Arzt seiner Wahl behandeln lassen kann (Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1313a Rz 55). Ein Belegarzt ist demnach in der Regel ein freiberuflicher Arzt, der in keinem Arbeitsverhältnis zum Rechtsträger des Krankenhauses steht und dem von diesem das Recht gewährt wird, seine Patienten in diesem Spital unter Inanspruchnahme der hiefür beigestellten Räume und Einrichtungen zu behandeln. Er ist befugt, diese Patienten im Belegspital zu operieren und, solange eine stationäre Behandlung erforderlich ist, dort nachzubehandeln beziehungsweise vom Spitalspersonal betreuen zu lassen. Ihm wird grundsätzlich auch die Mitwirkung nachgeordneter Ärzte, Schwestern und Pflegern zugesagt. Soweit dies der Fall ist, unterstehen diese Personen im Rahmen der Behandlung der Patienten, jedenfalls aber im Zug einer vom Belegarzt vorzunehmenden Operation, den Weisungen und Anordnungen des Belegarztes (RIS-Justiz RS0112629 [T2]).
1.3. Der Belegarzt hat die ihm obliegende Behandlung des Patienten eigenverantwortlich, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchzuführen. Aufgabe des Belegspitals ist es hingegen, den Patienten unterzubringen, zu verpflegen und die für die Durchführung der stationären Behandlung des Patienten durch den Belegarzt erforderlichen Hilfen zur Verfügung zu stellen, soweit dies nicht der Belegarzt selbst besorgt. Die im Belegarztvertrag erkennbare Aufgabenteilung führt gegenüber dem Patienten zu einer entsprechenden Aufspaltung der Leistungspflichten des Belegarztes einerseits und des Belegspitals andererseits (RIS‑Justiz RS0112629 [T4]). Beim Belegarztsystem ist daher davon auszugehen, dass der Belegarzt im Rahmen des Behandlungsvertrages die Behandlung des Patienten, im Regelfall dessen Operation samt Nachbehandlung, und das Belegspital im Sinne eines „gespaltenen“ Krankenhausvertrags die Erbringung der damit verbundenen krankenhausspezifischen Hilfs- und Zusatzdienste einschließlich all dessen, was man als „Hotelkomponente“ bezeichnet, schuldet (RIS-Justiz RS0112629 [T7]). Der Anstaltsträger haftet jedoch nicht für Behandlungsfehler des Belegarztes (Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 1313a Rz 56 mwN).
1.4. Es ist allerdings möglich, dass die Pflichtenkreise des Belegarztes und des Belegspitals einander überschneiden (RIS-Justiz RS0112629 [T11]). Ob im Einzelfall eine solidarische Haftung sowohl des Belegarztes als auch des Krankenhausträgers zu bejahen ist, hängt hiebei stets von den konkreten Umständen ab und lässt sich daher nicht generell beurteilen (8 Ob 103/09v). Mangels eindeutiger anderer Vertragsgestaltung ist unter Berücksichtigung der nach der Verkehrsübung selbstverständlichen Erwartung bei einer nach dem ASVG Krankenversicherten (§ 914, § 863 Abs 2 ABGB) aber von einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag auszugehen (RIS-Justiz RS0112629 [T12]).
2.1. Im vorliegenden Fall ist Dr. V***** seit 1. 9. 2010 als Arzt freiberuflich tätig; er betreibt eine Privatordination. Er hat mit der Beklagten einen Konsulentenvertrag abgeschlossen und betreut Patienten aus seiner Privatordination ua im Landesklinikum Klosterneuburg, wo er sie operiert oder konservativ betreut. Die Klägerin suchte Dr. V***** in seiner Privatordination auf, wo sie mit ihm auch die Operation besprach. Im Landesklinikum hatte sie nur das Anästhesiegespräch. Die Gattin von Dr. V*****, die das Aufklärungsgespräch durchführte, verwendete dazu auch einen Aufklärungsbogen von „ProCompliance“ der Beklagten. Die Operation selbst erfolgte im Landesklinikum, die Nachbehandlung jedoch wieder in der Privatordination von Dr. V*****, was bereits zuvor so vereinbart wurde.
2.2. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zu der Einschätzung gelangt ist, dass ein typischer Fall einer Behandlung durch einen „Belegarzt“ vorlag, sodass der Pflichtenkreis des Krankenhausträgers nicht auch die ärztliche Behandlung umfasste, so ist dies nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte auch die Klägerin– dadurch dass sie stets mit Dr. V***** in seiner Wahlarzt-ordination Kontakt hatte – erkennen, dass sämtliche ärztliche Leistungen von ihm aus einem mit ihm persönlich geschlossenen Vertrag zu erfüllen sind. Die persönliche Leistungserbringung durch Dr. V***** war offenbar von ihr auch gerade so gewollt, weil ihr Vater zuvor bereits mittels Kreuzbandplastik von Dr. V***** operativ versorgt worden war.
