OGH 6Ob131/97a

OGH6Ob131/97a11.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing.Reinhard K*****, 2. Silvia K*****, beide vertreten durch Dr.Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Ewald J*****, 2. Dr.Gerhard Z*****, beide ***** wegen 71.073,80 S, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18.Dezember 1996, GZ 2 R 628/96h-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 4.Juli 1996, GZ 35 C 72/96y-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien haben den beklagten Parteien die mit 9.335,42 S (darin 1.555,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 13.214,70 S (darin 933,62 S Umsatzsteuer und 7.613,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erhielten von dem von den Verkäufern beauftragten Vermittler die Auskunft, daß der Kaufpreis der Eigentumswohnung 826.000 S betragen sollte. Es wurde nicht erörtert, ob im Kaufpreis die Umsatzsteuer enthalten oder dem genannnten Betrag noch hinzuzurechnen ist. Die Rechtsanwaltskanzlei der Beklagten sollte auf Wunsch der Verkäufer den Kaufvertrag formulieren. Die Kläger fertigten ein Kaufanbot, in dem der Kaufpreis von 826.000 S ohne Hinweis auf eine allfällige Steuer aufschien. Die Verkäufer wiesen den Erstbeklagten an, in den schriftlichen Vertrag einen Kaufpreis von 826.000 S zuzüglich 71.073,80 S Umsatzsteuer aufzunehmen. Der Erstbeklagte verfaßte einen Vertragsentwurf in diesem Sinne. In der Kanzlei der Beklagten wurde mit den Klägern die Steuerfrage erörtert. Der Erstbeklagte teilte ihnen mit, daß die Umsatzsteuer vom Finanzamt für den Fall rückvergütet werde, daß die Kläger die Wohnung weitervermieten. Dies beabsichtigten die Kläger. Sie fertigten den Kaufvertrag und zahlten den angeführten Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt. Die Zweitklägerin erkundigte sich dort über die Rückerstattung der Umsatzsteuer. Es wurde ihr mitgeteilt, daß sie die Umsatzsteuer nur unter bestimmten Bedingungen rückerstattet bekomme. Die Kläger unternahmen daraufhin keine weiteren Schritte zur Rückvergütung der Steuer.

Mit ihrer am 28.12.1995 beim Erstgericht eingelangten, auf Schadenersatzrecht gestützten Klage begehren die Kläger den Rückersatz der im Kaufpreis enthaltenen Umsatzsteuer. Die Beklagten hätten als Errichter des Kaufvertrages die klagenden Käufer über die rechtlichen Möglichkeiten der Rückvergütung der Steuer unrichtig belehrt ("reiner Durchlaufposten"). Im Kaufpreis von 826.000 S sei bereits die Umsatzsteuer enthalten gewesen. Die Beklagten hätten den schriftlichen Vertrag in diesem Sinne "gestalten" müssen. Auch wenn grundsätzlich für den Fall der Vermietung (des Kaufobjektes) Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer abgeschrieben werden könnten, so habe diese Möglichkeit für die Kläger nicht bestanden. Darauf hätten die Beklagten hinweisen müssen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Den Klägern sei erklärt worden, daß für den Fall der Vermietung der Wohnung die Möglichkeit bestehe, den in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer abzuschreiben. Diese Möglichkeit bestehe tatsächlich. Wenn die Kläger davon keinen Gebrauch machten, könne dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Dem Kaufanbot der Verkäufer sei nicht zu entnehmen gewesen, ob darin Umsatzsteuer enthalten sei. Dies sei vom Vermittler auch nicht zugesagt worden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Belehrungspflicht des Rechtsanwalts, der einen Kaufvertrag errichtet, nicht überspannt werden dürfe. Er werde von beiden Teilen ins Vertrauen gezogen und müsse unparteiisch formulieren. Die Beklagten hätten von den Verkäufern die klare Anweisung erhalten, in den Kaufvertrag die Umsatzsteuer (zusätzlich) aufzunehmen. Die gegebene Aufklärung zur Umsatzsteuerfrage sei ausreichend gewesen. Es habe für die Vertragserrichter kein Anlaß bestanden, durch wiederholte Nachfragen zu erforschen, ob und unter welchen Bedingungen die Kläger bereits andere Räumlichkeiten vermietet hätten. Ein Sorgfaltsverstoß sei den Beklagten selbst dann nicht anzulasten, wenn die Kläger die Rückvergütung der Steuer tatsächlich nicht erhalten könnten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger teilweise Folge. Der Klage wurde in der Hauptsache stattgegeben, ein Zinsenmehrbegehren (unangefochten) abgewiesen. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und beurteilte diese rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Eigentumswohnung vom Vermittler um 826.000 S angeboten worden sei. Der von den Verkäufern geforderte Preis habe grundsätzlich auch die Umsatzsteuer enthalten. Das konkrete Kaufanbot der Kläger habe dem Offert des Vermittlers entsprochen. Der Kaufpreis von 826.000 S sei als Bruttopreis zu verstehen gewesen. Die Beklagten hätten in diesem Sinne einen Kaufvertrag zu verfassen gehabt. Einen Rechtsanwalt treffe die Verpflichtung zu vollständiger und richtiger Belehrung. In Abweichung vom Auftrag der Kläger hätten die Beklagten einen um den Umsatzsteuerbetrag erhöhten Kaufpreis festgesetzt. Mit der Bezeichnung der Umsatzsteuer als "Durchläufer" sei den Klägern der Eindruck vermittelt worden, dadurch nicht belastet zu werden. Eine Belehrung darüber, daß sich durch den erhöhten Kaufpreis auch die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer und die gerichtliche Eintragungsgebühr erhöhe, sei nicht erfolgt. Die Belehrung des Erstbeklagten sei daher nicht nur unrichtig, sondern auch unvollständig gewesen. Die Kläger hätten im Falle ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung nach Ausstellung einer Rechnung gemäß § 12 Abs 14 UStG den Steuerbetrag als Vorsteuer abziehen können. Falls sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt wären, ergebe sich durch die Erhöhung des Kaufpreises zwangsläufig eine Erhöhung der Kosten. Die falsche Aufklärung habe die Kläger veranlaßt, den vom Auftrag abweichenden Kaufvertrag zu fertigen. Den Klägern sei zumindest in der Höhe des Klagebetrages ein Schaden entstanden. Die Beklagten hätten beweisen müssen, daß der Schaden auch bei richtiger und vollständiger Belehrung eingetreten wäre. Auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten hätten sich die Beklagten aber nicht berufen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zur Frage der Haftung von Anwälten im Sinne des § 1299 ABGB liege eine umfangreiche Judikatur, von der nicht abgewichen worden sei, vor.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragen die Beklagten die Abänderung dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Das Berufungsgericht ging von einem von den Beklagten auftragswidrig erstellten Kaufvertragsentwurf mit einem auch die Umsatzsteuer enthaltenden Kaufpreis sowie davon aus, daß die erfolgte Beratung über die Möglichkeit der Käufer, die Vorsteuer im Wege des Vorsteuerabzuges zu lukrieren, falsch gewesen sei. Die Haftung der beklagten Vertragserrichter kann nur dann bejaht werden, wenn ihr Verhalten den allein geltend gemachten Schaden, d.i. die im Kaufpreis enthaltene Steuer, verursacht hätte. Dieser Schaden kann schon nach dem Vorbringen der Kläger und dem festgestellten Sachverhalt nicht auf den Vertragsentwurf der Beklagten zurückgeführt werden. Die Kläger haben sich nicht darauf berufen, daß sie bei pflichtgemäßem Handeln der Rechtsanwälte, also bei Verfassen eines Kaufvertrages mit einem Kaufpreis von 826.000 S brutto (also inclusive Umsatzsteuer), einen solchen Vertrag auch tatsächlich abschließen hätten können. Festgestellt wurde dazu, daß die Verkäufer nur zum Abschluß mit einem Kaufpreis von 826.000 S zuzüglich Umsatzsteuer bereit waren und den Erstbeklagten angewiesen hatten, einen Kaufvertragsentwurf in dieser Weise zu verfassen. Wohl haben die Verkäufer die Eigentumswohnung über einen Vermittler um den genannten Betrag ohne jeden Bezug auf die Umsatzsteuer angeboten. Es ist auch richtig, daß im Zweifel - wenn also nichts anderes vereinbart wurde - ein solcher Kaufpreis als Bruttopreis inklusive Umsatzsteuer zu verstehen ist (SZ 60/50 uva). Daß die Verkäufer an ihr in diesem Sinne aufzufassendes Anbot gebunden gewesen wären und den Kaufvertrag mit dem niedrigeren Kaufpreis auch abschließen hätten müssen, haben die Kläger nicht einmal behauptet und ihre Schadenersatzklage auch nicht auf eine fehlerhafte Beratung der Beklagten in diesem Punkt gestützt. Sie erblicken das schadenskausale Verschulden der Beklagten in der unrichtigen Belehrung darüber, daß die Kläger wegen der geplanten Vermietung der gekauften Wohnung zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Diese Auskunft war jedoch grundsätzlich durchaus richtig. Die von den Verkäufern in Rechnung gestellte und auf die Käufer überwälzte Steuer betrifft Umsatzsteuerbeträge aus Investitionen der Verkäufer am Bauwerk. Die Verkäufer mußten ihren getätigten Vorsteuerabzug wegen der Veräußerung gemäß § 12 Abs 10 UStG 1994 berichtigen. Die der Höhe nach unstrittige Steuerrückzahlung wurde auf die Käufer überwälzt. Sind diese Unternehmer, was bei Vermietung des Kaufobjekts zu bejahen ist, können sie die in der Rechnung ausgewiesene Steuer im Wege des Vorsteuerabzuges geltend machen. Der ausgewiesene Betrag gilt für den Empfänger der Lieferung als eine für eine steuerpflichtige Leistung gesondert in Rechnung gestellte Steuer (§ 12 Abs 14 UStG) und berechtigt zum Vorsteuerabzug nach § 12 UStG (Doralt/Ruppe, Grundriß4 I 336; 1 Ob 503/94). Zwar sind Umsätze von Kleinunternehmern bei im Veranlagungszeitraum 300.000 S nicht übersteigenden Umsätzen gemäß § 6 Abs 1 Z 27 UStG umsatzsteuerbefreit und aus diesem Grund vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 12 Abs 3 UStG), sie haben aber gemäß § 6 Abs 3 UStG die Option, auf die Steuerbefreiung zu verzichten. In diesem Fall steht der Vorsteuerabzug nach den allgemeinen Regeln zu (Ruppe, UStG 1994, Rz 441 zu § 6), es erfolgt dann aber auch die Besteuerung ihrer Umsätze, das sind hier die Mieteinnahmen der Kläger. Für die Kläger bestand somit durchaus die von den Beklagten erläuterte Möglichkeit, die überwälzte Steuer im Wege des Vorsteuerabzuges wieder hereinzubringen. Ein Schaden könnte den Klägern allenfalls dadurch entstehen, daß sie ihre Umsätze nunmehr erstmalig versteuern müssen, sodaß die im Kaufpreis enthaltene Steuer nicht in vollem Umfang im Wege des Vorsteuerabzuges hereingebracht werden kann, die Steuer also nicht zur Gänze einen "Durchläufer" darstellt. Einen solchen Schaden machen die Kläger allerdings nicht geltend. Sie haben dazu keinerlei Sachverhalt vorgebracht, insbesondere auch nicht, daß sie nicht in der Lage wären, die von ihnen gezahlte, den Mietzins betreffende Umsatzsteuer auf den Mieter zu überwälzen (§ 15 Abs 2 MRG; WoBl 1991/87). Den behauptungs- und beweispflichtigen Klägern ist somit der Nachweis einer falschen Beratung durch die Beklagten nicht gelungen. Es braucht daher gar nicht mehr geprüft werden, ob sie im Falle einer unrichtigen Beratung tatsächlich berechtigt wären, die Differenz zwischen dem von ihnen angestrebten Kaufpreis und dem tatsächlich vereinbarten und gezahlten Kaufpreis zu verlangen. Dies hätte zur Voraussetzung, daß es bei richtiger Beratung zum Abschluß des Kaufvertrages im Sinne der Kläger gekommen wäre, was - wie ausgeführt - nicht einmal behauptet wurde. Eine unrichtige Beratung des Rechtsanwalts berechtigt nur zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist nur die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre. Eine solche Differenz könnte etwa dadurch entstanden sein, daß die Kläger bei Rückabwicklung des Geschäftes für die Liegenschaft nur einen Kaufpreis erzielen könnten, der unter dem von ihnen bezahlten Kaufpreis liegt. Dazu mangelt es jedoch an jeglichem Vorbringen der Kläger.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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