Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Begriff des Dritten gemäß § 875 ABGB bei irrtumsbehafteten Wertpapierkäufen von einem Privatanleger.
1. Nach § 875 ABGB ist der Vertrag gültig, wenn einer der Vertragsschließenden von einem Dritten durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrag bewogen oder zu einer irrtümlichen Erklärung veranlasst worden ist. Ein von einem Dritten veranlasster Willensmangel berührt also den Vertrag grundsätzlich nicht (Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 875 Rz 1; vgl zuletzt ausführlich Geroldinger, Die Zurechnung Dritter nach § 875 ABGB [Teil I]; JBl 2012, 29 [31]). Allerdings gilt § 875 ABGB nicht für Personen, deren sich ein Teil im Rahmen der Verhandlungen als Gehilfe bedient: Ein solcher ist jeder, der im Auftrag des Gegners handelt und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt hat; er ist dann im Rahmen der Irrtumsanfechtung als Gehilfe des Gegners anzusehen (4 Ob 44/11s mwN).
Dass F***** S***** im Sinn dieser rechtlichen Grundlagen nicht Dritter, sondern Gehilfe des Beklagten war, kann aufgrund der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht zweifelhaft sein. Danach „ersuchte der Beklagte F***** S*****, für ihn nun einen Teil seiner Aktien zu verkaufen, [...]. Der Beklagte ersuchte F***** S*****, einen Käufer für die Aktien zu suchen und beauftragte ihn mit dem Verkauf eines Teils seiner Aktien, wobei es keine Vorgaben gab, an wen der Verkauf stattfinden sollte“. Damit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt aber ganz grundsätzlich von dem der Entscheidung 4 Ob 44/11s zugrunde liegenden, auch wenn auch dort der Kläger und F***** S***** beteiligt waren, wurde dort doch ausdrücklich festgestellt, dass F***** S***** „weder für den Kläger noch für den [dortigen] Beklagten als Vermittler beziehungsweise im Auftrag einer der beiden“ aufgetreten ist. Auch dass F***** S***** hier dem Beklagten gegenüber aus Gefälligkeit handelte, ändert daran ebenso wenig wie die Überlegung des Beklagten, er habe F***** S***** keinen Auftrag erteilt, den Kläger zu beraten. F***** S***** veranlasste als Gehilfe des Beklagten durch seine Äußerungen beim Kläger einen wesentlichen Irrtum; dieser Umstand ist damit dem Beklagten zuzurechnen. Dass der Beklagte Privater war, ist unbeachtlich.
2. Nach den weiteren Feststellungen der Vorinstanzen „sicherte F***** S***** dem Kläger als definitiv zu, dass es im Jahr 2008 zum Börsengang des Unternehmens [dessen Aktien der Kläger erwarb] kommen werde, der Kläger für das Jahr 2007 fix noch eine Dividende von 8 % bekomme und die Aktien beim Börsegang um 250 CHF/Stück ausgegeben würde beziehungsweise 250 CHF/Stück wert sei“. Derartige Zusicherungen von Verhandlungsgehilfen, die beim Anleger zu Fehlvorstellungen über die Risikogeneigtheit einer bestimmten Anlage führen, werden von der Rechtsprechung als Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Beteiligung und damit als wesentlicher Geschäftsirrtum beurteilt (7 Ob 177/98z ÖBA 1999, 900 [Apathy] = ecolex 1999, 619 [Wilhelm]; 8 Ob 25/10z ecolex 2010, 1039 [Wilhelm; Graf, 1131; Riedler, ecolex 2011, 194]).
3. Die Vorinstanzen haben den von ihnen festgestellten Sachverhalt unter ausreichender Beachtung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beurteilt, wobei die Frage, ob ein die Vertragsanfechtung ermöglichender Geschäftsirrtum vorliegt, grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt (7 Ob 178/09s; 8 Ob 25/10z). Damit war aber die Revision zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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