Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass folgende Eintragungen in das Firmenbuch bewilligt werden:
SITZ in
# politischer Gemeinde W*****
politischer Gemeinde W***** N*****
GESCHÄFTSANSCHRIFT
# *****
# ***** W*****
*****
***** W***** N*****
Generalversammlungsbeschluss vom 29. 11. 2010
Änderung der Errichtungserklärung in Punkt Erstens
Der Vollzug wird dem Erstgericht aufgetragen.
Text
Begründung
Die M***** Spedition GmbH ist zu FN ***** im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer ist M***** V*****. Sitz der Gesellschaft ist W***** mit der Geschäftsanschrift *****.
Die M***** Transport GmbH ist zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt eingetragen. Hälftegesellschafter und jeweils alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind M***** V***** und A***** D*****. Sitz der Gesellschaft ist W***** N***** mit der Geschäftsadresse *****.
Wechselseitige Beteiligungsverhältnisse zwischen den Gesellschaften bestehen nicht, das Schlagwort M***** in den beiden Firmennamen stellt jedoch ein Akronym, bestehend insbesondere aus den Anfangsbuchstaben des Namens von M***** V*****, dar.
Am 29. 11. 2010 beschloss die Generalversammlung der M***** Spedition GmbH die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft von W***** nach W***** N***** und an die selbe Geschäftsadresse wie die M***** Transport GmbH.
Die Vorinstanzen wiesen den Antrag der M***** Spedition GmbH auf Eintragung der Sitzverlegung ab. Das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und inwieweit der Zusatz der Branchenbezeichnung ähnlicher Geschäftsbereiche bei Unternehmen dann für eine deutliche Unterscheidung ausreicht, wenn Gesellschafter und Geschäftsführer teilweise ident seien.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht unter Hinweis auf § 29 UGB die Auffassung, Beurteilungsmaßstab für die deutliche Unterscheidbarkeit der betroffenen Unternehmen sei die Verkehrsauffassung der beteiligten Verkehrskreise, hier also ein breites Publikum. Dabei sei aber nicht auf den vollständigen Firmenwortlaut, sondern auf die im Geschäftsverkehr verwendete Fassung oder auf den Firmenkern als Beurteilungsgrundlage abzustellen, im vorliegenden Fall also auf M*****. Gehörten beide Unternehmensträger dem selben Geschäftszweig an, sei an die Unterscheidbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen; unter Berücksichtigung der erheblichen Verwechslungsgefahr der Tätigkeitsbereiche Spedition und Transport sei die Sitzverlegung der M***** Spedition GmbH an den Sitz der M***** Transport GmbH abzulehnen. Daran könne auch der richtige Eindruck der wirtschaftlichen Verflechtung der beiden Gesellschaften nichts ändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach § 29 Abs 1 UGB muss sich jede neue Firma von allen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Firmenbuch eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Neben der Prüfung, ob der Sitz ordnungsgemäß verlegt, also ob die Verlegung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft ordnungsgemäß beschlossen ist, erstreckt sich die Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts dabei im Fall der Sitzverlegung in formeller und materieller Hinsicht auch auf die Frage, ob die begehrte Eintragung (im Firmenbuch des Gerichts des neuen Sitzes) dem im § 29 UGB verankerten Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit gerecht wird. Es hat demnach die ihm mitgeteilte Firma mit den am selben Ort beziehungsweise in der selben Gemeinde bereits in das Firmenbuch eingetragenen Firmen zu vergleichen. Besteht die Gefahr einer Verwechslung, hat das Firmenbuchgericht durch Beanstandung der Anmeldung darauf hinzuwirken, dass die Firma so geändert wird, dass damit die Verwechslungsgefahr ausgeschaltet wird (6 Ob 10/90 ecolex 1990, 619).
2. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass für die Frage der Unterscheidbarkeit nach herrschender Auffassung (Dehn in Krejci/Schauer, RK [2007] § 29 UGB Rz 6; Schuhmacher in Straube, UGB4 [2009] § 29 Rz 12 ff; Herda in Jabornegg/Artmann, UGB I² [2010] § 29 Rz 22 ff; Umfahrer in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 29 Rz 12 ff [alle mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung]) nicht der vollständige Firmenwortlaut, sondern die im Geschäftsverkehr verwendete Form oder der Firmenkern maßgeblich sind, regelmäßig also das erste Wort der Firma, wenn dieses deren Charakteristikum bildet (6 Ob 139/05t). Bei Branchennähe beziehungsweise gleichem Unternehmensgegenstand sind strengere Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zu stellen.
Allein unter diesen Gesichtspunkten wäre die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung zur mangelnden Unterscheidbarkeit der Gesellschaften im Hinblick auf den bei beiden identen Firmenkern M***** und die Branchennähe des Speditions- und des Transportgewerbes durchaus vertretbar.
3.1. Nach zutreffender Auffassung von Umfahrer (in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 29 Rz 14) können jedoch derartige Schlagworte, die am Anfang der Firma stehen und das Charakteristikum oder den Firmenkern bilden, auch bei ähnlichem Unternehmensgegenstand gleichlautend für mehrere Unternehmen gebraucht werden, wenn es sich bei diesen um Konzerngesellschaften handelt. Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 10/90 den Umstand in den Vordergrund gestellt, dass „das unbefangene Publikum [aus der Verwendung des identen Familiennamens für mehrere Unternehmen] nur den Schluss ziehen [würde], dass es sich bei allen Gesellschaften um Glieder ein und derselben Unternehmensgruppe handelt“; dies war dort aber gerade nicht der Fall, weshalb die Unterscheidbarkeit der Firmen verneint wurde.
3.2. Wann Gesellschaften mit beschränkter Haftung Konzernunternehmen sind, ist § 115 GmbHG zu entnehmen. Maßgeblich ist dabei etwa, dass eine einheitliche Leitung mehrerer Gesellschaften möglich ist, also „Konzernierbarkeit“ vorliegt (U. Torggler in Straube, GmbHG [2010] § 115 Rz 10 mwN) oder dass zumindest längerfristig mit einem einflusskonformen Verhalten der Geschäftsführung zu rechnen ist (U. Torggler aaO Rz 11 mwN).
Sowohl angesichts der Gesellschafterverhältnisse als auch im Hinblick auf den Umstand, dass M***** V***** Alleingeschäftsführer der M***** Spedition GmbH und alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der M***** Transport GmbH ist, also mit einflusskonformem Verhalten der Geschäftsführung zu rechnen ist, erscheint es durchaus vertretbar, hinsichtlich der beiden Gesellschaften von Konzernunternehmen zu sprechen; davon ist offensichtlich auch das Rekursgericht ausgegangen.
3.3. Auch die vom Rekursgericht als alleiniges Gegenargument ins Treffen geführte Verwechslungsgefahr, die sich bei staatenübergreifendem Transport dann verwirklichen könnte, sollte der Konsument Reklamationsfristen (Art 30 CMR) deshalb versäumen, weil er seine Reklamation an die falsche Gesellschaft richtet, ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht gegeben. Gerade bei derartigen Transporten ist nach Art 4 CMR ein Frachtbrief auszustellen, der unter anderem Namen und Adresse des Frachtführers zu enthalten hat (Art 6 CMR). Eines aufmerksamen Vergleichs der Gesellschaften durch den „Konsumenten“ bedarf es damit nicht, um die Reklamation an das im Frachtbrief angeführte Unternehmen zu richten; allfällige Unachtsamkeit und Oberflächlichkeit genießen hingegen keinen Schutz (6 Ob 10/90).
4. Damit war aber dem Revisionsrekurs Folge zu geben, die beantragten Eintragungen waren zu bewilligen.
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