Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im Firmenbuch des Landes- als Handelsgericht Wels ist unter FN ***** die E***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wels eingetragen. Ihr Stammkapital beträgt 30,000.000 S und ist zur Gänze geleistet. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Nach Punkt 6. des Gesellschaftsvertrages wird die Gesellschaft im Falle der Bestellung mehrerer Geschäftsführer durch je zwei Geschäftsführer gemeinsam vertreten, sofern die Generalversammlung nicht einzelnen Geschäftsführern allein Vertretungsmacht einräumt. Die Revisionsrekurswerber sind Geschäftsführer, sie vertreten zu je zweien gemeinsam.
Punkt 8. des Gesellschaftsvertrages lautet: "Der Jahresabschluss ist unter Verantwortlichkeit der (des) Geschäftsführer(s) unter Beachtung der Vorschriften des § 22 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufzustellen und nach Erstellung unverzüglich der Generalversammlung zur Genehmigung (Feststellung) vorzulegen".
Nachdem das Erstgericht die Geschäftsführer erfolglos aufgefordert hatte, den Jahresabschluss offenzulegen und die Merkmale für die Einordnung in die Größenklassen gemäß § 221 HGB für das Geschäftsjahr 1997 binnen 14 Tagen einzureichen, verhängte es eine Zwangsstrafe von je 10.000 S über jeden der Geschäftsführer und forderte sie neuerlich zur Einreichung der Unterlagen innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses auf, widrigens die Zwangsstrafe auf je 20.000 S erhöht und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe auf Kosten der Gesellschaft im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht werde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Geschäftsführer nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle und im Sinn der Rechtssicherheit zweckmäßig sei. Adressaten der Zwangsstrafe seien alle Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Kollegialorganes ohne Rücksicht auf eine allfällige Geschäftsverteilung. Der Jahresabschluss sei von allen Geschäftsführern zu unterschreiben, jeder einzelne von ihnen müsse sich daher in eigener Verantwortung darüber Klarheit verschaffen, ob der Jahresabschluss korrekt aufgestellt wurde. Ein einzelner Geschäftsführer könne sich jedenfalls dann nicht unter Berufung auf eine Geschäftsverteilung entlasten, wenn er - wie hier - keine Schritte gesetzt habe, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch den laut Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführer zu erreichen. Die Verhängung der Zwangsstrafe gegen jeden der Geschäftsführer übe in Relation zum verfolgten Zweck auch keinen unverhältnismäßigen Zwang aus, weil die Pflicht zur Offenlegung wegen ihres unmittelbaren Zusammenhanges mit den Interessen Dritter jeden einzelnen Geschäftsführer treffe.
Auch der Einwand der Geschäftsführer, die Erfüllung der Offenlegungspflicht sei deshalb nicht zumutbar, weil der Handel bestrebt sei, beim Hersteller Preissenkungen unter Hinweis auf seine Bilanzzahlen durchzusetzen, die Offenlegung sei damit für den zur Offenlegung Verpflichteten ruinös, könne die Nichtvorlage der der Publizierung unterliegenden Information nicht rechtfertigen. Wenngleich der Möbelhandel großes Interesse an der wirtschaftlichen Situation von Möbelproduzenten habe, hänge deren wirtschaftliche Existenz nicht unmittelbar von der Offenlegung des Jahresergebnisses ab. Die durch das GesRÄG 1996 eingeführten Neuerungen im Bereich der Offenlegungs- und Veröffentlichtungsvorschriften setzten das auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhende europäische Richtlinienrecht um, dessen Ziel es sei, die einzelstaatlichen Vorschriften über die Offenlegung bei Kapitalgesellschaften zum Schutz der Interessen Dritter (denen in diesen Fällen nur das Geschäftsvermögen zur Verfügung stehe) zu koordinieren. Die Offenlegung müsse es Dritten daher erlauben, sich über die wesentlichen Urkunden der Gesellschaft, sowie einige sie betreffende Angaben zu unterrichten. Während die erste Richtlinie vorerst Gesellschaften mit beschränkter Haftung von der Pflicht zur Offenlegung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ausgenommen habe, habe die vierte Richtlinie die Offenlegungspflicht auch dieser