3.1. Dass die Klägerin aufgrund ihrer Verletzung Anspruch auf Unfallheilbehandlung nach dem ASVG in Gestalt ärztlicher Hilfe und Anstaltspflege hatte, spricht nicht gegen die Annahme eines Belegarztvertrags, weil ein derartiger sozialversicherungsrechtlicher Deckungsanspruch in vielen Fällen einer Behandlung durch einen Belegarzt vorliegen kann. Nicht überzeugend erscheint auch die Überlegung, wonach bereits aus der Verwendung eines Aufklärungsbogens der Beklagten durch die Gattin von Dr. V***** folge, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin zur Aufklärung verpflichtet fühlte. Dem Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass damit gerade die Beklagte Aufklärungspflichten erfüllen wollte oder die Gattin von Dr. V***** als Vertreterin der Beklagten handelte. Zudem enthält dieser „zweite“ Aufklärungsbogen gar keinen Hinweis auf die Beklagte oder das Landesklinikum Klosterneuburg. Überhaupt fällt die Verwendung dieses Aufklärungsbogens bei Betrachtung des Gesamtsachverhalts nicht besonders ins Gewicht.
3.2. Dass das Anästhesiegespräch im Krankenhaus durchgeführt wurde, ergibt sich daraus, dass Dr. V***** kein Anästhesist ist und daher dieses Gespräch nicht durchführen konnte; dies lässt jedoch keine Beurteilung des Krankenhausaufnahmevertrags zu. Selbst wenn zutrifft, dass es in Niederösterreich kein „klassisches“ Belegarztsystem gebe, schließt dies nicht aus, dass im vorliegenden Fall dennoch die Behandlung durch einen Belegarzt vereinbart wurde. Schließlich spricht auch der Umstand, dass bereits vor der Operation eine Nachbehandlung in der Ordination von Dr. V***** vereinbart wurde, für das Vorliegen eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags (vgl RIS-Justiz RS0112629 [T10]).
4.1. Soweit die Revision auf die Entscheidung 10 Ob 34/10p Bezug nimmt, so unterscheidet sich der dort zu beurteilende Sachverhalt in mehreren Punkten von dem hier vorliegenden: Der Arzt war dort Bediensteter des Spitalsträgers und bezog aufgrund eines Teilanstellungsvertrags mit 30 Stunden eine Fixentlohnung nach dem Beamtenschema, daneben betrieb er eine Kassenordination. Die Klägerin suchte die Ordination des Arztes auf, der ihr anschließend einen Operationstermin bekanntgab. Der Oberste Gerichtshof führte aus, im Zweifel sei nach der Verkehrsübung und der selbstverständlichen Erwartung der Klägerin – als nach dem ASVG Krankenversicherte – von einem totalen Krankenhaus-aufnahmevertrag auszugehen. Demgegenüber steht Dr. V***** im vorliegenden Fall in keinem Anstellungsvertrag zur Beklagten; er betreibt auch keine Kassen-, sondern eine Wahlarztordination. Im Fall, in dem ein Arzt einen Patienten, den er zunächst selbst in seiner Ordination behandelt hat, später für die Operation oder für andere Maßnahmen, die eine stationäre Aufnahme erfordern, in das Krankenhaus einweisen lässt und dort diesen Patienten selbst weiterbehandelt bzw operiert, ist er aber als Belegarzt zu qualifizieren (8 ObA 41/02s).
4.2. Der im vorliegenden Fall festgestellte Sach-verhalt ist somit kein Fall, in dem im Sinne der Entscheidung 10 Ob 34/10p „im Zweifel“ ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag angenommen werden müsste. Vielmehr liegen ausreichende Anhaltspunkte für eine Einordnung als gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag im Belegarztsystem vor. Ein schriftlicher Vertrag ist dafür keine zwingende Voraussetzung. Die Beklagte hat auch bestritten, dass ihr Dr. V***** zuzurechnen sei; mit dem „Behandlungsvertrag“, von dem im Beklagtenvorbringen gesprochen wird, kann an dieser Stelle auch bloß die pflegerische Komponente im Spital gemeint sein, nicht jedoch die ärztliche Leistung von Dr. V*****.
5. Zusammenfassend gelingt es der Revision daher nicht, aufzuzeigen, dass das Berufungsgericht in korrekturbedürftiger Art und Weise von der bestehenden Rechtsprechung abgewichen sei.
Die außerordentliche Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
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