Gesellschaften normiert. Sie messe dem Schutz der Gesellschaft sowie jenem Dritter ausdrücklich besondere Bedeutung bei und strebe hinsichtlich des Umfanges der zu veröffentlichenden Angaben gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften an. Nach österreichischem Verfassungsrecht seien Richtlinien durch Gesetze umzusetzen. Soweit ein Spielraum bestehe, die Zielsetzungen einer Richtlinie auf verschiedenen Wegen zu erreichen, habe der österreichische Gesetzgeber jenen Weg zu wählen, der dem österreichischen Verfassungsrecht entspreche. Habe der Gesetzgeber jedoch keinen Spielraum und könne er eine Richtlinie nur unter Verletzung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts umsetzen, sei er dennoch zur Umsetzung verpflichtet. Das Gesetz wäre trotz einer Grundrechtsverletzung nicht verfassungswidrig. Ziel der vierten Richtlinie sei es, die Offenlegung betreffend gleichwertige rechtliche Mindeststandards für alle Kapitalgesellschaften im gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen, wobei der innerstaatlichen Umsetzung wegen des verhältnismäßig detaillierten Regelungsgehaltes nur geringer Spielraum verbleibe. So habe der österreichische Gesetzgeber die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abzusichern. Die Rechtsprechung des EuGH bringe in Übereinstimmung mit den deklarierten Zielen der Richtlinie deutlich zum Ausdruck, dass die Pflicht zur Offenlegung dem Bestreben diene, die offenzulegende Information jeder interessierten Person zugänglich zu machen. Dieser Gedanke liege auch der Umsetzung in das österreichische Recht zugrunde. Es sei nicht ersichtlich, auf welche Weise der österreichische Gesetzgeber eine diesem Ziel entsprechende andere gesetzliche Regelung hätte schaffen sollen, die die von der Gesellschaft angesprochenen Grundrechte nicht tangierte. Die rechtspolitischen Überlegungen der Gesellschaft, wonach nur ein höchstens begrenztes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu respektieren wäre, ließe den eingeschränkten Umfang des Umsetzungsspielraumes außer Betracht. Die durch das GesRÄG 1996 in Österreich erfolgte Umsetzung der Offenlegungsverpflichtung entspreche den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und könne durch eine nicht ausreichende Umsetzung der Richtlinie in anderen Mitgliedstaaten weder gemeinschafts- noch verfassungswidrig werden. Auch daraus, dass die einzelnen Mitgliedstaaten die ihnen gebotenen Umsetzungsspielräume unterschiedlich nützten, könne eine Rechtswidrigkeit der österreichischen Regelung nicht abgeleitet werden.
Die vom österreichischen Gesetzgeber getroffene Regelung sei auch nicht unverhältnismäßig. Zum einen könne das mögliche Strafausmaß auch im Falle wiederholter Verhängung der Zwangsstrafe die wirtschaftliche Existenz nicht gefährden. Zum anderen sei es nicht ungerechtfertigt, bei Verletzung einer "Kardinalpflicht" gegen jeden einzelnen von mehreren Geschäftsführern mit Zwangsstrafe vorzugehen. Die mit der Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlüsse verbundenen Einschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz bewegten sich im Rahmen des Art 8 Abs 2 EMRK.
Zum Einwand der Gesellschaft, die Offenlegungsvorschriften verletzten Grundrechte als Teil allgemeiner Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, verwies das Rekursgericht auf die Entscheidung des EuGH im Fall "Daihatsu". Danach sei es offenkundig, dass der Europäische Gerichtshof in den Bestimmungen der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die Offenlegungspflicht und deren Effektuierung keinen Verstoß gegen Primärrecht erblicke.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Geschäftsführer ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurs macht geltend, die Verhängung einer Zwangsstrafe über jeden einzelnen Geschäftsführer benachteilige Gesellschaften mit mehreren vertretungsbefugten Organen und führe so zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Selbst unter der Annahme, dass eine Geschäftsverteilung für die Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht maßgeblich sei, dürfte bei verfassungskonformer Interpretation der insoweit nicht eindeutigen Regelung nur eine Strafe verhängt werden.
Nach Lehre und Rechtsprechung wirkt sich eine unter mehreren Geschäftsführern vorgenommene Geschäftsverteilung nur im Innenverhältnis auf die Verantwortlichkeit der einzelnen Organe aus (SZ 66/40), sie kann diese jedoch nicht von zwingenden gesetzlichen Verpflichtungen befreien (RIS-Justiz RS0023825; Koppensteiner, GmbHG2 Rz 12 zu § 21). Wenngleich es ausreicht, dass die Einreichung des Jahresabschlusses beim Firmenbuchgericht durch die Geschäftsführer in der vertretungsbefugten Anzahl erfolgt (Geist in Jabornegg, HGB Rz 4 zu § 275), richten sich die zwingenden Offenlegungsvorschriften der §§ 277 ff HGB an die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, somit an alle Geschäftsführer. Unterbleibt die Offenlegung, sind nach § 283 Abs 1 HGB auch die Vorstandsmitglieder bzw Geschäftsführer zur Befolgung der Offenlegungsvorschriften durch Zwangsstrafen anzuhalten. Schon diese Formulierung weist als Adressaten der Zwangsstrafenandrohung alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorganes aus. Auf die für das Innenverhältnis maßgebliche Geschäftsverteilung kommt es dabei nicht an (Geist aaO Rz 3 zu § 283; Zehetner, Folgen der Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses ecolex 1998, 482 ff). Im vorliegenden Fall berufen sich sämtliche Geschäftsführer darauf, dass die Offenlegung aus Gründen der Unzumutbarkeit und Verfassungswidrigkeit nicht erzwungen werden dürfe. Sie machen damit aber deutlich, dass keiner von ihnen versucht hatte, dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen oder den durch die (im Übrigen auch nicht konkret dargestellte Geschäftsverteilung) intern dazu verpflichteten Mitgeschäftsführer dazu zu bestimmen. Sie können daher aus einer allfälligen Geschäftsverteilung keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe ableiten.
Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber führt die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden der Geschäftsführer weder zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übt das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz ist nicht darauf gerichtet, alle in der menschlichen Gesellschaft oder im Wirtschaftsleben auftretenden Ungleichheiten zu vermeiden; er soll vielmehr verhindern, dass die Rechtsordnung in unsachlicher Weise differenziert und Rechtsfolgen gleicher (vergleichbarer) Sachverhalte unterschiedlich gestaltet (Berka, Die Grundrechte, Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich Rz 890 ff). Angesichts der durch die Offenlegungsvorschriften verfolgten Ziele, die Informationsinteressen Dritter zu schützen, denen nur das Gesellschaftsvermögen zur Deckung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht, entbehrt die alle Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft treffende gesetzliche Verpflichtung, für die Offenlegung des Jahresabschlusses zu sorgen, und die aus der Nichterfüllung dieser Pflicht resultierende, gleichfalls jeden von ihnen treffende Zwangsstrafe weder einer sachlichen Rechtfertigung, noch kann sie als Ausübung unverhältnismäßigen Zwanges angesehen werden. Erst das empfindliche Instrument der gegen alle Geschäftsführer auch wiederholt zu verhängenden Zwangsstrafe eröffnet die Möglichkeit, die Offenlegungsverpflichtungen auch tatsächlich zu erzwingen und damit den europarechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen (vgl Zehetner, Zur Erzwingung der Offenlegung des Jahresabschlusses - kein Anpassungsbedarf, NZ 1998, 200). An der Verhältnismäßigkeit der bei Umsetzung der Richtlinie geschaffenen Regelung besteht daher kein Zweifel, sodass sich das vom Revisionsrekurs angeregte Vorabentscheidungsersuchen erübrigt.
Dass die Offenlegung wegen der vom Revisionsrekurs befürchteten Folgen (Preisdruck von Seiten der durch die Offenlegung über die geschäftlichen Verhältnisse des Erzeugers informierten Händler) unzumutbar wäre, ist nicht zu erkennen, liegt doch gerade die Information Dritter, die die finanzielle Situation der Kapitalgesellschaft nicht hinreichend kennen, im unmittelbaren Zweckbereich der Offenlegungsvorschriften. Die durch das GesRÄG 1996 getroffenen innerstaatlichen Regelungen erfolgten in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie), die ihrerseits auf Art 44 Abs 2 lit g EG beruhen. Danach liegt der Zweck in der Koordination von Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften in ihren Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu halten. Art 6 der 1. Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen für den Fall anzudrohen, dass die in Art 2 Abs 1 lit f der Richtlinie vorgeschriebene Offenlegung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unterbleibt. In Auslegung dieser Bestimmung hat der Europäische Gerichtshof bereits erkannt (EuGH vom 4. 12. 1997 Slg 1997 I - 6843 - Daihatsu), dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation nicht hinreichend kennen oder kennen können. Art 3 der Richtlinie, der die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offenzulegenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsieht, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, bestätigt das Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen. Dieses Bestreben kommt auch in den Begründungserwägungen der 4. Richtlinie zum Ausdruck, in denen auf das Erfordernis hingewiesen wird, hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander in Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen (Erwägungsgrund 22). Für die vom Revisionsrekurs angestrebte Abwägung der Interessen Dritter an der Information gegenüber jenen der Gesellschaft an deren Geheimhaltung anhand besonderer Marktsituationen bleibt damit kein Raum.
Der Revisionsrekurs vertritt die Auffassung, die Offenlegungspflicht der §§ 277 ff HGB wie auch die Vorschreibung von Zwangsstrafen verletze verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, wie jenes der Freiheit der Erwerbsbetätigung, der Unverletzlichkeit des Eigentums, das Grundrecht auf Datenschutz und den Gleichheitssatz. Die hier angesprochenen Bestimmungen des HGB wurden durch das EuGesRÄG 1996 in Umsetzung der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie formuliert. Richtlinien richteten sich gemäß Art 249 Abs 3 EG an die Mitgliedstaaten und sind hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich; sie überlassen es den innerstaatlichen Organen, Form und Mittel ihrer Umsetzung zu bestimmen, wobei der jeweils zuständige Gesetzgeber nach Maßgabe des von der Richtlinie offengelassenen Spielraumes eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen hat, die den Zielsetzungen der Richtlinie entspricht. Ist aber die Umsetzung einer Richtlinie wegen des fehlenden Spielraumes nur unter Verletzung von Grundrechten möglich, ist der nationale Gesetzgeber dessenungeachtet zur Umsetzung verpflichtet und - solange nicht die Grundprinzipien der Verfassung berührt werden - an die Grundrechte nicht gebunden. Das so erlassene Gesetz ist demnach nicht als verfassungswidrig zu beurteilen (Berka aaO Rz 332; Mayer, Die österreichische Grundrechtsordnung nach dem EU-Beitritt AnwBl 1996, 152 ff [157]). Überdies besteht der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber österreichischem Verfassungsrecht (Berka aaO Rz 332; Mayer aaO 154), sodass Gemeinschaftsrecht auch dann anzuwenden ist, wenn seine Regelungen innerstaatlichen Grundrechten widersprechen (vgl Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht 88 f).
Die detaillierten Regelungen der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ließen dem nationalen Gesetzgeber einen nur sehr geringen Umsetzungsspielraum; er hat auch dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abgesichert wird (Gruber, Bilanzpublizität für jedermann, Überlegungen zum "Daihatsu"-Urteil des EuGH RdW 1998, 525 ff mwN). Die Gestaltung dieser Sanktionen überlassen die Richtlinien dem nationalen Gesetzgeber, sodass nur unverhältnismäßige und damit unsachliche Strafen auch nach innerstaatlichem Recht unzulässig wären (Berka aaO Rz 337). Dass das EuGesRÄG 1996 die Bestimmungen über die Offenlegung bei Kapitalgesellschaften und deren Erzwingung richtlinienkonform umsetzte, unterliegt keinem Zweifel (Zehetner, Zur Erzwingbarkeit der Offenlegung des Jahresabschlusses - kein Anpassungsbedarf NZ 1998, 200; ders ecolex 1998, 482; Gruber aaO RdW 1998, 525 sieht nur insofern einen Anpassungsbedarf, als die Richtlinie die Zusendung der Rechnungslegungsunterlagen an jedermann über Verlangen vorsehe, dies aber erst nach elektronischer Erfassung der Urkundensammlung technisch auch möglich wäre).
Schon das Rekursgericht verwies zutreffend auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 4. 12. 1997 Slg 1997 I-6843 - Daihatsu, in welchem der EuGH eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass die Pflicht zur Offenlegung dem Ziel diene, die offenzulegenden Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen, und dass dieser Gedanke auch der Umsetzung in das österreichische Recht zugrundeliege. Die Auffassung des Revisionsrekurses, es müsste eine Interessenabwägung stattfinden, wobei der Öffentlichkeit nur ein sehr begrenztes Interesse an einer Offenlegung zukomme, lässt diesen schon in Art 44 Abs 2 lit g EG zum Ausdruck kommenden Grundsatz des Schutzes der Interessen Dritter und auch die Zielsetzungen der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien außer Acht, durch die Offenlegung des Jahresabschlusses jene dritten Personen zu informieren, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen bzw kennen können.
Die in Umsetzung der Richtlinie vom österreichischen Gesetzgeber getroffene Regelung ist auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn die Zwangsstrafe zufolge fortgesetzter Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen mehrmals gegen alle Geschäftsführer verhängt wird. Erst diese für die Betroffenen empfindliche Sanktion stellt die Befolgung des gesetzlichen Auftrages zur Offenlegung einigermaßen sicher. Mit den vom Revisionsrekurs angestrebten gelinderen Zwangsmitteln könnten die von den Richtlinien angestrebten Zielsetzungen nicht erreicht werden. In diesem Sinn hat auch der Europäische Gerichtshof in seinem Erkenntnis Daihatsu in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalanwalts die Sanktion einer Zwangsstrafe (nur) dann als geeignete Maßregel angesehen, wenn sie auch abschreckend ist (siehe Gruber aaO RdW 1998, 525 ff FN 11; ZIB 1997, 1234 [1236]).
Dass die über alle zur Offenlegung Verpflichteten (und diese Verpflichtung ausdrücklich verweigernden) Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe (20 % der möglichen Höchststrafe) im vorliegenden Fall genausowenig unangemessen ist wie die der Erzwingung dienende angedrohte Steigerung, hat schon das Rekursgericht zutreffend erkannt.
Der Revisionsrekurs macht schließlich noch geltend, selbst wenn der nationale Gesetzgeber mangels eines durch die Richtlinien eingeräumten beschränkten Spielraumes zur grundrechtskonformen Umsetzung diese nur unter Verletzung nationaler Grundrechte habe umsetzen können (in welchem Fall nach der Lehre ein Verstoß gegen die nationale Grundrechtsordnung nicht geltend gemacht werden könne), dürfe nicht übersehen werden, dass auch das Gemeinschaftsrecht einem Grundrechtskatalog verpflichtet sei. So wende auch der EuGH die EMRK als System allgemeiner Rechtsgrundsätze an und sei zur Überprüfung vom Gemeinschaftsrecht auf seine Übereinstimmung mit dieser zuständig. Es müsse daher im vorliegenden Fall geprüft werden, ob die beiden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien mit den Grundrechten der Gemeinschaft vereinbar seien.
Der erkennende Senat hat in seiner E 15. 12. 1999, 6 Ob 307/99m unter Hinweis darauf, dass der EuGH als den für das Gemeinschaftsrecht allgemein gültigen Maßstab nicht nur Vertragsrecht, sondern auch allgemeine Rechtsgrundsätze im Sinn der den mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen innewohnenden Rechtsprinzipien zur Beurteilung heranzieht (wozu insbesondere auch die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehörten) ausgesprochen, dass das Urteil "Daihatsu" keine Zweifel darüber offen lasse, dass der EuGH die in der 1. und 4. Richtlinie normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Diese Auffassung wird aufrechterhalten, wobei zu den Argumenten des Revisionsrekurses ergänzend Stellung genommen wird:
Wenngleich das Gemeinschaftsrecht keinen kodifizierten Grundrechtskatalog umfasst, ist in Lehre und Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass die durch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle gewährleisteten Grundfreiheiten und Menschenrechte den Kernbestand der Gemeinschaftsgrundrechte bilden (Berka aaO Rz 347 ff mwN aus Lehre und Rechtsprechung). So hat der EuGH einen allgemeinen Gleichheitssatz anerkannt, der Ungleichbehandlung verbietet, wenn diese nicht durch das Vorliegen objektiver Umstände von einigem Gewicht gerechtfertigt ist (Berka Rz 348; EuGHSlg 62, 655 - Glöckner Werke AG). Soweit der Revisionsrekurs in der Gleichbehandlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Aktiengesellschaften eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt und meint, Gesellschaften mit beschränkter Haftung müssten in der Frage der Offenlegung den Personengesellschaften gleichgestellt werden, übersieht er den allein maßgeblichen Grund für die in den Richtlinien und deren Umsetzung vorgenommene Gleichbehandlung von GmbHs mit Aktiengesellschaften: Beide Gesellschaftsformen gehören den Kapitalgesellschaften an und sind durch eine massive Einschränkung der Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Dritten gegenüber gekennzeichnet. Während der persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften mit seinem gesamten Vermögen auch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, steht den Gläubigern von Kapitalgesellschaften nur das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsfonds zur Verfügung. Indem nun die Richtlinien verschärfte Bestimmungen über die Offenlegung bei Kapitalgesellschaften vorsehen und dabei GmbH und Aktiengesellschaft gleich behandeln, tragen sie dem schon in Art 44 Abs 2 lit g EG angesprochenen Schutz des Dritten Rechnung. Es ist somit sachlich gerechtfertigt, dass die Richtlinien und deren Umsetzung Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Frage der Offenlegung nicht gleich den Personengesellschaften behandeln. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann daher keine Rede sein. Der Umstand, dass die Zwangsstrafe gegen alle Geschäftsführer verhängt werden kann, findet seine sachliche Rechtfertigung in der jeden Geschäftsführer der GmbH unabhängig von einer allfälligen Geschäftsverteilung treffenden Pflicht zur Rechnungslegung, deren Überprüfung und Unterfertigung.
Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH dürfen auch die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit im öffentlichen Interesse bestimmten Beschränkungen unterworfen werden, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten (Berka aaO Rz 349 mwN). Dass die in Bilanz- und Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs dient, ist evident und bedarf keiner weiteren Begründung. Eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel ist - wie bereits ausgeführt - genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte.
Dass die angestrebte Information in Einzelfällen auch auf andere Weise erlangt werden könnte (der Revisionsrekurs nennt beispielsweise bei der Gesellschaft oder Gesellschaftern einzuholende Auskünfte oder Anfragen bei Banken), nimmt der vorgesehenen Regelung nicht die sachliche Rechtfertigung, zumal derartige Auskünfte das Informationsinteresse nur unzureichend erfüllen.
Der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten bezieht sich nicht nur auf den Privat- oder Familienbereich, sondern auch auf wirtschaftsbezogene Informationen, wobei den Letzteren dann nur eingeschränkter Schutz zukommt, wenn sie mit gewichtigen Gegeninteressen abgewogen werden müssen (Berka aaO Rz 481). Der Anspruch auf Geheimhaltung setzt in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraus. Dem gegenüber sind Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen, so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen zulässig (Berka Rz 483). Die in den Richtlinien vorgesehene Offenlegung bezieht sich auf Wirtschaftsdaten der Gesellschaft, denen nach den dargelegten Grundsätzen und angesichts des dagegen abzuwägenden Interesses von Dritten an deren Offenlegung von vornherein nur eingeschränkter Schutz zukommt. Beschränkungen des Schutzes sind aber auch aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen (hier Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) notwendig sind. Gerade dies ist hier der Fall, dient doch die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft), um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen.
Soweit nun die Rekurswerber schließlich meinen, die Umsetzung des österreichischen Gesetzgebers diskriminiere österreichische Gesellschaften gegenüber solchen aus anderen Staaten, die mangels vollständiger Umsetzung der Richtlinie nicht denselben strengen Offenlegungsvorschriften unterliegen, sie seien deshalb im Wettbewerb jenen gegenüber benachteiligt, machen sie einen - unzulässigen - Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht geltend. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Gesellschaften, deren Rechtsordnung zu Unrecht Richtlinien noch nicht umgesetzt hat, kann im Rahmen des Diskriminierungsverbotes nicht geltend gemacht werden.
An der Vereinbarkeit der Offenlegungs- und Sanktionsbestimmungen der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie mit den Grundrechten der Gemeinschaft bestehen somit keine Zweifel. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens Folge zu leisten.
Die gegen die Verhängung der Zwangsstrafe erhobenen Einwände des Revisionsrekurses erweisen sich daher als unberechtigt, sodass dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen ist.
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